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Beate Küpper vs. Jürgen Wiebicke
Ist die deutsche Demokratie in Gefahr?

Die Mehrheit befürworte zwar die Demokratie, zugleich seien anti-demokratische Einstellungen verbreitet, sagt Beate Küpper, Autorin der Mitte-Studie. Der Journalist Jürgen Wiebicke kritisiert solche Befunde: Sie verstärkten, was sie bekämpfen wollen. Gemeinsinn statt Alarmismus, fordert er.

Moderation: Christiane Florin |
Westansicht des Reichstagsgebäudes in Berlin
Demokratie in der Krise - da gelte es zu erforschen warum, so Jürgen Wiebecke (picture alliance / dpa / Daniel Kalker)
Beate Küpper, Sozialpsychologin an der Hochschule Niederrhein und Mit-Autorin der "Mitte-Studie", die regelmäßig die Verbreitung rechtsextremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen erforscht.
Beate Küpper, Sozialpsychologin
Beate Küpper (Foto: Privat )
"Ja, die Demokratie ist in Gefahr, denn wir können in der Mitte-Studie beobachten, dass die Mitte der Gesellschaft, die gemeinhin als Garant für die Demokratie gilt, sich nicht mehr auf sicherem Boden befindet. Sie positioniert sich zwar klar demokratisch und glaubt von sich selbst, demokratisch zu sein, findet die Demokratie auch nach wie vor gut. Gleichzeitig vertritt ein nicht ganz kleiner Teil Ansichten, die nicht so demokratisch sind, die die Würde und Gleichheit aller in Frage stellen. Beispielsweise stimmen viele der Aussage zu: 'Im nationalen Interesse können wir nicht die gleichen Rechte für alle garantieren'.
Solche und ähnliche Einstellungen, wie auch die Abwertung von Minderheiten, sind im schlimmsten Fall anschlussfähig für ausgewachsen rechtsextreme Verschwörungsmythen. Auch der Verfassungsschutz stellt gerade fest, dass die Rechtsextreme in die bürgerliche Mitte hineinsickert. Zudem gibt es strategische Akteure der Neuen Rechten, die das ganz gezielt versuchen. Ich hoffe, dass die demokratische Mitte stark genug ist, das auszuhalten."
Jürgen Wiebicke, Journalist und Autor des Buches "Zehn Regeln für Demokratie-Retter".
Jürgen Wiebicke, Journalist
Jürgen Wiebicke (Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré)
"Natürlich habe auch ich den Schuss gehört und ein Gefahrenbewusstsein entwickelt. Wir werden erforschen müssen, warum nicht nur unsere, sondern alle westlichen Demokratien eine Krise erleben. Aber Krise heißt ja nicht unbedingt, die Welt geht unter. Krise heißt Unterscheidung, überlegen, was ist eigentlich wichtig. Ich war in den vergangenen zwei Jahren an 100 Orten dieser Republik, habe mit sehr unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Menschen über Demokratie gesprochen und ich spüre einfach: Es regt sich etwas. Menschen kapieren, dass es in der Demokratie nicht reicht, nur Konsumbürger zu sein. Salopp mit Hölderlin formuliert: 'Wo Gefahr ist, da wächst das Rettende auch'."