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Behaglich warm ohne Öl

Was die Kraft der Sonne alles leistet, das kann im Kanton Bern besichtigt werden. Im schweizerischen Oberburg steht nämlich Europas erstes vollständig solar beheiztes Mehrfamilienhaus. Nach entsprechenden Investitionen heizen und duschen die Bewohner seit einem Jahr, ohne einen Franken dafür auszugeben.

Von Alexander Musik | 12.06.2008
    Oberburg, ein kleines Örtchen im Emmental. Einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt: die Firma Jenni, ein mittelständischer Betrieb mit 50 Mitarbeitern. Inhaber Josef Jenni, 55, ist dauernd unterwegs, wenn er nicht gerade als Abgeordneter im Berner Nationalrat sitzt: Sein Rat und das Know-how seiner Solarspeicher sind international gefragt. Inzwischen stellt der Betrieb zehn Modelle vom Typ "Swiss Solartank" täglich her, zumeist für Kunden in der Schweiz, Deutschland und Luxemburg. Die Solarspeicher werden mit Hilfe von Maschinen, die Jenny selbst konzipiert hat, in der eigenen Produktionshalle montiert:

    "Diese Häuser, die stehen eigentlich auf drei bis vier Säulen. Es braucht eine gute Wärmedämmung, wir arbeiten mit passivsolarer Nutzung, also gute Fenster, die nach Süden orientiert sind und eine kräftige Solaranlage und unter Umständen auch noch eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Wenn man ganzjährig mit Sonne heizen will, dann muss das Haus von Grund auf für diesen Zweck geplant werden."

    Das heißt, das Haus muss um den Solarspeicher herum gebaut werden, ein nachträglicher Einbau ist kaum zu machen, sagt Jenni, der sich ständig neue Ziele steckt. Wie eben das Mehrfamilienhaus am Rande des Firmengeländes, in das die ersten fünf Parteien im vergangenen Winter eingezogen sind. Zentrum des mächtigen Wohnhauses mit Satteldach ist ein Solarspeicher für 205.000 Liter Wasser. Im Sommer durch Kollektoren auf der südlich orientierten Dachhälfte erwärmt, sorgt der Speicher ganzjährig für Wärme und heißes Wasser in acht Wohnungen. Weil Bauherr Jenni dem Nachbarn im rustikalen Chalet die Aussicht verbaut hat, heizt er ihr Haus aus dem großen Solarspeicher gleich noch kostenlos mit:

    "Das ist ein bisschen eine Entschädigung, weil wir unseren Nachbarn vor die Sonne gebaut haben. Im Moment, so wie's aussieht, braucht es doppelt so viel Wärme wie hier das ganze Achtfamilienhaus."

    Der zylindrische Solarspeicher im Neubau zieht sich vom Keller bis zum Dach. Jenni wirft einen Blick auf die von Messfühlern ständig dokumentierte Speichertemperatur: 75 Grad oben, 56 unten. Und das nach dem Winter! Die Kollektoren haben also im nicht sehr sonnigen Emmental genug Sonnenenergie aufgesaugt, um die Mieter zuverlässig durch die kalten Monate zu bringen. Stichprobe bei den Schweizers. Die vierköpfige Familie wohnt seit November in einer der großzügig ausgestatteten 135 Quadratmeter-Wohnungen mit Fußbodenheizung. Miete: umgerechnet 1.380 Euro. Nebenkosten: für Heizung und Warmwasser keine. Die Schweizers kommen auf eine Stromrechnung von lediglich 19 Euro im Monat. Jens Schweizer und seine Frau Brigitte:

    "War immer sehr warm, immer sehr angenehm! Gab keine Probleme! Ich denk, dass es unterm Strich aufs Gleiche rauskommt, ob es eine konventionell oder solar beheizte Wohnung hat."

    "Wir haben uns schnell in diese Wohnung verliebt. Wir haben gesagt, wenn es möglich ist, wir möchten alles dransetzen, zum einen, weil sie wegen der Maße für uns passt, zum anderen, weil sie umweltfreundlich funktioniert!"

    Die Annoncen in der Lokalzeitung beweisen, dass die Schweizers etwa 100 Euro mehr Miete zahlen als für eine konventionell beheizte Wohnung in der Region. Doch wer weiß, wie die Energiepreise sich entwickeln? Jedenfalls gibt die Heizung gleichmäßig wohlige Wärme ab, die Dämmung ist so gut, dass es nirgends zieht, alle Außengeräusche verschlucken die Dreifachfenster. Das Ehepaar ist sich einig:

    "Man kann sagen: Rundum zufrieden, was mich betrifft! - Ja, auf jeden Fall!"