Britta Fecke: Ausgerechnet vor der Osterzeit, der Hochsaison für Eier, wurde wieder Dioxin in Eiern nachgewiesen – in Bioeiern. Sie kommen aus zwei von insgesamt vier Stellen eines Bioerzeugers in Nordrhein-Westfalen. Die Konzentration mit dioxinähnlichen polychlorierten Biphenylen, kurz PCBs, hat den erlaubten Grenzwert um das Sechsfache überschritten, so das Verbraucherschutzministerium in Düsseldorf. – Ich bin jetzt verbunden mit Martin Rücker von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Herr Rücker, woher können diese PCB-Belastungen stammen?
Martin Rücker: Im konkreten Fall ist das noch nicht bekannt. Es gibt mehrere denkbare Möglichkeiten. Wir erinnern uns an den großen Dioxinskandal vor gut einem Jahr, da kamen wie so oft Dioxine über Futtermittel in die Produkte und dann in die Eier eben insbesondere. Hier im konkreten Fall haben wir es offenbar mit PCB, also mit Chlorverbindungen, die dioxinähnlich sind, zu tun. Das sind klassischerweise auch Industriealtlasten. Also es könnte durchaus auch sein, dass hier Bodenbelastungen vorhanden sind, oder dass bei der Bestallung beispielsweise falsche Baustoffe eingesetzt wurden. Das ist aber im Moment alles noch spekulativ.
Fecke: Warum sind schon wieder, zumindest gefühlt schon wieder Bioprodukte betroffen?
Rücker: Das Biosiegel bietet keinen Schutz vor Giftstoffen wie Dioxin. Wir haben es immer wieder gehabt, dass über Futtermittel sowohl Bioeier als auch konventionell erzeugte Eier dioxinbelastet waren. Wenn es beispielsweise sich herausstellen sollte, dass hier eine Belastung der Böden vorliegt, dann ist es schlicht und ergreifend eine Frage, ob der Landwirt der guten fachlichen Praxis, wie das so schön heißt, entsprochen hat und bevor er dort Tiere hält Bodenproben genommen hat, um herauszufinden, ob hier Industriealtlasten beispielsweise vorhanden sind, und gegebenenfalls die Böden ausgetauscht hat, wie das dann der guten fachlichen Praxis entsprochen hat. Das ist übrigens ein Problem, das wir nicht nur bei Biohaltung, sondern genauso bei Freilandhaltung oder auch bei Bodenhaltung mit Auslaufmöglichkeiten gehabt hätten.
Fecke: Nun hofft der Verbraucher ja immer, wenn er Bioware kauft, dass er dann vor bestimmten Verunreinigungen gefeit ist. – Dieser letzte Dioxinskandal liegt gerade einmal ein Jahr zurück, damals waren viele Betriebe betroffen, die Ministerien und Behörden hatten nach dem letzten Skandal versprochen, schneller und transparenter zu reagieren. Wie ist es denn in diesem Fall?
Rücker: Das ist aus meiner Sicht der eigentliche Skandal - jedenfalls, wenn sich die Medienberichte hier bestätigen. Die Abläufe waren ja offenbar so, dass es schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt Eigenproben beim Unternehmen gegeben hat. Am 26. März bereits sollen die Behörden in Nordrhein-Westfalen informiert gewesen sein über die Grenzwertüberschreitungen. Informiert wurden wir gestern, das ist der 3. April, also einige Tage später, und wenn man sich anschaut, wann ist das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen, dann ist das der 31. März. Das heißt, eine Information ist, obwohl die Hinweise vorher vorlagen, erst erfolgt, als die Eier längst verkauft und verzehrt waren. Das kann so nicht wahr sein.
Fecke: Die Meldepflicht ist doch auch ein Problem, oder?
