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Beamen im Kanal

Physik. - 1997 gelang es dem österreichischen Physiker Anton Zeilinger erstmals ein Lichtquant zu beamen: Er teleportierte die Eigenschaften des Lichtteilchens einmal quer über den Labortisch und zwar ohne jede Zeitverzögerung. Das Experiment faszinierte Laien wie Fachleute: Die einen fühlten sich an das Raumschiff Enterprise erinnert, die anderen sahen Anwendungen für die Telekommunikation. In der heutigen Ausgabe von "Nature" präsentiert Zeilingers Team den neusten Clou: Den Forschern ist es gelungen, Lichtteilchen durch einen Tunnel unterhalb der Donau zu beamen, wenn man so will eine Langstrecken-Teleportation.

Von Frank Grotelüschen |
    Wir befinden uns jetzt bereits unter Donau-Niveau. Das ist der Strich, der anzeigt, wo das normale Donau-Niveau ist. Wir gehen jetzt ungefähr drei Stockwerke senkrecht hinunter.

    Geübt bewegt er sich durch die Wiener Kanalisation. Doch Rupert Ursin ist weder Klempner noch Tiefbau-Ingenieur, sondern Physiker. Als solcher befasst sich mit einem der wohl seltsamsten Phänomene überhaupt, der Teleportation von Lichtteilchen, so genannte Photonen.

    Bei unserer Teleportation wird die Quanteninformation eines Teilchens auf ein anderes Teilchen übertragen, so dass das resultierende Teilchen nicht mehr unterscheidbar ist von dem Original,

    sagt Ursins Kollege Thomas Jennewein. Mit anschaulicher Alltagsphysik hat das nichts zu tun, es ist knallharte Quantenphysik. Grundlage der Teleportation sind zwei besondere Lichtteilchen. Sie werden erzeugt, wenn ein Spezialkristall einen Laserstrahl in zwei Photonen aufgespaltet, die dann in entgegengesetzte Richtungen davonfliegen. Das Entscheidende: Beide Photonen sind verschränkt, das heißt sie sind auf rätselhafte Weise miteinander verknüpft. Vergleichbar ist das mit zwei Würfeln, die - gleichzeitig geworfen, stets die selbe Augenzahl zeigen, ganz egal, wie weit die beiden Würfel voneinander weg sind.

    Lässt man nun einen der Lichtzwillinge mit einem weiteren, einem dritten Photon zusammenstoßen, passiert das Eigenartige: Die Eigenschaften des dritten Photons, z. B. seine Schwingungsrichtung, übertragen sich auf den anderen, den entfernten Zwilling, und zwar sofort, ohne jeden Zeitverzug. 1997 hatte Anton Zeilinger diese Quantenteleportation erstmals geschafft, quer über den Labortisch, über eine Strecke von gerade mal einem Meter. Jennewein

    Die Quantenmechanik an sich sagt uns, das sollte über eine beliebige Distanz funktionieren. Wir haben uns lange überlegt: Wie können wir das weiter ausloten, wie weit kann man da gehen? Und das Limit, was man da zu haben scheint, ist einfach nur die Übertragung von solchen verschränkten Quanten. Das ist immer mit Verlusten behaftet, also eher technische Limits.

    Wie also lassen sich die verschränkten Lichtquanten in die Ferne übertragen? Möglichkeit 1: Ganz einfach durch den freien Raum, mit einem Laser als Sender und einem Teleskop als Antenne. Das Problem, so Jennewein:

    Das ist sehr wetterabhängig, und man braucht freie Sicht.

    Deshalb griffen Jennewein und seine Leute zu Möglichkeit 2: Das Beamen durch ein Glasfaserkabel, so wie es in der Telekommunikation eingesetzt wird:

    Da waren wir lange auf der Suche: Wo kann man das verlegen und wo könnte man das machen? Weil ein Problem ist: Wir brauchen spezielle Glasfasern. Und da hat sich das Wiener Kanalnetz beziehungsweise der Betreiber davon halt angeboten, das durchzuführen.

    Der prominente Name des Anton Zeilinger half, Türen zu öffnen oder in diesem Fall die Gullydeckel des Wiener Kanalnetzes. Die Sendestation liegt am Anfang eines Tunnels unterhalb der Donau, die Empfangsstation am Ende, 600 Meter entfernt. Im Tunnel zeigt Rupert Ursin auf meterdicke Röhren:

    Das ist Trinkwasser, dieses Rohr. Und unterhalb sind die zwei großen Rohre für das Schmutzwasser. Auf der linken Seite liegt unsere Glasfaser, das ist das da.

    Ein unscheinbares schwarzes Kabel in einem Kabelschacht. Viele Monate lang haben Ursin und Jennewein gebastelt und getestet und freuen sich nun über das Ergebnis. Jennewein:

    Das hat funktioniert. Wir konnten mit mehreren Messungen nachweisen, dass wirklich der empfangene Zustand beim Empfänger so rauskommt, wie es vorne reingeht.

    Und ist mit einer Strecke von 600 Metern das Ende der Fahnenstange schon erreicht? Jennewein:

    Wir denken schon nach darüber, noch größere Distanzen zurückzulegen. Wir arbeiten dran.

    Und zwar nicht ohne Hintergedanken. Schließlich verspricht die Quantenteleportation eines Tages lukrative Anwendungen. Sie ist interessant für die Kryptographie, die abhörsichere Übermittlung von Geheimdaten. Schließlich verschwindet bei der Teleportation eine Information und taucht an anderer Stelle wieder auf, ohne zwischendrin zu existieren. Ein Spion hat keine Chance, an die Information heranzukommen. Datensicherheit wäre durch Naturgesetze garantiert.