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Begegnungen am Panoramaweg

Auf über 150 Kilometern zwischen Bad Windsheim und Bamberg verbindet der neueingerichtete "Steigerwald-Panoramaweg" Aussichtspunkte und immer neue Fernsichten mit dichten Wäldern, artenreichen Blumenwiesen und weitflächigen Weinhängen - und durchquert malerische Orte wie Castell, Abtswind oder Michelau.

Von Steffi Mehlhorn und Joachim Dresdner |
    Wer ihn in einer Tour ablaufen will, braucht Siebenmeilenstiefel, oder die Pantoffeln vom kleinen Muck aus dem Märchen von Wilhelm Hauff.

    Weil diese Gehhilfen nicht leicht zu beschaffen sind und der Weg über 150 Kilometer lang ist, wurde er in Etappen eingeteilt und gekennzeichnet, wurden

    Markiererinnen und Markierer ausgeschickt. Wie Rotkäppchen hatten sie einen Korb dabei, statt mit Kuchen und Wein, mit Pinsel, Farbe, Spachtel, und Sprühdose gefüllt, mit allem was im Walde gebraucht wird.

    Seit die Arbeit erledigt ist, gibt es den deutschlandweit 46. "Qualitätsweg Wanderbares Deutschland".

    Zwischen Bad Windsheim und Bamberg verläuft die Strecke, entlang fränkischer Orte wie Weigenheim, Ippesheim, Hüttenheim, Iphofen, Castell und Michelau, Orte, die vielleicht nicht jedem bekannt sind, dafür aber den Wanderer mit reizvollen Ausblicken und einem Schoppen guten Weines belohnen.

    In Michelau am Zabelstein, zum Beispiel, einem engen Fachwerkstädtchen mit einer gelben Rokokokirche, von Balthasar Neumann 1741 fertig gestellt. Allein hier wohnen 70 Weinbergbesitzer:

    "Wir haben hier 'ne Struktur, die jetzt traditionell net auf Tourismus aufbaut, sondern eben auf Landwirtschaft, Weinbau, Forstwirtschaft. Da findet jetzt 'n Wandel statt und der muss so vonstatten gehen, dass die Leute mitkommen, das ist ja anders als in Bamberg oder in Würzburg, wo entsprechende Gastronomie, Übernachtungsmöglichkeiten da sind ... .Tourismus allein kann's net sein."

    Siegfried Ständecke, der Bürgermeister von Michelau, kennt sich in den Belangen seiner Gemeinde gut aus. Von der Anhöhe hinter dem Dörfchen kann Ständecke in fast jeden Hof hineinschauen. Von diesem Hügel, auf den er uns geführt hat, überblickt er alles:

    "Ne herrliche Landschaft, Sie sehen da unten das Volkachtal und da hinten die Hänge ist dann Gaibach, die Konstitutionssäulen, ist ja ganz bekannt, ist die bayerische Verfassung als Denkmal sozusagen verewigt. Der Main fließt in ungefähr 15 Kilometer Entfernung, noch vor den Hängen, die sie dort sehen, durch das weite Tal. Man schaut also auch auf die Balthasar-Neumann-Kirche, auf 's Rathaus, auf das ganze Ensemble da unten, mit Fachwerkhäusern, man sieht die Landstraßen, die Landwirte wie sie auf dem Feld unterwegs sind."

    Begeistert schildert Siegfried Ständecke seine Wanderungen durch die Naturlandschaften im Steigerwald, die weiten Aussichten vom Zabelstein, den dichten Laubwald, die Täler mit den schönen Auen und den Tieren. Als Zugezogener, der seit dreißig Jahren hier wohnt, hat er selbstverständlich den Steigerwald erwandert.

    "Wir steh'n jetzt hier am Rand zum Maintal - Sie seh'n ja die Landschaft: ganz sanfte Hügel. Es ist ein ganz schmaler Streifen wo sie wirklich beides genießen können, also Naturintensiv, die große Abwechslung hier bei uns schon auf kurzer Strecke, also sie müssen net 50 Kilometer wandern, um zwei verschiedene Landschaften kennenzulernen, das haben sie alles hier bei uns auf'n paar hundert Metern."

