Welch kuriose Idee: Da wünscht man sich in Bonn ein Beethoven-Ballett, findet ausgerechnet eine hierzulande gänzlich unbekannte Kompanie aus Kanada. Man beschließt, einen Fidelio zu machen, tauscht dann nur eben die Opernmusik gegen zwei Beethoven-Sinfonien aus, verwandelt schließlich den männlichen Bösewicht Pizarro in eine Dona Pizarro, um so die erhabene Freiheitskampf-Geschichte mit einer Prise mehr Erotik zu würzen. Und Fidel-fertig ist der Tanz-Fidelio. So skurril das Konzept, so schrullig dann auch die Choreografie.
Beethoven rockt, zu Beethoven geht nach Choreograf Igor Dobrovolskiy offenbar alles: Die Hände winken wie beim Boogie-Woogie, Hüften kurbeln wie beim Salsa. Soldatenbeine, sportiv geführte Arme. Und trotz allem bleibt natürlich immer das klassische Ballett die Basis. Vor zehn Jahren gründete der Russe Igor Dobrovolskiy sein Atlantic Ballet Theatre of Canada. Der Name sollte Programm sein: Ballett und Theater wollte er verbinden. Moderne Varianten des Handlungsballetts schaffen, meist zu Stoffen der Weltliteratur: So präsentierte das ABTC schon einen Don Juan, einen Merlin, den ersten Ballett-King-Lear. Und nun eben Beethovens Fidelio.
Party in einer Militärdiktatur: Wie eine kleine Armee marschieren die neun Tänzer zu Beginn auf, stramm und steif, während eine bebrillte Domina in Uniform am Rande lasziv den Körper räkelt, den Kopf gierig nach vorne streckt. Sie ist Dona Pizarro, Gouverneurin des Staatsgefängnisses und sie will den Edelsten unter den braven Ballerinos, Florestan. Der will nicht, er hat ja schon: die langgliedrige Schönheit Leonore. Also bekommt er einen Käfig auf den Kopf gesetzt, seine Geliebte steckt sich das Haar zum kleinen Dutt, gilt somit als Kerl und muss fortan die langen Arme und Beine vorwiegend als Abstandshalter einsetzen gegen die wollüstigen Nachstellungen der Gefängniswärtertochter Marzelline. "Fidelio" als Märchen der verirrten Herzen. Die Choreografie ist kleinteilig-wuselig, auch redundant, das macht aber in dieser ersten Hälfte noch nichts, denn dank engagierter junger Tänzer gelingt der Sturm-und-Drang der Leiber. Und Beethoven, sonst nicht gerade ein Liebling der Choreografen, erweist sich in Dobrovolskiys Zugriff zunächst als erstaunlich tanzbar.
Das Beethoven Orchester Bonn unter Leitung von Robin Engelen interpretiert die Sinfonien wunderbar theatralisch wie die Launen eines Pubertierenden: extrem in Tragik und Glück und so frisch als wäre es das erste Mal. Die Musik bleibt ein Genuss, aber Choreograf Dobrovolskiy entwickelt offenbar den Ehrgeiz, seiner Lovestory Tiefgang zu geben. Lange verweilt er beim Ballett der Gefangenen, lässt Männer und Frauen mit Käfigen auf dem Kopf sich immer wieder um die eigene Achse drehen, die Beine langsam heben und wie Fallbeile herunterkrachen. Tanz als Kraftakt.
Die Kostüme zitieren mit blau-weiß-gestreiften Leibchen und Nummern am Ärmel reichlich geschmacklos die KZ-Kluft, und vom Tanz der Marter und Leiden bleibt auf Dauer nur Pathos. Die Ansicht, dass mittlerweile gerade bei ernsten Themen subtilere Gefühls-Demonstrationen als im Handlungsballett des 19. Jahrhunderts angesagt sein sollten, teilt Dobrovolskiy offenbar nicht. Die Naivität seiner Inszenierung wirkt fast schon wieder anarchisch. Am Ende wird der Sieg der Humanität über den Schrecken der Tyrannei mit dem Wumms einer Konfetti-Kanone besiegelt. Karneval als Chiffre des Widerstands, als letzte Utopie - so gesehen ist der russisch-kanadische Ballett-Beethoven dann doch ein rheinischer, ein Bonner "Fidelio".
