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Beethoven und Resch
Attacca!

Direkt weiter, keine Pause zwischen den Sätzen - Beethoven war ein Fan davon. Auch in einem seiner Rasumowsky-Quartette. Von diesem stürmischen Geist ließ sich auch der österreichische Komponist Gerald Resch für sein Stück "Attacca" inspirieren. Beide Kompositionen hat das junge Aris Quartett jetzt auf CD eingespielt - stürmisch und kultiviert zugleich.

Am Mikrofon: Klaus Gehrke |
    Zwei Frauen und zwei Männer stehen mit ihren Streichinstrumenten auf einer Brücke in einem Speicherhafen.
    Die Musiker des Aris Quartetts bauen eine Brücke zwischen Alt und Neu. (Sophie Wolter)
    2017 nahm das junge Aris Quartett erstmals ein Werk von Ludwig van Beethoven auf CD auf – und zwar das dritte der so genannten "Rasumowsky-Quartette" op. 59. Für ihre neueste Einspielung, die vor Kurzem beim Label Genuin erschienen ist, kamen die vier Musikerinnen und Musiker erneut auf Beethoven zurück; diesmal kombinierten sie dessen erstes "Rasumowsky-Quartett" mit dem Streichquartett Nr. 3 "Attacca" des österreichischen Komponisten Gerald Resch, das der CD auch ihren Namen gab.
    Musik: Beethoven - Quartett op. 59,1, 3. Satz, Schluss
    Ein nahtloser Übergang von einem Satz eines Musikstücks zum nächsten wird im Fachjargon als "attacca" bezeichnet. So etwas war um 1800 zwar nicht ganz neu, kam aber meist nur bei zweiteiligen Ouvertüren vor. Die Sätze einer Sinfonie, eines Streichquartetts oder auch einer Klaviersonate dagegen blieben eher fein säuberlich voneinander getrennt.

    Von Beethoven inspiriert

    Hier war Beethoven einer der ersten Komponisten der Wiener Klassik, der "attacca"-Übergänge immer wieder in seinen Werken einbaute: etwa in der Sonate op. 27,1, dem fünften Klavierkonzert, der fünften Sinfonie – oder, wie eben gehört, im Übergang zum Finale des ersten "Rasumowsky"-Quartetts. Dieser Übergang war eine der Inspirationsquellen für das dritte Streichquartett von Gerald Resch. Andere sind ganz konkrete Motive aus Beethovens Werk, beispielsweise das Hauptthema aus dem Scherzo:
    Musik: Beethoven - Quartett op. 59, 1, 2. Satz, Beginn
    Und so verarbeitet Resch das Thema im zweiten Satz seines "Attacca"-Streichquartetts:
    Musik: Resch - Quartett Nr. 3, 2. Satz,
    Gerald Resch, 1976 in Linz an der Donau geboren, studierte in Wien und Graz und gehört zu den renommiertesten österreichischen Komponisten seiner Generation. Mehrere Werke aus seinem umfangreichen Oeuvre wurden mit Preisen ausgezeichnet. Zugleich unterrichtet Resch an der Bruckner-Universität in Linz und ist musikpublizistisch tätig. Die Werknotizen im Booklet der neuen CD des Aris Quartetts stammen auch von ihm. Dort erläutert er seine Beweggründe für die Komposition des dritten Streichquartetts und welches Ensemble ihm dabei vorschwebte:
    "Zum einen ging es mir darum, etwas zu machen, mit dem sich die zukünftigen Benutzer wohlfühlen und identifizieren können, zum anderen wollte ich eine spannungsreich-harmonische Konstellation zur Umgebung schaffen. Als Interpreten meines Werks hatte ich die Musikerinnen und Musiker des Aris Quartetts im Sinn, und die Umgebung, in der mein Werk in zukünftiger Konzertsituation (be-)stehen sollte, war das Streichquartett op. 59,1 von Beethoven."
    Daneben sprach Resch auch mit den Mitgliedern des Aris Quartetts über deren persönliche Erfahrungen, Vorlieben und Abneigungen, die er ebenfalls in der Komposition berücksichtigte. Herausgekommen ist ein gut 20-minütiges, spieltechnisch überaus reizvolles und abwechslungsreiches Werk, das in seiner äußerlich viersätzigen Form fast klassisch wirkt.

