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Bedrohte Artenvielfalt
Streit um Spargelfelder unter Folie

Um Spargelpflanzen schneller ernten zu können, überzieht man die Felder häufig mit Plastikfolie. Diese wirkt wie ein Mini-Treibhaus. Umweltschützer kritisieren, dass die Folie die Böden versiegele. Sie befürchten, dass dies langfristig Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt haben könnte.

Von Axel Flemming | 02.10.2014
    Die Spuren auf einem Spargelfeld bilden in Brandenburg ein grafisches Muster.
    In Brandenburg sind in diesem Jahr weniger Zugvögel gesichtet worden. Umweltschützer führen dies auf die plastinierten Spargelfelder zurück. (dpa / picture alliance / Ole Spata)
    Werner Christ wohnt in einer Idylle, eigentlich. Aus dem Wohnzimmer seines alten Bauernhauses blickt er auf den Oberen Beetzsee und die Möveninsel Buhnenwerder. Graugänse und Nordische Gänse rasten dort auf ihrem Zug Richtung Süden. Von der Haustür aus sieht er das Storchennest des Dorfes, aber darin wächst Unkraut:
    "Wir haben das erste Mal seit Menschengedenken keinen Storch in unserem Dorf sowie weitere 21 Brutvögel, die aus einem Vogelschutzgebiet verschwunden sind."
    Christ ist sauer, so sauer, dass er die Bürgerinitiative "Landschaft ohne Folie" mitgegründet hat, denn die Plastikfolie, die im Frühjahr zum Teil kilometerlang über die Spargelbeete gezogen wird, ist aus seiner Sicht schuld daran, dass die Zahl der Tiere in seiner Umgebung abgenommen hat.
    "In jedem Jahr müssen wir erkennen, dass der Spargel immer früher verkauft werden soll, deswegen die Folie. Aber wenn sie so eine große Fläche wie hier haben, auf diesem kleinen Raum hat das Auswirkungen, die auch der Laie versteht: Unsere Freunde, die Imker, die sagen mir, aus Plastikfolie können die Bienen keinen Honig herstellen."
    Brandenburg ist Spargelland: In den letzten Jahren ist der Spargelanbau in Brandenburg massiv angestiegen. 17. 000 Tonnen Spargel konnten in diesem Jahr geerntet werden. Hauptanbaugebiet ist die Region um Beelitz, im Ortsteil Schlunkendorf gibt es sogar ein Spargelmuseum.
    Manfred Schmidt, Vorsitzender vom Verein Beelitzer Spargel:
    "Saisonstart hatten wir Anfang der 90er-Jahre in der ersten Maiwoche, jetzt haben wir es fast in der ersten Aprilwoche. Folie heißt auch extreme Verfrühung."
    Denn die Folie wirkt bei Spargel wie ein Mini-Treibhaus und sorgt dafür, dass er schneller wächst. Dadurch kann die Saison des begehrten Stangengemüses verlängert werden. Das Argument, die Folie versiegele die Landschaft, will Manfred Schmidt nicht gelten lassen:
    "Ab Juli sind die Spargelfelder grün. Dann tummeln sich die Hasen, die kleinen Rehe drin, oder die Rebhühner. Und wenn der Sommer richtig trocken wird: Die Wiesen sind braun, die Spargelfelder grün."
    Nach dem ersten Frost wird das Kraut dann braun, abgemäht, bleibt aber auf den Feldern liegen und düngt den Boden. Aus Sicht des Brandenburger Umweltministeriums besteht kein Anlass zur Sorge. Bislang seien keine großen Beeinträchtigungen für Flora und Fauna durch Folien-Spargel festgestellt worden, heißt es auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag. Auch größere negative Folgen für Brutvögel seien bislang nicht belegt.
    Allerdings heißt es in der Drucksache 5/6027 aus dem Jahr 2012 noch wörtlich: 'Großflächiger Spargelanbau unter Folie hat negative Auswirkungen auf die Tierwelt, da die direkt unter Folie verpackten Flächen praktisch keine Lebensraumfunktion haben.'
    Werner Christ verweist außerdem auf ein Gutachten, das das Landesumweltamt, dem Umweltministerium unterstellt, in Auftrag gegeben hat: 'Zur Erfassung der Brutvögel auf Anbauflächen mit Folienspargel'. Darin ist von Habitatzerstörung, Niedergang der Artenvielfalt auf Äckern und Verlusten an Biodiversität die Rede.
    "Dieses Gutachten in seinem Fazit sagt ganz klar, diese großflächige unter-Folie-Legung ist die Ursache für bestimmte Sachen, die hier eigentlich passieren, dass ein Zusammenhang zwischen großflächiger Plastinierung des Ackerbodens und Rückgang von Tieren, hier Brutvögeln erwiesen ist."
    Als Spargelgegner will sich der Mann mit dem charakteristischen weißen Schnauz- und Backenbart aber nicht bezeichnen lassen. Dazu isst er ihn zu gern:
    "Natürlich. Aber mein Spargel kommt aus Briest, von einem unserer Mitglieder, der das sehr wohl versteht, ohne Folie auszukommen. Und ich kann Ihnen sagen, was Schöneres, was Besseres gibt es nicht!"