Man ist mit dieser Polkörperdiagnostik ja noch am Anfang, es geht ja darum, die Schwangerschaftsrate zu verbessern und die Abortrate zu senken, und wir wissen, dass gerade bei älteren Frauen, bei denen wir Eizellen zur Invitrobefruchtung einsetzen, die Eizellen häufig eine chromosomale Störung haben.
Bei Frauen über vierzig ist nur noch etwa jede zweite Eizelle intakt. Durch die Polkörperdiagnostik kann die Erfolgsquote einer künstlichen Befruchtung jedoch im Schnitt um 25 Prozent gesteigert werden.
Dazu entnehmen die Mediziner Chromosomensätze, die von der Eizelle abgeschnürt werden, bevor es zur Verschmelzung mit den väterlichen Chromosomen kommt. Diese Erbinformationen der Mutter in den sogenannten Polkörpern haben für das Embryo keine Bedeutung mehr.
Und wir können durch die Entnahme eines Polkörperchens diese chromosomale Störung erkennen, es wird an verschiedene Zentren in Deutschland gemacht, es gibt inzwischen drei Zentren, die auch über Schwangerschaft nach Polkörperchendiagnostik berichten, es ist am Anfang und deshalb fordern wir eine Studie. Bevor flächendeckend diese Polkörperdiagnostik eingesetzt wird, sollte man zunächst prüfen, ob sie wirklich das bringt, was wir von ihr versprechen.
Bisher sind über tausend Eizellen von 150 Frauen untersucht worden, Noch ist die Methode relativ unbekannt. Doch schon in diesem Jahr soll unter der Führung der Lübecker eine große Studie zur Wirksamkeit beginnen: an fünf Universitäten, mit 900 Frauen. Nirgendwo hat die Polkörperdiagnostik so eine Bedeutung wie in Deutschland, weil hier das Embryonenschutzgesetz die Prägimplantationsdiagnostik verbietet. Über die Polkörper kommen die Reproduktionsmediziner wenigstens an die mütterlichen Erbinformationen. Klaus Diedrich:
Wir hoffen natürlich schon dadurch eher die Eizellen dann zurücksetzen zu können in die Gebärmutter, die am ehesten eine Chance hat für einen Einpflanzung. Und damit die Schwangerschaftsrate und auch durchaus die Mehrlingsrate, weil wir weniger Embryonen zurücksetzen, zu verbessern.
Aber die Chromosomen lassen weitere Informationen zu. Prognosen beispielsweise, welche Erbkrankheiten die Eizelle künftig weitergeben kann. Etwa über die Wahrscheinlichkeit, an Mukoviszidose zu erkranken.
Kritiker befürchten dadurch die schleichende Unterwanderung des Embryonenschutzes. Eugenik light sozusagen, juristisch zwar nicht anfechtbar, moralisch allemal. Deshalb fordern sie auch bei der Polkörperdiagnostik Beschränkungen: das Verbot, nach bestimmten Krankheiten zu suchen. Eine Sichtweise, die von den Befürwortern kaum Verstanden wird. Für sie bleibt die Polkörperdiagnostik für die Suche nach Erbkrankheiten sowieso einen schwache Krücke. Eine vorsichtige Zulassung der Präimplantationsdiagnostik die bessere Lösung. Ein Fazit durch Christine Woopen vom Nationalen Etikrat nach der Anhörung:
Ich finde, es ist sehr deutlich geworden, dass die Labore und Universitätskliniken und niedergelassenen Praxen, die diese Diagnostik im Moment überhaupt in Erwägung ziehen und anwenden, sehr sehr vorsichtig damit umgehen und das sehr sorgfältig diskutieren. Das soll man so beibehalten und auch in dieser Vorsicht einen Regelung in Erwägung ziehen.
Der Ethikrat wird der Polkörperdiagnostik nach dieser Anhörung also höchstwahrscheinlich generell zustimmen. Mit welchen Einschränkungen, das muss noch erarbeitet werden.