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Beginn einer Wende

Am 14. Oktober 1809 schlossen Frankreich und Österreich den Friedensvertrag von Schönbrunn. Damit endete ein Feldzug, den Napoleon nur noch mit großer Mühe für sich entscheiden konnte. Die Überdehnung seiner Herrschaft in Europa sollte sich nun zunehmend gegen ihn wenden.

Von Volker Ullrich | 14.10.2009
    Am frühen Morgen des 14. Oktober 1809 griff Napoleon, der Kaiser der Franzosen, im Wiener Schloss Schönbrunn zur Feder, um seiner Frau Joséphine eine kurze Nachricht zukommen zu lassen:

    "Meine Freundin, ich schreibe Dir, um Dir mitzuteilen, dass der Frieden vor zwei Stunden unterzeichnet worden ist. Leb wohl."

    Kurze Zeit später kündigten Kanonenschüsse in Wien das Ereignis an. Der Friede von Schönbrunn beendete einen Krieg, den diesmal nicht Frankreich, sondern Österreich begonnen hatte. Der leitende österreichische Minister, Graf Johann Philipp von Stadion, hielt im Frühjahr 1809 den Zeitpunkt für gekommen, um Revanche zu nehmen für die Niederlage von Austerlitz im Dezember 1805. Denn ein großer Teil gerade der besten französischen Truppen war seit 1808 in Spanien gebunden, wo sie in einen verlustreichen Guerillakrieg verwickelt worden waren. Napoleons Stern schien im Sinken, und diese Gelegenheit wollte die Kriegspartei in Wien nicht ungenutzt verstreichen lassen, wie Stadion ganz unverblümt bekannte:

    "Wenn der Krieg nicht in die Rechnung Napoleons passt, dann passt er umso mehr in unsere."

    Am 9. April eröffneten die Österreicher den Feldzug mit einem Angriff auf Bayern, dem wichtigsten Verbündeten des französischen Empire in Deutschland. In einem Aufruf wandte sich der österreichische Oberbefehlshaber, Erzherzog Karl, an die deutsche Öffentlichkeit:

    "Nicht bloß für seine Selbstständigkeit, sondern für Deutschlands Unabhängigkeit und Nationalehre hat Österreich das Schwert ergriffen."

    Doch der erhoffte Befreiungskrieg blieb aus. Nur in Tirol kam es zu einem Aufstand unter der Führung Andreas Hofers, der jedoch blutig niedergeworfen wurde. Ein Versuch des preußischen Majors Ferdinand Schill und seiner Freischärler, im Königreich Westfalen einen Aufstand zu entfesseln, schlug fehl. Noch war die Zeit für eine Volkserhebung gegen die französische Herrschaft nicht reif.

    Für Napoleon kam der österreichische Angriff überraschend. Doch wie immer reagierte er ungewöhnlich schnell. Nur vier Tage und Nächte brauchte er, um von Paris an den Kriegsschauplatz zu eilen. Und noch einmal bewies er sein überragendes strategisches Geschick. In einer Serie von Gefechten schlug er die Armeen des Erzherzogs Karl zurück. In einer Proklamation vom 24. April bedankte er sich bei seiner Truppe:

    "Soldaten, ihr habt meine Erwartungen erfüllt. Ehe ein Monat vergeht, werden wir in Wien sein."

    Tatsächlich zog Napoleon bereits am 12. Mai in die österreichische Hauptstadt ein – die Wiener bereiteten ihm einen eisigen Empfang. Noch aber waren Österreichs Heere nicht besiegt. In der Schlacht bei Aspern am 21. und 22. Mai konnten sie Napoleon eine Niederlage beibringen – die erste überhaupt in seiner glanzvollen militärischen Karriere. Die Sensation verbreitete sich in Windeseile über ganz Europa.

    "Wenn er fällt, was wird dann aus uns allen? Man wird uns einfach abschlachten!", "

    soll Napoleons jüngste Schwester Pauline, die Fürstin Borghese, ausgerufen haben. Allerdings gelang es Napoleon sechs Wochen später, in der Schlacht von Wagram, die Scharte auszuwetzen.

    " "Meine Feinde sind vernichtet, geschlagen, in regelloser Flucht! Sie waren sehr zahlreich, aber ich habe sie zermalmt."

    So triumphierte der siegreiche Feldherr in einem Brief an Joséphine. Am 12. Juli bat Wien um Waffenstillstand. Es bedurfte zäher Verhandlungen, um das Vertragswerk von Schönbrunn zustande zu bringen. Österreich wurden harte Bedingungen auferlegt: Es musste Salzburg und das Innviertel an Bayern, Westgalizien an das Großherzogtum Warschau, einen Streifen Ostgaliziens an Russland abtreten. Frankreich sicherte sich den Villacher Kreis Kärntens sowie Istrien mit Triest und einen Teil Kroatiens – Gebiete, die zu einem eigenen "Gouvernement Illyrien" zusammengelegt wurden. Außerdem musste Österreich eine hohe Kriegsentschädigung zahlen. Als Großmacht war es empfindlich geschwächt. Doch auch Napoleon hatte, trotz des neuerlichen Sieges, den Zenit seiner Macht bereits überschritten. Von nun an sollte sich – erst langsam, dann immer schneller – sein Abstieg vollziehen.