    Diese Wege zwischen Zabelstein, Vollburg und Stollburg hatten es dem Bürgermeister angetan und so kam er auf den Gedanken, sie auch für andere Wanderer zu erschließen. Ein Projekt wurde ausgearbeitet, um auch EU-Fördermittel in die Region zu bringen:

    "Also, wie es entschieden war, dass es durchgeführt wird, mussten wir jemanden finden, der das in die Hand nimmt und da hat sich der Naturpark Steigerwald erklärt und hat dann auch Leute vom Steigerwaldclub, die ehrenamtlich sich erklärt haben, sich ausbilden zu lassen, da sind wir sehr dankbar. Das ist eine immense Arbeit gewesen, ich hab es ein paar Mal selber mitverfolgt und bin mit den Leuten die Strecken abgegangen und das hundertfünfzig Kilometer lang, das war schon eine ganz gewaltige Leistung, die da diese Wanderführer vollbracht haben, alle Achtung!"

    Ständecke nennt uns Waltraut Steinmetz. Die Gerolzhoferin war in den vergangenen Wintermonaten bei bis zu zehn Grad minus im Steigerwald unterwegs. Sie kennt jeden Meter des mittleren Abschnitts vom Panoramaweg, hat seinen Verlauf bestimmt, ihn auf Karten wie an Wegezeichen markiert. Wir trafen sie nicht weit von Michelau, im Weindörfchen Castell bei wärmeren Temperaturen. Im Gasthaus "Zum Schwan" berichtet sie von den Anfängen…

    " ... dann haben wir uns zusammengesetzt im Steigerwaldclub und haben erst einmal grobe Skizze, es sollte auf jeden Fall von Bamberg bis Bad Windsheim, das wurde uns vorgegeben. Und dann sind drei, vier Leute von uns das mal abgegangen, es wurde eingeteilt in Vier-Kilometer-Abschnitte jeder Markierer von uns hat 20 Kilometer erst einmal bekommen und danach haben wir geprüft ist das machbar, kann ich da laufen, hab ich zu viel Asphalt, hab ich zu viel befahrene Straße oder habe ich Schotterwege, ist das überhaupt möglich."

    Trotz mancher Probleme: Spaß habe es ihr schon gemacht:

    "Man sieht immer wieder was Neues, was man selber noch gar nicht kennt. Also, im Bereich Bamberg, war vieles für mich neu, wir mussten ja erst einmal den Weg selber suchen, hab' einen wunderschönen Weg gefunden, grad' oben im Norden bei Bamberg, beim nächsten Mal komm' ich hin, bei der Markierung, da hatten sie mir in den schönen Naturweg lauter Bauschutt reingeworfen. ... sind viel Privatwälder und die wollen das gar nicht, die haben's auch teilweise uns verboten, dass wir da durch laufen, kann man nichts machen, muss man akzeptieren."

    Als die Route feststand, meldete Waltraud Steinmetz die Daten an die bayerische Vermessungsverwaltung in München. Nun kann der Steigerwald-Panoramaweg in Wanderkarten eingezeichnet werden. Im November 2008 erwarteten die Freunde vom Steigerwaldclub Vertreter des Deutschen Wanderverbandes in Kassel. Die prüften den Weg, befanden ihn für mehr als gut und verliehen im das Prädikat "Wanderbares Deutschland". Am meisten gefreut hat sich Waltraud Steinmetz über die Unterstützung der Bauhöfe aus den Gemeinden entlang des Weges. Bauarbeiter setzten Pfähle und zimmerten einen Unterstand mit Sitzmöglichkeiten. Dann ging es ans Markieren der Strecke.

    "Ich hab‘ einen Riesenkorb und da hab‘ ich alles drin: Pinsel, Farbe, Spachtel, Drahtbürste, Aufkleber, alles mögliche, und Sprühdosen, weil, dieses Emblem muss erst weiß gestrichen werden, dann das Emblem aufgesprüht in Grün."

    Ob der Frühling oder der Herbst die schönere Jahreszeit ist, da will sich Waltraud Steinmetz nicht festlegen. Die Laubfärbung des Steigerwaldes habe gewiss ihren Reiz, aber jetzt freue sie sich über den Frühling.

    "Wenn die Bäume austreiben, man kommt ja immer mal wieder aus dem Wald raus und dann hat man die Streuobstwiesen blühen die Kirschen, die Äpfel, die Birnen, wunderschön im Mai und dann die vielen Frühlingsblumen, die es dann gibt, die Wiesen die mit Löwenzahn bewachsen sind. Wenn dann die Sonne drauf scheint. Ist doch ein herrliches Gelb, richtig kräftig Gelb, oder nur das zarte Gelb von den Schlüsselblumen, im Wald die Leberblümchen, Seidelbast."

