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Beamtenbund fordert acht Prozent mehr Gehalt für zwei Jahre

Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, hat die Forderung nach acht Prozent mehr Gehalt für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder verteidigt. Sie dürften nicht hinten anstehen, nachdem diese Steigerung für die Bundesbeamten und die Tarifbediensteten der Kommunen schon erreicht worden sei, sagte Heesen. Zudem habe es zuletzt drei Jahre lang Nullrunden gegeben.

Peter Heesen im Gespräch mit Elke Durak |
    Elke Durak: "Ideenwerkstatt für den öffentlichen Dienst", unter diesem Motto will der Deutsche Beamtenbund Anfang der Woche eine gewerkschaftspolitische Arbeitstagung abhalten. Ideenwerkstatt, das kann ein weites Feld sein. Was ist gemeint und wie stellt sich der öffentliche Dienst, stellen sich die Beamten in Krisenzeiten wie den derzeitigen tarifpolitisch auf? Soll es bei den 8 Prozent mehr bleiben? Am 19. Januar wird es wieder eine Tarifrunde mit den Ländern geben, gemeinsam mit ver.di. - Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, ist im Studio. Herr Heesen, Ideenwerkstatt, Ideen wofür?

    Peter Heesen: Zunächst einmal bezieht sich der Begriff auf 50 Jahre Rückblick, denn wir haben diese Tagung zum 50. Mal, und wir haben eigentlich in all den Jahren immer versucht, mit dieser Tagung zwei Dinge zu tun: zum einen zum Beginn eines Jahres den öffentlichen Dienst überhaupt in Erinnerung zu rufen, denn der führt ein Schattendasein. Geht es der Gesellschaft gut, interessiert sich niemand für den öffentlichen Dienst; geht es ihr schlecht, wird eine Neiddiskussion geführt am Beispiel des öffentlichen Dienstes. Das ist das eine. Wir wollen also zu einem realen Hintergrund den öffentlichen Dienst in den Mittelpunkt stellen, und wir wollen zweitens natürlich auch Vorschläge machen, was man wo wie verbessern kann, was auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst erwarten. Dazu haben wir immer wieder Vorschläge gemacht, zum Beispiel vor kurzem noch ein Konzept zum Thema Entbürokratisierung, bessere Gesetze, aber auch 2003 ein großes Konzept zur Neugestaltung des öffentlichen Dienstrechtes. Insofern verstehen wir diese Tagung immer auch als einen Auftakt für die Diskussion der Fragen, die den Staat und seinen öffentlichen Dienst betreffen.

    Durak: Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst wird ja gerade in Krisenzeiten immer wieder entgegengehalten, euch geht es ja gut, ihr könnt nicht gekündigt werden. - Geht es den Angestellten und Beamten gut?

    Heesen: Man kann den sicheren Arbeitsplatz nicht jedes Jahr bei jeder Einkommensrunde neu bezahlen, sondern man muss irgendwo auch ein bisschen darauf schauen - das verlangt übrigens auch das Beamtenrecht -, wie denn die Bezahlungsstrukturen draußen sind, vor allem weil man ja auch, was die Nachwuchsgewinnung betrifft, in einem Wettbewerb mit der Wirtschaft steht. Das ist der eine Punkt.

    Der zweite Punkt: Wir haben im Jahre 2008 für die Beschäftigten des Bundes und für die Tarifbediensteten der Kommunen mehr als 8 Prozent vereinbart für die kommenden zwei Jahre, also für 2008 und 2009. Die Länder waren nicht dabei und die Beamten der Kommunen auch nicht. Früher war das ja immer ein Block. Auf Wunsch der Länder ist das auseinandergenommen worden, und natürlich sagen unsere Beschäftigten in den Ländern, es geht aber doch nicht an, dass nun Kommunen und Bund bessere Einkommen haben und wir hinterherhinken, und deshalb müsst ihr auch für uns diese 8 Prozent durchsetzen. Das ist die Grundlage gewesen für die gemeinsame Forderung, die ver.di und wir aufgestellt haben und die wir auch gemeinsam verhandeln werden, nämlich diese 8 Prozent auch durchzusetzen.

    Durak: Und die sind angemessen, angesichts der Lage?

    Heesen: Wir haben in den Jahren 2005, '06 und '07 drei Jahre hintereinander Nullrunden gehabt. Die haben wir akzeptiert. Das war ein Ergebnis von Tarifverhandlungen. Wir haben also mit Blick auf die Haushaltssituation des Staates gesagt, okay, wir tragen dem Rechnung, wir vereinbaren in einem Tarifkonzept drei Jahre keine lineare Einkommenserhöhung. Das heißt, da ist Nachholbedarf. Und ich kann den Menschen jetzt nicht sagen, damals haben wir auf die Finanzsituation des Staates Rücksicht genommen, jetzt nehmen wir auf die Krisensituation in der Finanzwirtschaft Rücksicht. Das kann nicht sein. Ich muss auch irgendwo den Menschen eine Botschaft geben. Im Übrigen: Unsere Menschen sagen, der Staat spannt milliardengroße Schirme auf zur Rettung der Finanzindustrie, und da kann er die eigenen Beschäftigten nicht im Regen stehen lassen.

    Durak: Ist das aber nicht ein Unterschied, Herr Heesen? Der Staat spannt Rettungsschirme auf und stellt für den Fall der Fälle Geld zur Verfügung? Er gibt nicht Cash rüber; Sie verlangen Cash.

    Heesen: Nein, nein. Er macht es ja nicht nur. Sie dürfen nicht vergessen: Wir haben ein Paket von insgesamt 450 Milliarden, das der Bund aufgelegt hat. Davon sind 400 Milliarden Rettungsschirm für den Fall der Fälle, sprich also Bürgschaft, aber 50 Milliarden gehen mal eben auch in die Finanzindustrie und sind ja schon zu einem großen Teil verbraucht. Da wird ja auch eingestanden für Fehlspekulationen und Geschäfte, die nichts mit dem Thema Liquidität zu tun haben, sondern die zu einer echten Krise geführt haben.