Rücker: Ja, das wird im Moment noch geprüft. Tatsächlich ist die Meldepflicht aber natürlich lückenhaft ausgefüllt worden. Die Vorgaben sind hier nicht klar. Wenn sie nur eine Meldepflicht vorgeben für bekannte Grenzwertüberschreitungen, aber keine Vorgabe machen, dass umfangreich wirklich getestet werden muss, dann ist es nach wie vor sehr, sehr schwer zu überprüfen, ob denn gegen die Meldepflichten verstoßen wurde. Im konkreten Fall wird das sicherlich eine Aufgabe der Ermittlungsbehörden sein, festzustellen, ob hier das Unternehmen gegen die Meldepflichten verstoßen hat. Klar ist aber: Die Behörden müssen sofort im Falle von Gesundheitsgefahren informieren, und hier sind einige Tage verstrichen. Es muss untersucht werden, wie hier die Arbeit der Behörden tatsächlich aussah.
Fecke: Jetzt noch ein Wort zu der Belastung. Es heißt immer, es wäre keine große Belastung für den Verbraucher. Allerdings sammeln sich ja gerade diese PCBs im Fettgewebe an. Kann es nicht sein, dass die Belastung erst dann viel später kommt?
Rücker: Das ist genau das entscheidende Problem. Bei Dioxin geht es in den seltensten Fällen und auch bei PCB in den seltensten Fällen um akute Gefährdungen, wie es immer so schön heißt, die Konzentrationen sind einfach nicht so hoch, dass Sie sofort tot umfallen oder gesundheitliche Folgen zu spüren bekommen, wenn Sie beispielsweise belastete Eier verzehren, sondern es geht um die langfristigen Folgen. Dioxin reichert sich im Körper an, wird ganz, ganz schwer nur abgebaut und kann eben langfristig Erbgut verändernd sein, Krebs auslösend sein, und deshalb geht es darum, das ist das erklärte Ziel der europäischen Politik, die Dioxinbelastung der Menschen so weit wie möglich nach unten zu bekommen und zu senken, und davon sind wir aber weit entfernt im Moment.
Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen – Martin Rücker war das von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, weil mal wieder dioxinähnliche Substanzen in Eiern gefunden wurden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Anfang 2011 erschütterte ein Dioxinskandal die Republik. Die Giftstoffe kamen damals über Tierfuttermittel in die Lebensmittel. Die Politik versprach bessere Kontrollen und eine transparentere Informationspolitik:
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Martin Rücker: Im konkreten Fall ist das noch nicht bekannt. Es gibt mehrere denkbare Möglichkeiten. Wir erinnern uns an den großen Dioxinskandal vor gut einem Jahr, da kamen wie so oft Dioxine über Futtermittel in die Produkte und dann in die Eier eben insbesondere. Hier im konkreten Fall haben wir es offenbar mit PCB, also mit Chlorverbindungen, die dioxinähnlich sind, zu tun. Das sind klassischerweise auch Industriealtlasten. Also es könnte durchaus auch sein, dass hier Bodenbelastungen vorhanden sind, oder dass bei der Bestallung beispielsweise falsche Baustoffe eingesetzt wurden. Das ist aber im Moment alles noch spekulativ.
Fecke: Warum sind schon wieder, zumindest gefühlt schon wieder Bioprodukte betroffen?
Rücker: Das Biosiegel bietet keinen Schutz vor Giftstoffen wie Dioxin. Wir haben es immer wieder gehabt, dass über Futtermittel sowohl Bioeier als auch konventionell erzeugte Eier dioxinbelastet waren. Wenn es beispielsweise sich herausstellen sollte, dass hier eine Belastung der Böden vorliegt, dann ist es schlicht und ergreifend eine Frage, ob der Landwirt der guten fachlichen Praxis, wie das so schön heißt, entsprochen hat und bevor er dort Tiere hält Bodenproben genommen hat, um herauszufinden, ob hier Industriealtlasten beispielsweise vorhanden sind, und gegebenenfalls die Böden ausgetauscht hat, wie das dann der guten fachlichen Praxis entsprochen hat. Das ist übrigens ein Problem, das wir nicht nur bei Biohaltung, sondern genauso bei Freilandhaltung oder auch bei Bodenhaltung mit Auslaufmöglichkeiten gehabt hätten.
