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Bedingt Grund für Pessimismus

Erschreckend sind sie noch nicht, die neusten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Insgesamt hat die Arbeitslosigkeit im August nur leicht zugenommen. Doch gibt es eine Gruppe, die besonders stark betroffen ist – die Jungen.

Von Melanie Hinter |
    Die Zahl der unter 25-Jährigen auf Jobsuche stieg gegenüber dem Vorjahr um fast 17 Prozent auf gut 451.000. Den Grund dafür sieht der DGB-Jugendsekretär Rene Rudolph überwiegend in Übergangsproblemen nach der Ausbildung.

    "Insgesamt müssen wir sagen, dass die jungen Menschen in diesem Land am stärksten von der Wirtschaftskrise betroffen sind. Das hat einerseits natürlich was damit zu tun, wie sieht die Situation am Ausbildungsmarkt aus. Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass ein Großteil der jungen Beschäftigten, also diejenigen, die nach ihrem Studium oder nach ihrer Berufsausbildung sozusagen den Berufseinstieg schaffen wollen, in prekären Beschäftigungsverhältnissen gewesen sind, also Stichworte sind Leiharbeit, Befristung, Praktika, prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Und das sind diejenigen, die als Erstes gehen mussten innerhalb der Wirtschaftskrise. Das kann man auch ablesen an der hohen Zahl der jugendlichen Arbeitslosen bis 25, die ist nämlich überproportional gestiegen in den letzten Monaten. Von daher kann man schon sagen, dass die Verlierer der Krise vor allem die jungen Beschäftigten und die jetzige Generation ist."

    Das Problem: Viele Betriebe haben mit massiven Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Um die Arbeitnehmer vor Massenentlassungen zu schützen, fördert die Bundesregierung die Kurzarbeit. Doch was ist mit den Jungen, die noch nicht in einem festen Arbeitsverhältnis sind? Die müssen nicht nur den Übergang von der Ausbildung hinein ins Berufsleben meistern – sie müssen zunächst einmal eine Lehrstelle ergattern. Und der Kampf um eine Lehrstelle wird seit Jahren härter. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist besorgt. Rene Rudolph:

    "Die aktuelle Wirtschaftskrise spielt insofern mit rein, dass wir beobachten, dass es eine rückläufige Tendenz bei den betrieblichen Ausbildungsverträgen gibt, die durch die Unternehmen angeboten werden. Jetzt kann man natürlich mutmaßen, dass bei gleichbleibender Wirtschaftslage das Angebot an Ausbildungsplätzen gleich geblieben wäre, wir haben aber einen Rückgang von über 23.000 betrieblichen Ausbildungsplätzen im Vergleich zum Vorjahresmonat und gehen auch stark davon aus, dass ein großer Teil davon auch wirtschaftskrisenbedingt ist."

    Doch Christian Brzinsky-Fay, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, beruhigt:

    "Wir haben geringfügig weniger Ausbildungsstellen, die von den Unternehmen angeboten werden, aber wir haben glücklicherweise gleichzeitig auch einen Rückgang in der Zahl der Schulabgänger, das heißt, dass auch weniger Bewerberinnen und Bewerber auf den Ausbildungsmarkt kommen, sodass da halt die Situation relativ entspannt sich darstellt."

    Das zeigen auch die neusten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres zum 1. September waren zwar noch 99.100 Schulabgänger ohne eine Lehrstelle. Die Zahl der noch Unversorgten lag damit aber um 29.700 unter der des Vorjahres. Ursache dafür ist der erhebliche Bewerberrückgang, weil sinkende Schülerzahlen in immer weniger Schulabgängern resultieren. Insgesamt bewarben sich 515.000 junge Menschen um eine Lehrstelle – 85.200 weniger als noch im Jahr 2008. Experten gehen davon aus, dass es neben den unversorgten Schulabgängern noch rund 320.000 Altbewerber gibt, die sich zum Teil seit mehreren Jahren um eine Lehrstelle bemühen. Dass die Zahl der Bewerber insgesamt zurückgeht, könne auch ihnen helfen, hoffen vor allem die Partner im Ausbildungspakt. In diesem Pakt haben Regierung und Wirtschaft das Ziel vereinbart, jedem Ausbildungswilligen ein Ausbildungsplatzangebot machen zu können. Generell seien die Ausbildungschancen der Jugendlichen in diesem Jahr nicht schlechter als in den vergangenen Jahren, sagt Thilo Pahl, Leiter des Referates Ausbildungspakt beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Doch die Lage sei nicht überall entspannt – es komme ganz auf die Region und den Beruf an.