    Und dann schwärmt sie von einem Anblick, den der Frühling nur in Castell bietet und der einem der ältesten fränkischen Adelsgeschlechter zu verdanken sei. Zur über 600-jährigen Geschichte der Grafen Castell gehörten auch die Kreuzzüge:

    "Die Kreuzfahrer haben aus dem Heiligen Land Tulpenzwiebeln mitgebracht, wilde Tulpen und die haben sie dann in die Weinberge gepflanzt und das können sie heut noch im Mai, Anfang Mai ist das ein Meer von gelben Tulpen, also einmalig, das ist etwas ganz Besonderes! Es kommen viele Fotografen, legen sich auf den Boden und fotografieren diese Tulpen, also das ist was Herrliches. Im Weinberg ausgewildert und die wachsen da ganz wild, das ist sehenswert."

    Nun folgen wir ihrem Schwenk in den Wald:

    "Wir haben auch besondere Bäume im Steigerwald, die sonst nicht so vorkommen, das ist die Elsbeere und den Speierling, da ist unser Förster von Gerolzhofen immer ganz stolz drauf, die erzielen mordshohe Preise! Die werden für die Inneneinrichtungen von Villen werden die hauptsächlich geordert, als Furnierholz. Wir haben diese alten Buchenwälder, die zum Teil schon 300 Jahre alt sind."

    Weiter südlich - bei Iphofen - sind's die Eichenwälder. Wir sind am Schwanberg unterhalb der Waldkrone an einem Hang mit Weinstöcken. Unten im flachen Land die roten Dächer von Iphofen und die hellen Hallen einer großen Gipsfabrik.

    Weites, flaches Land, Waldstreifen, Felder, Dörfer.

    "Man kann hier sehr deutlich durch diese Höhenunterschiede Landschaft erleben, man sieht ausgedehnte Wälder, man sieht Weinanbau, man sieht Landwirtschaft, sicherlich für den Gast ein sehr positives Erlebnis, sich bei uns aufzuhalten."

    Rainer Fell ist der Stadtförster von Iphofen. Das Städtchen liegt zwar nicht direkt am Steigerwald-Panoramaweg, aber an der Bahn:

    "Wir sind hier an der Hauptachse und sind relativ gut vertaktet jetzt mit Würzburg oder Nürnberg. Jeweils zur vollen Stunde kommt einer aus beiden Richtungen, jedes Mal zur vollen Stunde müssen sie sich entscheiden, trinken wir jetzt noch 'n Schoppen, oder gehen wir zum Zug."

    Rainer Fell ist für die besonderen Bäume im Steigerwald zuständig:

    "Wir haben einen sogenannten Mittelwald. Ein Mittelwald ist ein Wald, der in erster Linie Energieholz produziert hat und Julius Echter, 1550 ungefähr, hat diese wirtschaftsweise für seinen Herrschaftsbereich Fürstbistum Würzburg festgelegt, das so gewirtschaftet werden muss, um nachhaltig ausreichend Energieholz und ausreichend Werkholz zu produzieren."

    Unterhalb des Schwanberges beginnt das weitverzweigte Netz jener Wanderwege, die durch den Naturpark Steigerwald führen. 1983 wurde das Laubwaldschutzgebiet zum Naturpark ernannt. Der Bund Naturschutz möchte ein Teilgebiet, den nördlichen Steigerwald, zwischen Ebrach, Gerolzhofen und Eltmann, in einen Nationalpark umwandeln. Die in Staatsbesitz befindlichen Buchenwälder sind in einem ökologisch hochwertigen Zustand. Widerstand gibt es von verschiedenen Seiten. Besitzstandsrechte, Vorurteile. In dem Pro und Contra haben es sachliche Argumente schwer.
    Die Befürworter des Nationalparks wollen die wertvollen Laubbäume unter noch stärkeren Schutz stellen, um sie für nachfolgende Generationen zu erhalten.

    Weiter südlich besitzt die Gegend um den Schwanberg - benannt nach einem böhmischen Adelsgeschlecht - eine geologische Besonderheit: große Gipslagerstätten, Grundlage für einen wichtigen Wirtschaftszweig in Iphofen. Hier oben, vom Schwanberg aus, sehen wir am Rand von Iphofen die großen Hallen der Gipsplattenfabrik. Sie ist mit 1500 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Region.

    "'Wein, Gips, Holz sind Iphofens Stolz', und wenn man die drei Säulen sieht, das sind die drei Einkommenssäulen letztendlich auch, die Iphofen hat und hat auch im Wechsel der Jahrhunderte durchaus unterschiedliche Schwerpunkte gehabt, war's früher, sag' mal der Wald, dann war's später sicherlich der Weinbau, die letzten 50 Jahre in erster Linie der Gips, wer weiß was in dreißig Jahren ist, wenn vielleicht die Gipsindustrie weitergezogen ist, dann ist es vielleicht wieder der Wein an erster Stelle, oder auch der Wald, also wir wissen, um 1930 Haupteinnahmequelle der Stadt war der Holzverkauf aus 'm Stadtwald."

