Nicht sie selbst sei ein monstre sacré, ein heiliges Monster, sagt Sylvie Guillem im Gespräch am Tag nach der Premiere. Noch nie habe sie sich mit dem Begriff in Verbindung gebracht, der einst für die legendäre Sarah Bernhardt geprägt wurde.
Den Titel ihres neuen Stücks mit Akram Khan, "Sacred Monsters", legt sie ganz anders aus. Für sie ist die Bühne das Heilige Monster: Du weißt nie, was es mit dir tut, wenn die Vorstellung beginnt, wohin es dich dieses Mal trägt.
Sylvie Guillem ist die überragende klassische Tänzerin der Gegenwart und die ungewöhnlichste aller Ballerinen. Nichts an den überlieferten Interpretationen klassischer Ballette findet sie selbstverständlich, das hat ihr den Spitznamen Miss No eingetragen. Jede Vorstellung mit ihr aber ist ein Ereignis, erfüllt mit einer fast ungestümen schauspielerischen Leidenschaft und einen technischen Glanz ausstrahlend, der jenseits des Erwartbaren liegt.
Nun also ergreift das Monster Bühne von ihr Besitz, während sie die denkbar schönsten, originellsten Pas de deux mit dem jungen Choreographen Akram Khan tanzt. Khan, der in London geborene Sohn einer aus Bangladesch eingewanderten Familie, begann den traditionellen indischen Kathak, zu dem das Geschichtenerzählen gehört, im Alter von sieben Jahren zu studieren. Als junger Mann, erzählt er in "Sacred Monsters", seien ihm ernste Zweifel gekommen, wie er denn den langhaarigen, lockigen Krishna auf der Bühne verkörpern könne, wo er doch schon langsam kahl auf dem Kopf wurde. So begann er, mit dem Kathak moderne Choreographien zu schaffen. Mittlerweile ist er berühmt für seine hinreißenden Tanzstücke zu live gespielter, ebenfalls zwischen musikalischer Vergangenheit und Gegenwart pendelnder Musik. Auch "Sacred Monsters" begleiten auf der Bühne sitzende Sänger und Instrumentalisten, unter ihnen am Cello der Komponist Phillip Sheppard
Zum Leitmotiv ihres gemeinsamen Auftritts haben Khan und Guillem die Beziehung zu ihren jeweiligen Tanztraditionen erkoren. Was bedeutet es, von Kindestänzerbeinen an in jahrhundertealte überlieferte Formen hineinzuwachsen? Guillem spielt das beiläufiger als Khan. Anmutig und mit liebevoller Ironie umarmt sie ihren Choreographen und versichert ihm, er sei in ihren Augen ein schöner, kahlköpfiger Krishna. Dann spricht wieder der Tanz – beide halten sich etwa an den Händen und bewegen sich, während ihre Arme in einer einzigen Wellenbewegung untrennbar verbunden zu sein scheinen, wie ein Wesen durch den Raum. Ob Khan wisse, fragt Guillem am Ende von "Sacred Monsters", was das französische Wort émerveillé bedeute? Das sei ihr Lieblingszustand, Verwunderung und Freude, denn eines hoffe sie nie zu werden: blasé, blasiert.
Also die Guillem will kein heiliges Monster sein, gleichwohl sie es für Akram Khan ein bisschen spielt vor allem in dem Solo, das Lin Hwai-Minh für dieses Stück geschaffen hat. Aber wir wissen jetzt, dass sie auch ein Ereignis ist, wenn sie auf der Bühne singt oder Witze erzählt.
Eine Nacht später geht für die Tanzwelt in London ein weiterer Traum in Erfüllung. Im Roundhouse, einem früheren Straßenbahndepot, tanzt die Merce Cunningham Dance Company noch einmal "Ocean", zwölf Jahre nach der spektakulären Uraufführung des Stücks im Cirque Royal in Brüssel. Dass das Stück nach einer Idee von John Cage überhaupt verwirklicht werden konnte, grenzte schon damals an ein Theaterwunder. Denn nicht nur müssen die vierzehn Tänzer eine kreisrunde Bühne zur Verfügung haben, um die herum das Publikum wie im Zirkus sitzt. Die Musik Andrew Culvers nach den Ideen von Cage entwickelt, braucht mindestens 112, besser aber 150 Musiker.
Das Ergebnis wirkt heute so sensationell wie damals. Als hätte Einstein Cunningham beim Choreographieren über die Schulter geschaut, sieht das Stück aus. Sie sollten sich vorstellen, sie führen auf einem Karussell mit, hat Cunningham seinen Tänzern erklärt. David Tudors elektronische Ergänzung der Musik, sein "Ocean Diary", Ozeantagebuch, lässt Unterwassergeräusche von Tieren und Schiffen erklingen und versetzt Cunninghams Karussell dadurch tausende von Metern tief auf den Meeresboden. Es wird als eines der kühnsten und schönsten Fahrunternehmen, wie man auf dem Jahrmarkt sagt, in die Theatergeschichte eingehen.