    "Die Unterschiede sind in der Tat regional greifbar. Wir haben in den neuen Bundesländern die Situation, dass die Demografie den Ausbildungsmarkt dort fest im Griff hat. Wir haben einen Rückgang der Schulabgängerzahlen dort von minus 16 Prozent. Das spürt man auf dem Ausbildungsmarkt in der Weise, dass die Betriebe dort Schwierigkeiten haben, geeignete Bewerber für ihre Ausbildungsplätze zu finden. In den alten Bundesländern konzentrieren sich stärker die Wirkungen der Wirtschaftskrise. Das heißt, sie finden dort einen größeren Rückgang bei den angebotenen Ausbildungsplätzen, insbesondere in den Regionen, in denen ein großer Anteil an Unternehmen im Exportgeschäft tätig ist, da finden sie die stärksten Rückgänge, dementsprechend ist es dann zum Beispiel in den nördlichen Bundesländern, die eher dienstleistungsorientiert sind, ein weniger starker Rückgang festzustellen. Ganz generell kann man sagen, dass der gewerblich-technische Bereich stärker unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise leidet. Da sind sehr viele Ausbildungsberufe, die halt im exportorientierten Bereich angesiedelt sind. Dementsprechend sind dort die Rückgänge ein bisschen größer als im Dienstleistungsbereich, gerade im Bereich Banken und Versicherungen und auch im Hotel-Gaststättengewerbe ist in diesem Jahr das Ausbildungsangebot in etwa auf dem Niveau des Vorjahres."

    Eine Tendenz könnte sich dieses Jahr aber ändern, prophezeit Thilo Pahl: In den vergangenen Jahren zogen ostdeutsche Jugendliche den Ausbildungsplätzen in den Westen nach. Es gab in ihrer Heimat weniger Lehrstellen als in den westdeutschen Bundesländern:

    "Inzwischen dreht sich die Lage aufgrund der Demografie um, das heißt, viele Ausbildungsstellen sind im Osten frei. Das heißt, es lohnt sich für viele Jugendliche auch aus dem Westen auch mal einen Blick in die Lehrstellenbörsen in den neuen Bundesländern zu werfen, denn da sind noch Stellen frei. Und da hilft die Mobilität mit Sicherheit auch in diesem Jahr, einen Ausbildungsplatz zu finden."

    Für die Partner im Ausbildungspakt ist diese Entwicklung ein Erfolg, den sie sich auf ihre Fahnen schreiben. Schließlich sind sie vor fünf Jahren angetreten, um das Problem der fehlenden Ausbildungsplätze auf höchster Ebene zu lösen.

    Rückblick: 2004 – die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist angespannt, die Diskussion um eine Ausbildungsplatzabgabe, die Betriebe zahlen sollen, die nicht genügend ausbilden, verschärft sich. Immer weniger Betriebe bilden aus – für Schulabgänger wird es immer schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Diese Entwicklung will die rot-grüne Bundesregierung mit einer Abgabe stoppen. Wer nicht ausbildet, zahlt, wer mehr ausbildet, wird dafür belohnt. Die Wirtschaft ist alarmiert. Für sie ist die geplante Ausbildungsplatzabgabe ein bürokratischer Albtraum – der unbedingt verhindert werden muss. Und auch in den Regierungsfraktionen ist die Umlage umstritten. Und so geht die Politik auf den Vorschlag der Arbeitgebervertreter ein. Diese verpflichten sich in einem Pakt dazu, neue Ausbildungsplätze anzubieten. Wenn die Politik im Gegenzug auf die Einführung der Ausbildungsplatzabgabe verzichtet. Am 16. Juni 2004 ist es dann soweit. Die Bundesregierung und die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft schließen den "Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland". Paktpartner sind für die Bundesregierung die Ministerien für Wirtschaft und Technologie, Arbeit und Soziales sowie Bildung und Forschung, für die Wirtschaft der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Zentralverband des Deutschen Handwerks und der Bundesverband der Deutschen Industrie. Gerhard Schröder, zu diesem Zeitpunkt Bundeskanzler:

    "Wir haben also einen freiwilligen, aber gleichwohl verbindlichen Pakt geschlossen, dessen Umsetzung gewiss nicht leicht sein wird. Aber wir sind alle wirklich entschlossen, für die Umsetzung zu sorgen."

    Wolfgang Clement, 2004 Wirtschaftsminister, macht noch einmal deutlich, worum es hier eigentlich geht – ein funktionierender Ausbildungspakt verhindert die Ausbildungsplatzabgabe.

