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BBC Global News
Nachrichten anders erzählen auf Facebook

Auf Facebook konkurrieren Nachrichten mit Katzenvideos und Essenstrends. Damit Politik und Zeitgeschehen im Wust des Sozialen Netzwerks nicht verloren gehen, hat BBC Global News die Nachrichtenshow „Cut through the noise“ gestartet.

Von Annika Schneider | 18.06.2019
Das Foto zeigt das Broadcasting House in London, seit 2013 der Hauptsitz der British Broadcasting Corporation (BBC).
UK: Hauptsitz der BBC, London (picture-alliance / dpa)
Jeden Tag werden in den USA acht Menschen von Kindern angeschossen. Das berichtet die Moderatorin, während sie einen sonnigen Boulevard entlang schlendert. Es ist der Auftakt für ein siebenminütiges Video über Waffenunfälle in den USA. Darin kommen Experten und Betroffene zu Wort, es geht aber auch um Statistik und Gesetzestexte.
Auf den ersten Blick ist klar: Dieses Video ist nicht fürs Fernsehen gemacht. Das Format ist vertikal, die Schriftgröße überproportional groß – perfekt also, um es sich unterwegs auf dem Smartphone anzuschauen. Dass der Inhalt von BBC Global News stammt, macht ein diskretes Logo deutlich. Zu finden ist der Clip allerdings nicht auf der sendereigenen Webseite, sondern nur bei Facebook Watch, der Videosparte von Facebook.
Nachrichten für eine junge Zielgruppe
Die Idee: Seriöse Nachrichten direkt im sozialen Netzwerk präsentieren – aktuell, aber nicht tagesaktuell. Nathalie Marinavich ist bei BBC News zuständig für mobile Formate und hat "Cut through the noise" mit entwickelt. Die Themenwahl für die Sendung erklärt sie so: "Es muss nichts Politisches sein. Wir haben über Elektroroller, Abtreibung, Zeit am Bildschirm und Außenpolitik in Afghanistan berichtet. Es geht um Themen, die in den Nachrichten sind oder über die die Leute reden, von denen wir wissen, dass sie sie interessieren."
Die Aufmachung ist kreativ und bei jedem Thema anders, aber immer sind die Reporterinnen jung und die Schnitte schnell. Hinzu kommen emotionale Musik und einprägsame Grafiken. Regelmäßig werden Interviewsituationen von außen gezeigt, sodass transparent wird, wie die Journalisten arbeiten. "Cut through the noise" richtet sich damit ausdrücklich an eine junge Zielgruppe: "Die meisten sind zwischen 25 und 35. Wer das anschaut, ist an Nachrichten interessiert. Niemand schaut sechs bis zehn Minuten, wenn du daran kein Interesse hast. Die Videos sind ziemlich ausführlich."
Publikum weltweit ansprechen
Das Geld für die wöchentliche Sendung kommt von Facebook selbst. Die BBC ist das erste Medienunternehmen außerhalb der USA, mit dem das soziale Netzwerk eine solche Kooperation abgeschlossen hat. Der internationale Blickwinkel ist Teil des Konzepts, sagt Nathalie Marinavich: "Das schließt eine globale Perspektive mit ein. Wir können auf alle unsere Sprachendienste und Redaktionen von BBC Global News zurückgreifen und versuchen, so oft wie möglich zu zeigen, wie ein Thema außerhalb der USA gesehen wird."
Tatsächlich kommt "Cut through the noise" nicht nur in den USA gut an – ein Teil der Zuschauer stammt laut BBC aus Europa und Südasien. Mehr als hunderttausend Nutzer haben den Kanal auf Facebook bereits abonniert. "Wir sind sehr zufrieden. Wir bekommen zwischen einer und drei Millionen Aufrufe pro Woche und arbeiten hart daran, dass die Leute dranbleiben. Die Klickzahlen sind zwar sehr hoch, aber wir wollen nicht, dass die Zuschauer nach drei Sekunden wieder weg sind. Sie sollen weiterschauen", gibt Marinavich zu bedenken.
Zwischen Facebook und Fernsehen
Kurze Texttafeln kündigen an, worum es in der nächsten Minute geht und sollen so die Zuschauer bei der Stange halten. Ob weitere Kooperationen mit Facebook geplant sind, dazu möchte die BBC-Redakteurin nichts sagen. Aus dem Projekt habe man aber in jedem Fall schon viel mitgenommen: "Wir haben gelernt, wie wir Expertenstimmen und Inhalte von Nutzern ausbalancieren. Wie wir einen Moderator im Studio oder woanders einsetzen. Wie die Reporter mit der Geschichte interagieren."
Am Ende des Videos über Waffengewalt wendet sich die Moderatorin direkt an die Zuschauer und lädt sie ein, das Thema zu kommentieren – bevor ein Abspann mit allen Beteiligten folgt, der dann doch wieder sehr ans klassische Fernsehen erinnert.