Beethoven rockt, zu Beethoven geht nach Choreograf Igor Dobrovolskiy offenbar alles: Die Hände winken wie beim Boogie-Woogie, Hüften kurbeln wie beim Salsa. Soldatenbeine, sportiv geführte Arme. Und trotz allem bleibt natürlich immer das klassische Ballett die Basis. Vor zehn Jahren gründete der Russe Igor Dobrovolskiy sein Atlantic Ballet Theatre of Canada. Der Name sollte Programm sein: Ballett und Theater wollte er verbinden. Moderne Varianten des Handlungsballetts schaffen, meist zu Stoffen der Weltliteratur: So präsentierte das ABTC schon einen Don Juan, einen Merlin, den ersten Ballett-King-Lear. Und nun eben Beethovens Fidelio.
Party in einer Militärdiktatur: Wie eine kleine Armee marschieren die neun Tänzer zu Beginn auf, stramm und steif, während eine bebrillte Domina in Uniform am Rande lasziv den Körper räkelt, den Kopf gierig nach vorne streckt. Sie ist Dona Pizarro, Gouverneurin des Staatsgefängnisses und sie will den Edelsten unter den braven Ballerinos, Florestan. Der will nicht, er hat ja schon: die langgliedrige Schönheit Leonore. Also bekommt er einen Käfig auf den Kopf gesetzt, seine Geliebte steckt sich das Haar zum kleinen Dutt, gilt somit als Kerl und muss fortan die langen Arme und Beine vorwiegend als Abstandshalter einsetzen gegen die wollüstigen Nachstellungen der Gefängniswärtertochter Marzelline. "Fidelio" als Märchen der verirrten Herzen. Die Choreografie ist kleinteilig-wuselig, auch redundant, das macht aber in dieser ersten Hälfte noch nichts, denn dank engagierter junger Tänzer gelingt der Sturm-und-Drang der Leiber. Und Beethoven, sonst nicht gerade ein Liebling der Choreografen, erweist sich in Dobrovolskiys Zugriff zunächst als erstaunlich tanzbar.
Das Beethoven Orchester Bonn unter Leitung von Robin Engelen interpretiert die Sinfonien wunderbar theatralisch wie die Launen eines Pubertierenden: extrem in Tragik und Glück und so frisch als wäre es das erste Mal. Die Musik bleibt ein Genuss, aber Choreograf Dobrovolskiy entwickelt offenbar den Ehrgeiz, seiner Lovestory Tiefgang zu geben. Lange verweilt er beim Ballett der Gefangenen, lässt Männer und Frauen mit Käfigen auf dem Kopf sich immer wieder um die eigene Achse drehen, die Beine langsam heben und wie Fallbeile herunterkrachen. Tanz als Kraftakt.
Die Kostüme zitieren mit blau-weiß-gestreiften Leibchen und Nummern am Ärmel reichlich geschmacklos die KZ-Kluft, und vom Tanz der Marter und Leiden bleibt auf Dauer nur Pathos. Die Ansicht, dass mittlerweile gerade bei ernsten Themen subtilere Gefühls-Demonstrationen als im Handlungsballett des 19. Jahrhunderts angesagt sein sollten, teilt Dobrovolskiy offenbar nicht. Die Naivität seiner Inszenierung wirkt fast schon wieder anarchisch. Am Ende wird der Sieg der Humanität über den Schrecken der Tyrannei mit dem Wumms einer Konfetti-Kanone besiegelt. Karneval als Chiffre des Widerstands, als letzte Utopie - so gesehen ist der russisch-kanadische Ballett-Beethoven dann doch ein rheinischer, ein Bonner "Fidelio".