    Durak: Welche Möglichkeiten haben Sie, hat der DBB, der Deutsche Beamtenbund, die Forderungen durchzusetzen, die Sie so haben?

    Heesen: Zunächst einmal appellieren wir wie immer an die Vernunft, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass es eine durchgängige Gegenentwicklung gibt auf der Ebene der Länder. Viele Verantwortliche in den Länderregierungen wissen, dass da jetzt Nachholbedarf ist - auch für die Länder -, weil sie auch in Konkurrenz stehen zum Bund und zu den Kommunen, und da muss auch eine gemeinsame Regelung getroffen werden. Es kann kein Politiker erklären, warum die Krankenschwester in einer Kommune im Monat 130 Euro mehr verdient als die Krankenschwester in einer zum Land gehörenden Universitätsklinik, und das ist bei der Feuerwehr und bei anderen Berufen so ähnlich. Da müssen wir also ein bisschen tun.

    Was wir machen neben dem, was wir an Überzeugungskraft leisten: Wir werden natürlich, wenn wir sehen, es wird auf dem Verhandlungswege schwieriger, dann auch der Arbeitgeber- und Dienstherrenseite sagen, bitte, da werden wir Maßnahmen ergreifen. Wir werden sicher dann auch zum Mittel des Warnstreiks greifen müssen in den Tarifbereichen, und wir werden auch, wenn es denn nicht anders geht, nicht vor Streikauseinandersetzungen zurückschrecken. Ich will nur nicht mit dieser Keule winken zu einem Zeitpunkt, wo wir einfach noch am Anfang der Gespräche stehen und ich auch darauf setze, dass die Verantwortlichen in den Ländern, die ja auch wissen, wir müssen in dieser Krise die Kaufkraft stärken, dass es keinen besseren Weg zur Stärkung der Kaufkraft gibt, als den Menschen für reale Arbeit, die sie leisten, auch reales Mehreinkommen zu geben - und das nach diesen Jahren des Verzichts und der Zurückhaltung, ich denke, das ist angemessen.

    Durak: Herr Heesen, Sie haben Bürokratieabbau ins Gespräch gebracht, und da möchte ich noch mal ans Konjunkturpaket II oder an andere Konjunkturmaßnahmen anknüpfen. Es wird immer von Investitionen gesprochen. So gut, wie sie kommen werden, diese Investitionen, ist es doch fast sicher, dass kurze Zeit später die EU nachfragt, sind denn alle unsere Vorschriften eingehalten worden. Können Sie sich vorstellen, dass man diesen EU-Druck ausklammern kann in Krisenzeiten, oder sind wir dem ausgeliefert?

    Heesen: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das wieder kommt, weil da auch in Brüssel ein gehöriges Stück Bürokratismus aufgebaut worden ist, das zu allererst mal darauf achtet, ob denn die Regeln eingehalten werden, die man aus irgendwelchen Zeiten heraus, als wir diese Krisen nicht hatten, gestellt hat. Ich kann der Bundesregierung nur raten, da muss man auch mal drüber wegsehen. Und ich denke, dass Frau Merkel in der Lage sein wird, hier auch mit den Amtskollegen aus den anderen Ländern mal den einen oder anderen Brüsseler Kommissar zurückzupfeifen, oder eben notfalls auch die Regeln zu verändern. Brüssel ist ja nicht dazu da, jetzt nationale Lösungen, die ja auch im Willen der Politik im europäischen Konzert gesucht werden, dass nun da die Kommission etwa mit ihren Wettbewerbsvorgaben störend ist.

    Ich will ein Beispiel bringen. Wir werden zum Beispiel ja vor der Frage stehen, ob es nicht dringend notwendig ist, Deutschland flächendeckend im Breitbandbereich zu verkabeln. Wir haben das heute nicht. Wir haben ländliche Strukturen, die sind von jeder Entwicklung völlig ausgeschlossen, weil sie über diese Breitbandverkabelung nicht verfügen. Das muss gemacht werden! Das kann aber nicht ein Investor alleine. Warum? Weil der Investor nicht weiß, ob das sich jemals rentiert. Hier brauchen sie öffentliche Mittel. Ich weiß, dass die Bundesregierung das schon mal aufgegriffen hat, dass sie im Augenblick auch mit den Ländern darüber verhandelt, ob man denn das nicht auch mit Hilfe der Länder machen kann. Da bin ich mir sehr sicher, da wird Brüssel irgendwann auftreten. Die zuständige Kommissarin wird also sagen, nun, nun, ihr Bösen, das dürft ihr nicht. Ich würde mich darüber glatt hinwegsetzen. Die Regierungen sind dazu da, in dieser schwierigen Wirtschaftssituation eben Hilfestellung zu geben. Deshalb regen mich solche Dinge wie europäische Ausschreibung und die Frage, wer finanziert das denn, die regen mich eher auf. Und ich denke, wenn wir wollen, dass die Menschen Zustimmung zu Europa haben - und ich hätte das gerne aus vielen guten Gründen. Es gibt aus der Geschichte heraus nach wie vor das grausame Stück der vielen Soldatengräber. Wenn man die sieht, dann weiß man, dass wir Europa brauchen. Wenn wir das aber wollen, dann müssen wir bestimmte Dinge zurückstellen und sagen, zunächst mal steht im Mittelpunkt die Prosperität, der Erfolg der Menschen, für die wir eine Verantwortung haben. Wir machen Europa nicht um Europa Willen, sondern um der Menschen Willen.