Fecke: Nun hofft der Verbraucher ja immer, wenn er Bioware kauft, dass er dann vor bestimmten Verunreinigungen gefeit ist. – Dieser letzte Dioxinskandal liegt gerade einmal ein Jahr zurück, damals waren viele Betriebe betroffen, die Ministerien und Behörden hatten nach dem letzten Skandal versprochen, schneller und transparenter zu reagieren. Wie ist es denn in diesem Fall?
Rücker: Das ist aus meiner Sicht der eigentliche Skandal - jedenfalls, wenn sich die Medienberichte hier bestätigen. Die Abläufe waren ja offenbar so, dass es schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt Eigenproben beim Unternehmen gegeben hat. Am 26. März bereits sollen die Behörden in Nordrhein-Westfalen informiert gewesen sein über die Grenzwertüberschreitungen. Informiert wurden wir gestern, das ist der 3. April, also einige Tage später, und wenn man sich anschaut, wann ist das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen, dann ist das der 31. März. Das heißt, eine Information ist, obwohl die Hinweise vorher vorlagen, erst erfolgt, als die Eier längst verkauft und verzehrt waren. Das kann so nicht wahr sein.
Fecke: Die Meldepflicht ist doch auch ein Problem, oder?
Rücker: Ja, das wird im Moment noch geprüft. Tatsächlich ist die Meldepflicht aber natürlich lückenhaft ausgefüllt worden. Die Vorgaben sind hier nicht klar. Wenn sie nur eine Meldepflicht vorgeben für bekannte Grenzwertüberschreitungen, aber keine Vorgabe machen, dass umfangreich wirklich getestet werden muss, dann ist es nach wie vor sehr, sehr schwer zu überprüfen, ob denn gegen die Meldepflichten verstoßen wurde. Im konkreten Fall wird das sicherlich eine Aufgabe der Ermittlungsbehörden sein, festzustellen, ob hier das Unternehmen gegen die Meldepflichten verstoßen hat. Klar ist aber: Die Behörden müssen sofort im Falle von Gesundheitsgefahren informieren, und hier sind einige Tage verstrichen. Es muss untersucht werden, wie hier die Arbeit der Behörden tatsächlich aussah.
Fecke: Jetzt noch ein Wort zu der Belastung. Es heißt immer, es wäre keine große Belastung für den Verbraucher. Allerdings sammeln sich ja gerade diese PCBs im Fettgewebe an. Kann es nicht sein, dass die Belastung erst dann viel später kommt?
Rücker: Das ist genau das entscheidende Problem. Bei Dioxin geht es in den seltensten Fällen und auch bei PCB in den seltensten Fällen um akute Gefährdungen, wie es immer so schön heißt, die Konzentrationen sind einfach nicht so hoch, dass Sie sofort tot umfallen oder gesundheitliche Folgen zu spüren bekommen, wenn Sie beispielsweise belastete Eier verzehren, sondern es geht um die langfristigen Folgen. Dioxin reichert sich im Körper an, wird ganz, ganz schwer nur abgebaut und kann eben langfristig Erbgut verändernd sein, Krebs auslösend sein, und deshalb geht es darum, das ist das erklärte Ziel der europäischen Politik, die Dioxinbelastung der Menschen so weit wie möglich nach unten zu bekommen und zu senken, und davon sind wir aber weit entfernt im Moment.
Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen – Martin Rücker war das von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, weil mal wieder dioxinähnliche Substanzen in Eiern gefunden wurden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Anfang 2011 erschütterte ein Dioxinskandal die Republik. Die Giftstoffe kamen damals über Tierfuttermittel in die Lebensmittel. Die Politik versprach bessere Kontrollen und eine transparentere Informationspolitik:
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