    "Wir werden ab November beginnen, Zwischenbilanzen zu ziehen, und wir werden dann bis zum Herbst des nächsten Jahres sehen, ob wir nachsteuern müssen, sachlich, ob der Vertrag so, wie wir ihn vereinbart haben, ausreichend ist."

    Der Pakt sieht konkret vor, dass die Wirtschaft drei Jahre lang jeweils 30.000 neue Lehrstellen anbietet. Neu heißt dabei nicht unbedingt zusätzlich. Gehen Betriebe pleite oder bilden nicht mehr aus, werden die wegfallenden Lehrstellen nicht mit den neu eingeworbenen Ausbildungsplätzen verrechnet. Die Verbände sichern also zu, dass ihre Mitgliedsunternehmen Lehrstellen anbieten, die es bisher nicht gab. Eine Garantie für vorhandene Plätze wollen sie nicht geben. Außerdem sollen 25.000 zusätzliche Praktikantenstellen schlecht qualifizierte Bewerber fit für den Arbeitsmarkt machen. Die Praktikanten bekommen einen Unterhaltszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit und im Erfolgsfall ein Zertifikat der örtlichen Industrie- und Handelskammer. Doch nicht nur die Wirtschaft verspricht Engagement, auch die Bundesregierung macht Zusagen. Sie will die Zahl der Ausbildungsplätze in der Bundesverwaltung um 20 Prozent erhöhen. Die Gewerkschaften sehen den Pakt kritisch und bleiben außen vor – freiwillig und aus gutem Grund, wie Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, findet:

    "Unsere ursprüngliche Intention war ja eine gesetzliche Umlage zur Finanzierung von Ausbildungsplätzen. Die Arbeitgeber haben dann im Rahmen des Ausbildungspaktes angeboten, Einstiegsqualifikationen und neue Ausbildungsplätze, aber keine zusätzlichen. Und das schien uns einfach zu wenig und kein erfolgsversprechendes Konzept. Und deshalb sind wir auch als Gewerkschaften nicht dabei."

    Und so bleiben Politik und Wirtschaft unter sich und loben in regelmäßigen Abständen ihre Erfolge. Doch die Wirtschaft hat mit dem Pakt keine einklagbaren Garantien gegeben. Und so trifft sich seither in regelmäßigen Abständen der Lenkungsausschuss des Ausbildungspaktes – die Präsidenten der Arbeitgeberverbände, der Wirtschaftsminister und der Arbeitsminister. Bisher waren die Treffen meist von dem Streben nach Harmonie geprägt. Doch beim letzten Treffen im Juni wehte bereits ein Hauch Wahlkampf durch die Runde. Arbeitsminister Olaf Scholz, SPD, hatte sich zum Ziel gesetzt 600.000 Ausbildungsplätze von der Wirtschaft einzufordern. Mit weniger wollte er sich nicht zufriedengeben. Doch die deutsche Wirtschaft scheut die Festlegung auf ein solches Ziel. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans-Heinrich Driftmann, bekräftigte aber die Zusage der Wirtschaft, dass auch in diesem Jahr jeder Jugendliche, der könne und wolle, ein Angebot für eine Ausbildung bekomme. Die Situation am Lehrstellenmarkt sei schließlich in diesem Jahr durch zwei Herausforderungen gekennzeichnet. Zum einen raube die Wirtschaftskrise vielen Betrieben die Möglichkeit auszubilden, zum anderen gebe es einen Rückgang der Schülerzahlen, was langfristig zu einem Fachkräftemangel führe.

    "Genauso werden wir mit den Instrumenten des Ausbildungspaktes die Herausforderungen durch die aktuelle Wirtschaftskrise angehen. Der Ausbildungspakt lässt sich nicht in einer Zahl zusammenfassen. Er ist auch keine politische Schauveranstaltung. Bitte betrachten Sie das als dick unterstrichen, sondern er war bisher immer die gemeinsame Antwort aller Partner auf die jeweiligen Herausforderungen. Das muss und kann er auch in diesem Jahr leisten."

    Doch Meinungsverschiedenheiten gab es nicht nur zwischen der Politik und der Wirtschaft. Auch innerhalb der Bundesregierung war man sich nicht einig. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU, war mit der Festlegung seines Kabinettskollegen Scholz nicht einverstanden:

    "Ich halte vergleichsweise wenig davon, mit dem Verkünden von markigen Zahlen zu arbeiten, sondern die gemeinsame Zielsetzung so darzustellen, dass man wirklich jedem Ausbildungsfähigen und Ausbildungswilligen letztendlich auch zu einer Lehrstelle verhelfen. Und das ist eine Zielsetzung, die ich für verantwortbarer halte in einer Zeit, wo Zahlen zu Verunsicherungen führen können, wo Zahlen auch mal demotivierend wirken können, wo wir ein hohes Maß an Prognoseunsicherheit haben."