    Leicht groovige Sounds

    Allerdings gehen die einzelnen Sätze dem Namen des Quartetts entsprechend attacca ineinander über. Klassisch wirkt im eröffnenden Satz auch die Vorstellung des markanten ersten Unisonothemas, dem sich nach einer eher lyrischen Überleitung ein rhythmisch geprägtes zweites Thema anschließt.
    Musik: Resch - Quartett Nr. 3, 1. Satz
    Für den Schlusssatz seines Quartetts suchte Resch nach einer Analogie zu zum Finale von Beethovens erstem Rasumowsky-Quartett, in dessen Zentrum ein russisches Volkslied steht. Schließlich wählte er eine stark synkopierte Basslinie, die dem Stück einen leicht groovigen Sound verleiht. Als krassen Gegensatz dazu gestaltete Resch den langsamen Mittelteil mit ironisch grotesken Glissandi, die an "singende Sägen" erinnern.
    Musik: Resch - Quartett Nr. 3, 4. Satz
    2019 vollendete Gerald Resch sein "attacca"-Quartett; jetzt liegt es erstmals auf CD vor. Und das Aris Quartett spielt es mit genauso viel Liebe zum Detail, Witz sowie Tief- und Hintersinnigkeit wie das erste von Beethovens drei Rasumowsky-Quartetten op. 59. Die entstanden 1806 in Wien für den russischen Diplomaten Andrei Rasumowsky und stellen aufgrund ihrer ungewöhnlichen Komplexität und Dichte einen Wendepunkt im Streichquartettschaffen des Komponisten dar.

    Schwungvoll und federnd leicht

    Beethoven wollte mit ihnen ein bürgerliches Publikum erreichen und dachte bei den Ausführenden eher an Berufsmusiker als an Laien. Gerade von den Rasumowsky-Quartetten gibt es zahllose Einspielungen. Die jetzt vom Aris Quartett vorgelegte Aufnahme des ersten Quartetts besticht durch große Energie, Vitalität und Spielfreude, die einen vom ersten Takt an nicht mehr loslässt. Beispielsweise gestalten die Musikerinnen und Musiker den ersten Satz schwungvoll und federnd leicht, behalten aber gleichzeitig auch die kantablen Melodiebögen im Auge, die fein ziseliert herausgearbeitet werden.
    Musik: Beethoven - Quartett op. 59,1, 1. Satz, Beginn
    Das war der Beginn des ersten Satzes aus dem Streichquartett op. 59,1 von Ludwig van Beethoven mit dem Aris Quartett. Ein besonderer Höhepunkt in dem Werk und auch in dieser neuen Einspielung ist der langsame dritte Satz, der Beethovens Angaben zufolge seine Gefühle anlässlich der Hochzeit seines Bruders Carl mit Johanna Reiss widerspiegelt.

    Vitalität, Esprit und bestechende Spielfreude

    Er konnte die Schwägerin nicht ausstehen und stritt sich nach dem Tod des Bruders jahrelang mit ihr um das Sorgerecht für den Sohn. Den düster tragischen und tief melancholischen Satz in f-Moll bezeichnete Beethoven einmal als "Trauerweiden- oder Akazienbaum" auf dem Grab des Verstorbenen. Seine schwermütigen traurigen Kantilenen zeichnet das Aris Quartett ganz unpathetisch mit sensiblen feinen Linien nach und macht damit die Erschütterung des Komponisten deutlich.
    Musik: Beethoven - Quartett op. 59,1, 3. Satz, Beginn
    Solche innig berührenden Momente, wie im Adagio von Beethovens Quartett, zeichnen das neue "Attacca"-Album des Aris Quartetts ebenso aus wie Vitalität, Esprit und eine bestechende Spielfreude. Die Kombination mit dem Quartett von Gerald Resch eröffnet interessante Sichtweisen und Bezugspunkte. Damit macht die gelungene Einspielung Lust auf mehr; und man darf gespannt sein, welches Werk das Aris Quartett neben Beethovens noch ausstehendem zweiten Rasumowsky-Quartett aufnehmen wird.
    Musik: Beethoven - Quartett op. 59,1, 4. Satz, Schluss
    Das war ein Ausschnitt aus dem Finale des Streichquartetts op. 59,1, dem ersten "Rasumowsky-Quartett", von Ludwig van Beethoven. Es spielte das Aris Quartett. Deren neue CD "Attacca", die auch die Ersteinspielung des gleichnamigen dritten Streichquartetts von Gerald Resch beinhaltet, ist beim Label Genuin erschienen. Das Manuskript dieser Sendung finden Sie im Internet unter deutschlandfunk.de. Dort können Sie die "Neue Platte" auch hören sowie in der dlf-Audiothek-App. Am Mikrofon war Klaus Gehrke.
    "Attacca"
    Streichquartette von Resch und Beethoven
    Aris Quartett
    Label Genuin
    Bestellnummer: GEN 21736