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Bed and Breakfast for Garden Lovers

Auch heute lassen sich viele Briten gerne von anderen Gärten inspirieren. Deswegen bieten viele Gartenbesitzer Bed and Breakfast für Gartenliebhaber an. Die Reisenden verbinden so die Übernachtung in privater Umgebung mit einem Blick in den Garten.

Von Kirsten Zesewitz |
    " Acht Unzen Mehl, vier Unzen Butter und vier Unzen Zucker. Sie kneten bis der Teig krümelig ist und legen die Form damit aus. Dann kommt der Rhabarber rein. Eine Schicht Teig obendrauf und 40 Minuten in den Ofen. Lecker ist das! "

    Sue Corfe zieht einen Rhabarberstiel aus der Erde, prüft, ob er reif ist und legt ihn in den Weidenkorb. Jeden Morgen macht die 72-Jährige eine Tour durch ihren Garten, schaut nach den Blumen, den Obststräuchern, dem Gemüse.

    Spinat hat Sue Corfe in ihrem Garten, Bohnen, Kartoffeln und Auberginen, Blumenkohl und Lauch. Das halbe Dorf Nettlestead versorgt sie mit Gemüse, vor allem die Gäste ihres Bed and Breakfast for Garden Lovers. Heute sollen zwei ältere Damen ankommen, aus Bristol. Sue will zur Begrüßung Rhubarb Crumble machen, dann können sie sich mit Tee und Rhabarberkuchen in den Garten setzen.

    " Oh, so ein B&B macht Spaß! Ich treffe so viele reizende Leute. Die meisten haben selbst einen Garten. Sie interessieren sich für Gärten und Pflanzen, genau wie ich! Und dann gehen sie durch meinen Garten und sagen: Ach, Ihre Blumen sind viel weiter als meine – weil sie vielleicht aus Nordengland kommen. Das ist lustig. Oh ja, meine Gäste lieben Gärten. Aber ich glaube, das ist typisch englisch, nicht wahr? "

    Sue Corfe streift die Hände an ihrer Schürze ab. Sie sind rauh und schmutzig, die Schwielen von Erde geschwärzt. Manchmal würden ihre Gäste sogar im Garten arbeiten wollen, sagt Sue. So wie der eine Hobbygärtner, der unbedingt den Rasen mähen wollte, mit ihrem Sitzrasenmäher. Nun ja, danach seien
    einige Ecken ramponiert gewesen, wegen der vielen Kurven. Aber der Rasen habe es überlebt.

    Sue Corfe öffnet die kleine Holztür zum Gemüsegarten. Die brauche sie, um das Gemüse vor den Fasanen zu schützen. Ein Männchen und drei Ladies wohnen in ihrem Garten. Weiter unten würden sie geschossen, sagt Sue.
    Hier seien sie sicher.

    " Mein Leben lang hatte ich immer einen Gemüsegarten. Ein Gemüsegarten ist sehr wichtig, wissen Sie! Wenn ich einen Blumenkohl ernte, dann esse ich ihn am selben Tag zum Dinner. Ich koche ihn nur ein paar Minuten – die aus dem Supermarkt brauchen je ewig, und der Geschmack ist völlig anders. Genau wie der Salat. In unserer Familie gibt es eine Redensart: "Noch vor zehn Minuten gewachsen". Mais zum Beispiel: Wenn Sie den Mais ernten, sollte das Wasser schon kochen. Sie laufen in den Garten und stecken den Mais sofort in den Topf – oh ja, das ist etwas ganz anderes als das Zeug aus dem Supermarkt. "

    Sue Corfe holt ein Messer aus ihrer Schürzentasche. Kraftvoll teilt sie die Blätter und sticht einen Blumenkohl vom Strunk. Mit Schinken und Kartoffeln wird sie ein gutes Dinner machen. Für sich und die beiden Ladies. Sie müssten ja bald kommen. Werden Hunger haben nach der Fahrt.

    Sue Corfe setzt sich auf eine Holzbank und streckt die Beine aus. Im ganzen Garten hat sie kleine Bänke verteilt: Unter Bäumen und neben Blumenrabatten, manchmal ein Balken auf zwei Beinen, manchmal ein richtiger Lehnstuhl. Die Sitze seien für ihre B&B-Gäste. Damit sie es sich gemütlich machen könnten, in ihrem Cottage Garten.

    Ein Auto fährt den Kiesweg hoch. Es hält vor dem Cottage. Von ein paar Traktoren abgesehen, verirren sich nicht viele Fahrzeuge nach Nettlestead. Die Straßen zum Cottage sind eng, an beiden Seiten von Hecken umgeben.

    Ein Ehepaar kommt zur Holzbank gelaufen. Sie entschuldigen sich für ihr Eindringen: In einem Gartenbuch über basischen Boden hätten sie von Sue Corfes Cottage Garten gelesen. In Südfrankreich haben sie vor kurzem ein Anwesen gekauft. Bei Cognac, im Massif Central. Nur mit dem Boden kämen sie nicht zurecht. So viele Pflanzen seien ihnen eingegangen, dabei hätten sie extra eine Gärtnerei befragt.

    Sue Corfe rät ihnen, eigenen Kompost auf ihren Boden zu packen. Sie selbst nutze das Heu ihrer Wiese, sagt sie, alte Pflanzenteile und Häcksel. Auch wenn das nie genug sei. Und Pferdemist. Pferdemist sei auch nicht zu verachten.

    " Wir wollen die französischen Bauern überzeugen, uns ihren Pferdedung zu überlassen! Wir haben schon das Wort gelernt: fumée de cheval. Das Schlechtriechende vom Pferd. "

    " Es ist Nachmittag geworden. Tea Time. Sue Corfe steht in der Küche, unter fließendem Wasser spült sie Erdbeeren ab. Auf dem Tisch steht eine Schüssel mit Schlagsahne, daneben Teegeschirr. Gerade sind die Damen aus Bristol eingetroffen, sie hatten sich verfahren. Nun sind die beiden müde. Hunger haben sie keinen, eine Tasse Tee wäre nett, dazu Erdbeeren mit Schlagsahne. "

    " Sue Corfe trägt das Tablett in den Garten. In diesem Moment hüpft das
    Fasanenmännchen über den Rasen, seine Federn leuchten in der Sonne. Dann verschwindet er im Rhododendronbusch. Die Ladies aus der Stadt sind hingerissen. "


    Wenn ich mit meiner Freundin auf Gartentour bin, suchen wir immer nach einer Herberge auf dem Land. Ein nettes Cottage, mit großem Garten. Tagsüber machen wir unsere Ausflüge, schauen uns die Gärten des National Trust an. Und wenn wir am Nachmittag zurückkommen, setzen wir uns mit einem Tee in den Garten denken daran, was wir alles gesehen haben. Das gehört zusammen: Ausruhen und den Garten genießen.

    Sue Corfe holt eine Landkarte aus dem Haus. Die Damen wollen wissen, wo sie am nächsten Tag hinfahren könnten. Sissinghurst! sagt Sue Corfe. Sie tippt mit dem Finger auf die Landkarte. Sissinghurst sei zauberhaft.