    Im Vergleich zur Waldwirtschaft sei der Weinbau wesentlich intensiver. Weinbau und Tourismus schufen in Iphofen rund 400 Arbeitsplätze, Zweiundzwanzig Weingüter gibt es. Die Lagen am Schwanberg bieten beste Bedingungen für Silvaner und Riesling.

    An den sonnigen Westhängen des Steigerwaldes reifen seit dem 8. Jahrhundert Frankens beste Weine: Casteller Bausch oder Abtswinder Altenberg. Müller-Thurgau, Scheurebe, oder eben Silvaner, der hier vor 350 Jahren zum ersten mal gepflanzt wurde.

    Urkunden im Gräflich Castell'schen Archiv belegen den Kauf und die Pflanzung der ersten Silvanerreben im April 1659. Heute nimmt der Silvaner rund 21 Prozent der fränkischen Rebfläche ein und steht damit bei den Rebsorten an zweiter Stelle nach dem Müller-Thurgau.

    Hinter Abtswind, vor den Höhen des Friedrichsberges liegt das Weingut Behringer. Von dort machen wir uns mit der Chefin Ingrid Behringer hinauf in den Weinberg, dorthin, wo der Steigerwald-Panoramaweg am ältesten Weinlehrpfad Bayerns entlang führt. Während wir zur Autobahn herüberblicken, die den Steigerwald durchquert, erfahren wir etwas über den Boden auf dem wir hier stehen:

    "Man muss zurück gehen und zwar 230 Millionen Jahre zurück, da ist er nämlich entstanden, das ist einer der jüngsten Böden, die hier in Franken diese Weinlandschaft begründet, der Keuper, neben dem Buntsandstein, der eben noch älter ist oder der Muschelkalk und hier am Steigerwald, was eben das östlichste Weinanbaugebiet ist. Da haben wir eben den Keuper, der natürlich dann auch ganz besonders seine Weine prägt."

    Das Weingut der Behringers ist einer von vielen Familienbetrieben in der Region. Die drei heranwachsenden Kinder bekommen die Liebe zum Weinanbau vermittelt, denn Mutter Ingrid Behringer ist mit Leib und Seele "Weinerlebnisführerin", hat dazu nicht nur die nötigen Prüfungen bestanden, sondern auch ihre Liebe zur Region eingebracht, den Wunsch ihren Gästen die Landschaft und ihre Produkte zu vermitteln.

    "Im Moment sind wir beim Rebschnitt. Der Rebschnitt zieht sich noch ein paar Wochen hin, denn wir genießen die ersten Sonnenstrahlen, da macht der Rebschnitt dann noch 'n bisschen mehr Spaß, dann eben beginnt das Niederziehen, ein sogenannter Flachbogen wird dann gemacht und dann kann der neue Austrieb beginnen."

    Übrigens wurde auch ein anderer "Austrieb" beobachtet:

    "Mein Mann ist eben… - der liebt die Einhufer, der liebt die Esel und zwar haben wir vier Stück und wir sagen, der Esel ist der älteste Winzer, denn früher sind die natürlich an die Wildreben rangegangen haben die durch Verbiss eigentlich geschnitten. Der Mensch hat das beobachtet und konnte das einfach dann für sich nutzen, durch den Rebschnitt, was der Esel dann vorgemacht hat, kann man die Weinrebe besser nutzen und dann hat man sie eben kultiviert. Eigentlich hat der Esel uns das gezeigt. Wir lassen unsere Esel auch noch in die Weinberge. Das ist total lustig, wenn das die Gäste dann auch sehen kommen sie und sagen: 'Mensch, die Esel sind im Weinberg', und wir sagen: Okay, die schneiden für uns."

    Wir schauen vom Abtswinder Weinberg hinab auf das Steigerwaldvorland.
    Wo die Rebhänge an die Waldkappe stoßen, dort verläuft der Panoramaweg. Dank freiwilliger Helfer und nach vielen Einsatzstunden ist er nun fertig.

    Als die Urkunde "Qualitätsweg Wanderbares Deutschland" durch den Deutschen Wanderverband während einer Reisemesse in Stuttgart überreicht wurde, war Waltraud Steinmetz dabei.

    Wenn die Wanderer "ihren" Weg entlang laufen, dann - hofft sie - dann werden bald immer weniger Leute sagen: "Steigerwald?" - "Kennen wir ja noch gar nicht."