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Beate Uhse - die Sexpionierin

Sex, fand Beate Uhse, sollte kein heimlicher Akt im abgedunkelten Schlafzimmer sein, sondern ein sinnliches Vergnügen. Nicht nur für ihn, sondern auch für sie. Mit dieser Einstellung und dem passenden Equipment verdiente die Unternehmerin eine Menge Geld.

Von Silke Lahmann-Lammert | 07.10.2011
    Beate Uhse gehört zu den Unternehmern, die das deutsche Wirtschaftswunder ins Rollen bringen. Ohne einen Pfennig Startkapital baut sie eine Firma auf und verhilft dem verschlafenen Flensburg zum Aufschwung. Anerkennung bekommt sie dafür nicht. Im Gegenteil:

    "Wir gaben Beate Zuflucht in unserer christlichen Nächstenliebe. Und nun müssen wir als Dank die Verführung unserer Jugend fürchten."

    Im prüden Nachkriegsdeutschland gilt der Handel mit Erotikartikeln als schmutziges Geschäft.

    "Völlig ungezügelt verbreitet sie Unzucht und Begierde. Es ist wie eine Welle, wie ein Bazillus, der sich breitmacht."

    Hand in Hand mit der Kirche macht die Staatsanwaltschaft der Firmengründerin das Leben schwer:

    "Unzucht, Frau Uhse. Unzucht, strafbar nach § 184. Wurde ich denn angezeigt? Sie haben Kondome verschickt. 72 Fälle liegen uns vor. Und möglicherweise sind viele der Adressaten unverheiratet. Und in diesen Fällen wäre das dann auch noch der Tatbestand der Kuppelei."

    Der Fernsehfilm beginnt mit Beate Uhses Flucht aus dem zerbombten Berlin, wo sie als Pilotin bei einem Flugzeugbauer gearbeitet hat. Im April 1945 flieht sie in einer entwendeten Maschine ins britisch besetzte Schleswig-Holstein und findet Unterschlupf im Haus eines Flensburger Pfarrers. Dort erlebt sie die Not der Frauen, die in den Hungerjahren ungewollt schwanger werden.

    "So Frauen wie uns gibt es hier viele. Die könnten alle ihren Rat gebrauchen. Gut. Dann mach ich das."

    Beate Uhse, Tochter einer ostpreußischen Landärztin, stammt aus aufgeklärten Verhältnissen. Um ihren Nachbarinnen zu helfen, setzt sie eine Broschüre mit Tipps zur natürlichen Verhütung auf. Die "Schrift X". Ihr späterer Mann, Ewe Rotermund, kommt auf die Idee, daraus ein Geschäft zu machen.

    "Dieses Prospekt, das Sie Schrift X nennen, ist nen prima Versandartikel. Könnte nen Verkaufsschlager werden. Zwei Mark das Stück können Sie dafür ohne Weiteres verlangen. Finden Sie? Mmh."

    Mit dem kleinen Faltblatt beginnt die Erfolgsgeschichte des Flensburger Erotik-Versandhandhauses.

    "Guck dir das an, Ewe. Die Leute bestellen. Nicht nur das. Die sind neugierig. Die stellen Fragen. Lies das mal. Äh, kann man vom Küssen schwanger werden und kommen die Kinder durch den Bauchnabel der Frauen zur Welt? Tut das weh? Das fragen erwachsene Menschen! Und sie bestellen deine Schrift X. Das sind Hunderte. Hunderte von Anfragen!"

    Der Film mit Franka Potente in der Hauptrolle stellt die Firmenchefin als Aufklärerin und Idealistin dar, ihren Mann, Ewe Rotermund, als Geschäftsmotor im Hintergrund.

    "Wenn nur 500 Leute bestellen, macht das schon Tausend Mark! Wir brauchen dringend 'ne Druckerei. Ja, aber es geht doch nicht nur ums Geld. Wir müssen die Dinge ansprechen. Wir müssen diese Leute aufklären!"

    Dabei beschreiben Beate Uhses wahre Weggefährten sie als die Geschäftsfrau. So sehr sich der Film müht, das Bild der knallharten Unternehmerin weichzuzeichnen, so holzschnittartig stellt er ihre Gegner dar. Besonders den Staatsanwalt, dessen fanatischer Feldzug gegen die Sexpionierin dem Versagen im eigenen Ehebett geschuldet zu sein scheint:

    "Es könnte doch viel schöner sein. Wovon redest du? Von Erfüllung! Vielleicht entwickelt sich ja was. Du glaubst, ich brauche Nachhilfe? "

    Regisseur Hansjörg Thurn gelingt es nur selten, seinen Figuren Leben einzuhauchen. Über weite Strecken wirkt der Film wie ein bebilderter Wikipediaartikel.

    ""Schrift X hat sich mehr als 32.000 Mal verkauft. Und die Leute wollten mehr. Ich nahm Kondome ins Programm auf und Beratungshefte, die bis dahin nur unter der Ladentheke erhältlich waren."

    Ein Lexikoneintrag, der die Fakten der Jahre 1945 bis 1972 abdeckt. Was für ein Mensch Beate Uhse war, was sie angetrieben und trotz aller geschäftlichen und privaten Tiefschläge immer wieder aufstehen lassen hat, davon erfahren die Zuschauer wenig. Schade um den schönen Stoff. Schade um eine deutsche Lebensgeschichte, die so viel spannender hätte erzählt werden können.