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Bedrohliche Schlammflut

Biologie.- Nachdem der Hurrikane Katrina 2005 große Teile New Orleans' zerstörte und das Meer vor der Küste 2010 durch die Ölkatastrophe verschmutzt wurde, bringt nun der Mississippi die nächste Gefahr in die Stadt. Tagelang stieg der Pegel des Flusses. Und die schlammigen Fluten beherbergen gefährliche Bakterien.

Von Michael Lange |
    The Big Easy, der große Leichtsinn, wird die Stadt New Orleans gerne genannt. Überall Musik und gute Laune, während rund um die Stadt die schlammigen Fluten des Mississippi ihren Höchststand erreicht haben.

    Die Dämme halten und die Schaufelraddampfer fahren wie immer. Im Konferenzzentrum direkt am Fluss, in einer riesigen Halle, stellen junge Mikrobiologen mit Plakaten an Stellwänden ihre Forschungsergebnisse vor. Insgesamt über 2000 Projekte. Ein Plakat von Kimberly Griffitt von der Universität von Southern Mississippi beschäftigt sich mit bestimmten Bakterien an der Golfküste, nicht weit entfernt von der Mündung des Mississippi. Sie hat untersucht, wo dort Bakterien der Art Vibrio cholerae leben.

    Ganz sicher könnte ich die Vibrio cholerae Bakterien jetzt hier im Mississippi finden, erklärt Kimberly Griffitt. Sie sind dort heimisch und kommen das ganze Jahr im Flusswasser vor. Die Bakterien im Mississippi gehören zur selben Art, wie die bekannten Cholera-Erreger, aber zu einem anderen Stamm. Sie sind zwar nicht so gefährlich wie ihre Verwandten, können aber auch krank machen.

    Auch die Mikrobiologin Crystal Johnson von der Louisiana State University beschäftigt sich mit Bakterien der Gattung Vibrio. Als sie von der nahenden Flut erfuhr, machte sie sich sofort auf den Weg, um Wasserproben zu nehmen. So kann sie die Menge der Bakterien vor und nach der Flut vergleichen.

    Crystal Johnson kennt die Ergebnisse zwar noch nicht, vermutet aber, dass die Zahl der Vibrio-cholerae-Bakterien durch die Flut ansteigen wird.

    Die meisten Menschen mit einem gesunden Immunsystem brauchen sich keine Sorgen zu machen. Aber wer wegen bestimmter Krankheiten oder medizinischer Behandlungen immungeschwächt ist, sollte aufpassen. Auch wer barfuß durch das Wasser watet, muss mit Infektionen rechnen.

    Mit der Flut steigt insbesondere die Zahl der sogenannten Fäkalkeime dramatisch an. Zu ihnen zählen Enterococcus und Escherichia coli. Diese Bakterien können wie Vibrio cholerae Darminfektionen auslösen und vermehren sich umso stärker, je mehr organische Abfälle ins Wasser gelangen. Jay Grimes von der Universität von Southern Mississippi hat diese Keime untersucht.

    "Wenn es zu einer derartigen Flut kommt, dann wird das Land gewissermaßen gereinigt. Der Fluss spült Dünger und Chemikalien aus den Böden heraus - auch Tierfäkalien und mit ihnen typische Fäkalkeime."

    Mit dem Süßwasser gelangen die Bakterien in die Brackwasserzonen und in die Küstengewässer und können dort Tiere oder Menschen infizieren. Die zunächst größte Gefahr sieht Jay Grimes aber nicht in den Bakterien, sondern im Süßwasser selbst. Die gewaltigen Mengen bedrohen viele Lebewesen, die an Brackwasser- oder Salzwasser angepasst sind – wie die wirtschaftlich bedeutenden Austern.

    "Der Staat Mississippi hat in den letzten fünf, sechs Jahren hart gearbeitet, damit sich die Austern nach dem Hurrikane Katrina wieder erholen konnten. Inzwischen ist die Situation auf den Austernbänken wieder nahezu normal. Und jetzt kommt die Süßwasserflut und bringt sie alle um. Die Austern können ja nicht weg. Sie kleben fest auf dem Boden des Golfs."

    Wieder wird es Jahre dauern, bis sich die Lebewesen am Golf von Mexiko von diesem Ereignis erholt haben werden.