    Und so kam es, dass zum ersten Mal seit Bestehen des Ausbildungspaktes ein Treffen des Lenkungsausschusses ohne eine gemeinsame Abschlusserklärung zu Ende ging. Denn Arbeitsminister Olaf Scholz verweigerte die Unterschrift.

    "Wenn wir uns die Lage des nächsten Jahrzehnts angucken, dann sehen wir, dass wir vor große Probleme kommen werden. Wir werden einen Mangel an Fachkräften haben, wenn wir nicht genug ausbilden. Und diejenigen, die keine Berufsausbildung haben, werden Schwierigkeiten haben auf dem Arbeitsmarkt. Es kann uns also zugleich passieren, dass wir Arbeitslosigkeit haben in Größenordnungen und Fachkräftemangel. Die einzige Auflösung für dieses Problem ist eine große Ausbildungsleistung, die die Wirtschaft zustande bringt."

    Diese Klage über einen bevorstehenden Fachkräftemangel ist nicht neu. Doch in dieser Krise scheinen die Arbeitgeber aus vorangegangenen Abschwüngen gelernt zu haben. Die wachsende Zahl an Kurzarbeitern ist ein Indikator dafür, dass Betriebe ein Interesse daran haben, ihre qualifizierte Belegschaft auch in schlechten Zeiten zu halten – um dann, wenn die Wirtschaft wieder anzieht, sofort die Produktion steigern zu können. Zu präsent ist die Erinnerung an den vorherigen Aufschwung, in dem ein Fachkräftemangel in vielen Branchen das Wachstum abzuwürgen drohte. Viele Unternehmen dächten aber auch in der jetzigen Situation noch weiter nach vorne, sagt Thilo Pahl vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag.

    "Der Fachkräftemangel ist in den Personalentscheidungen und in den Ausbildungsentscheidungen der Unternehmen sehr doll spürbar. Wir haben eine starke Wirtschaftskrise, ein Rückgang von Minus sechs Prozent wird dieses Jahr prognostiziert. Angesichts dieser schlechten Prognose für die Wirtschaftsentwicklung ist der Rückgang bei den angebotenen Ausbildungsplätzen vergleichsweise moderat. Das heißt, bei den Unternehmen, wer ausbilden kann, der bildet auch in diesem Jahr aus. Wer halt Kurzarbeit hat, dessen Aufträge nur noch für einige Wochen reichen, bei dem ist schon eine gewisse zögernde Haltung zu spüren in diesem Jahr einen Ausbildungsplatz anzubieten, aber ganz generell stemmen sich die Unternehmen gerade bei der Ausbildung gegen die Krise und denken voraus und versuchen sich jetzt die Fachkräfte zu sichern, die sie brauchen, wenn die Wirtschaft wieder anzieht."

    Das deutsche Handwerk hat mit diesem Problem bereits zu kämpfen. Zu Beginn des Ausbildungsjahres sind im Handwerk noch 10.000 Stellen frei. Insgesamt geht aus einer Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerkes hervor, dass die Wirtschaftskrise einen nur geringen Einfluss auf die Gesamtzahl der Lehrstellen im Handwerk hat. Viele Betriebe stellen demnach wegen der vergleichsweise guten Handwerkskonjunktur zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung. Vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels wollen die Handwerksbetriebe verstärkt auf Zuwanderer setzen, sagt Otto Kenztler, Präsident des Deutschen Handwerks.

    "Der demografische Wandel hat uns alle längst erreicht, unsere Gesellschaft schrumpft, der Altersdurchschnitt steigt stetig. Vor diesem Hintergrund ist die Fachkräftesicherung ein drängendes Thema im Handwerk. Unsere Berufe sind arbeitsintensiv und wissensintensiv. Wir werden in Zukunft jeden einzelnen Schulabgänger brauchen, und wir brauchen ihn gut ausgebildet."