Den Titel ihres neuen Stücks mit Akram Khan, "Sacred Monsters", legt sie ganz anders aus. Für sie ist die Bühne das Heilige Monster: Du weißt nie, was es mit dir tut, wenn die Vorstellung beginnt, wohin es dich dieses Mal trägt.
Sylvie Guillem ist die überragende klassische Tänzerin der Gegenwart und die ungewöhnlichste aller Ballerinen. Nichts an den überlieferten Interpretationen klassischer Ballette findet sie selbstverständlich, das hat ihr den Spitznamen Miss No eingetragen. Jede Vorstellung mit ihr aber ist ein Ereignis, erfüllt mit einer fast ungestümen schauspielerischen Leidenschaft und einen technischen Glanz ausstrahlend, der jenseits des Erwartbaren liegt.
Nun also ergreift das Monster Bühne von ihr Besitz, während sie die denkbar schönsten, originellsten Pas de deux mit dem jungen Choreographen Akram Khan tanzt. Khan, der in London geborene Sohn einer aus Bangladesch eingewanderten Familie, begann den traditionellen indischen Kathak, zu dem das Geschichtenerzählen gehört, im Alter von sieben Jahren zu studieren. Als junger Mann, erzählt er in "Sacred Monsters", seien ihm ernste Zweifel gekommen, wie er denn den langhaarigen, lockigen Krishna auf der Bühne verkörpern könne, wo er doch schon langsam kahl auf dem Kopf wurde. So begann er, mit dem Kathak moderne Choreographien zu schaffen. Mittlerweile ist er berühmt für seine hinreißenden Tanzstücke zu live gespielter, ebenfalls zwischen musikalischer Vergangenheit und Gegenwart pendelnder Musik. Auch "Sacred Monsters" begleiten auf der Bühne sitzende Sänger und Instrumentalisten, unter ihnen am Cello der Komponist Phillip Sheppard
Zum Leitmotiv ihres gemeinsamen Auftritts haben Khan und Guillem die Beziehung zu ihren jeweiligen Tanztraditionen erkoren. Was bedeutet es, von Kindestänzerbeinen an in jahrhundertealte überlieferte Formen hineinzuwachsen? Guillem spielt das beiläufiger als Khan. Anmutig und mit liebevoller Ironie umarmt sie ihren Choreographen und versichert ihm, er sei in ihren Augen ein schöner, kahlköpfiger Krishna. Dann spricht wieder der Tanz – beide halten sich etwa an den Händen und bewegen sich, während ihre Arme in einer einzigen Wellenbewegung untrennbar verbunden zu sein scheinen, wie ein Wesen durch den Raum. Ob Khan wisse, fragt Guillem am Ende von "Sacred Monsters", was das französische Wort émerveillé bedeute? Das sei ihr Lieblingszustand, Verwunderung und Freude, denn eines hoffe sie nie zu werden: blasé, blasiert.
Also die Guillem will kein heiliges Monster sein, gleichwohl sie es für Akram Khan ein bisschen spielt vor allem in dem Solo, das Lin Hwai-Minh für dieses Stück geschaffen hat. Aber wir wissen jetzt, dass sie auch ein Ereignis ist, wenn sie auf der Bühne singt oder Witze erzählt.
Eine Nacht später geht für die Tanzwelt in London ein weiterer Traum in Erfüllung. Im Roundhouse, einem früheren Straßenbahndepot, tanzt die Merce Cunningham Dance Company noch einmal "Ocean", zwölf Jahre nach der spektakulären Uraufführung des Stücks im Cirque Royal in Brüssel. Dass das Stück nach einer Idee von John Cage überhaupt verwirklicht werden konnte, grenzte schon damals an ein Theaterwunder. Denn nicht nur müssen die vierzehn Tänzer eine kreisrunde Bühne zur Verfügung haben, um die herum das Publikum wie im Zirkus sitzt. Die Musik Andrew Culvers nach den Ideen von Cage entwickelt, braucht mindestens 112, besser aber 150 Musiker.
Das Ergebnis wirkt heute so sensationell wie damals. Als hätte Einstein Cunningham beim Choreographieren über die Schulter geschaut, sieht das Stück aus. Sie sollten sich vorstellen, sie führen auf einem Karussell mit, hat Cunningham seinen Tänzern erklärt. David Tudors elektronische Ergänzung der Musik, sein "Ocean Diary", Ozeantagebuch, lässt Unterwassergeräusche von Tieren und Schiffen erklingen und versetzt Cunninghams Karussell dadurch tausende von Metern tief auf den Meeresboden. Es wird als eines der kühnsten und schönsten Fahrunternehmen, wie man auf dem Jahrmarkt sagt, in die Theatergeschichte eingehen.