    Doch gerade diese Ausbildung fehle den jungen Migranten oft, wenn sie von der Schule in die Betriebe kämen. Kentzler beklagte die mangelhafte Bildung vieler Schulabgänger. Jeder fünfte habe erhebliche Schwächen im Lesen, Schreiben und Rechnen. Ausländische Jugendliche hätten doppelt so häufig wie deutsche keinen Schulabschluss. Das Handwerk fordert daher von der Politik, die Bildungsbedingungen zu verbessern, dabei müssten die Kinderbetreuung und die Sprachförderung ausgebaut werden, aber auch die individuelle Betreuung in der Schule.

    "Und dann bin ich auch sehr davon überzeugt, dass unsere Betriebe dann, wenn das immer noch nicht reicht, sich auch selber weiter helfen. Wir machen das in meinem Betrieb so, dass wir am Samstag die Meister zusammenkommen und den Auszubildenden das beibringen, was ihnen noch fehlt, und das kommt sehr gut an. Wir haben da auch eine Eigenverantwortung in den Betrieben, die wir auch so wahrnehmen. Das wird natürlich für einen Betrieb mit drei, vier Mann etwas schwieriger, für einen etwas größeren Betrieb etwas einfacher."

    Das ist auch ein Grund dafür, dass die duale Ausbildung in Deutschland als vorbildlich gilt. Sie ist einer der Gründe für die geringe Jugendarbeitslosigkeit hierzulande. Eine abgeschlossene Ausbildung ist zwar keine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Wer jedoch in Deutschland eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, dessen Chancen auf einen festen Arbeitsplatz steigen. Und wer viel Glück hat, wird sogar von seinem Ausbildungsbetrieb übernommen. Doch das System hat auch seine Schwächen, findet der Wissenschaftler Christian Brzinsky-Fay.

    "Das duale Ausbildungssystem stammt ja ursprünglich aus dem Handwerk und aus der Industrie, die das dann sehr stark übernommen hat. Aber es ist für den Dienstleistungssektor nur sehr begrenzt nutzbar. Wenn ich mir beispielsweise unternehmensnahe Dienstleistungen anschaue oder auch private Dienstleistungen, die sind halt einem sehr starken Wandel unterworfen, und da zeigt sich dieses Ausbildungssystem ein bisschen schwach. Das Ausbildungssystem in Deutschland das hat durchaus die Folge, dass wir eine relativ niedrige Jugendarbeitslosigkeit haben, die ist nur sehr geringfügig höher als die Gesamtarbeitslosigkeit. In anderen Ländern ist das wesentlich stärker, da ist sie zwei bis drei, manchmal viermal so hoch wie die normale Arbeitslosigkeit. Aber dieses Ausbildungssystem hat auch den Effekt, dass Leute, die erst mal gar nicht reinkommen, sprich: Schulabbrecher und Leute mit niedrigem Bildungsabschluss, dass die gar keine Chance haben in dieses System überhaupt integriert zu werden."

    Für den Gewerkschafter Rene Rudolph reichen aber auch die Instrumente des Ausbildungspaktes dafür bei Weitem nicht aus.

    "Wir finden, als Gewerkschaften und als DGB-Jugend, dass wir verbindlichere Lösungen finden müssen. Und wir können uns durchaus Branchenfonds vorstellen, es gibt es gibt ein gutes Modell in der Baubranche, wo alle Unternehmen in einer Branche in einen sogenannten Branchenfond einzahlen. Aus diesem Branchenfonds wird die Ausbildung in dieser Branche finanziert. Das können wir uns auch für andere Branchen vorstellen. Ich glaube, wir müssen dazu kommen, dass die Unternehmen, die sich an Ausbildung aktiv beteiligen, und Jugendlichen dadurch eine Perspektive geben aber auch natürlich Fachkräfte produzieren, dass die einen Vorteil haben gegenüber Unternehmen, die sich nicht an Ausbildung beteiligen. Das wäre eine Möglichkeit, sich an Branchenfonds zu orientieren, sodass alle gleichermaßen einzahlen und die, die ausbilden, ein Stück weit bevorteiligt sind. Das wäre eine Möglichkeit. Eine Möglichkeit wäre aber auch, sich ein wenig mehr an der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu orientieren. Also die Unternehmen, die aktiv ausbilden, werden auch bevorteiligt, wenn es um die Vergabe öffentlicher Aufträge geht, und das ist ja nicht ganz unerheblich, gerade wenn wir uns die Konjunkturpakete anschauen in einzelnen Branchen, die es ja jetzt gegeben hat."

    Ob diese Pläne der Gewerkschaften tatsächlich Aussicht auf Erfolg haben, wird von der nächsten Bundesregierung abhängen - und ob sie den Ausbildungspakt mit der Wirtschaft weiterführt.