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Behütet im Netz

Zum ersten Mal hat sich ein deutsches Kontrollgremium dazu durchgerungen, zwei Computerprogramme anzuerkennen, die versprechen, zuverlässig jugendgefährdende Webangebote herauszufiltern. Minderjährige sollen künftig seltener spontan und ungewollt mit schockierenden Inhalten konfrontiert werden.

Von Henning Hübert | 17.03.2012
    Die Mediennutzung wandelt sich rasant: Statt wie einst, versammelt im Familienkreis vor dem Fernseher, holen sich Heranwachsende heute ihre Informationen zunehmend autonom aus dem Internet. Bereits Siebtklässler wie aus dieser nordrhein-westfälischen Realschule in Königswinter haben überwiegend ihr eigenes Notebook:

    "Also ich hab einen eigenen Laptop."
    "Ich auch."
    "Eigener Laptop."
    "Eigener normaler PC."
    "Ich hab im Moment keinen eigenen PC, aber Bluetooth-Handy, iPod und alles Mögliche."

    Damit der Internetbesuch nicht zu als jugendgefährdend eingeschätzten Inhalten führt, etwa zu extremen Gewalt- oder Pornoszenen, können Eltern kostenlos die Basisversion des Hamburger Vereins JusProg herunterladen. Und Telekom-Festnetzkunden in wenigen Wochen einen eigenen Kinderschutz. An den beiden Programmen neu ist, dass sie Altersbeschränkungsangaben automatisch auf Anbieterseiten erkennen, die diese idealerweise einbauen sollten.

    Die Software funktioniert im Prinzip wie ein E-Mail-Spam-Filter, arbeitet mit Indexlisten: Kommen zum Beispiel bestimmte Schlagwörter zu oft vor, wird die Seite gesperrt. Diskutabel ist die Störanfälligkeit und die Erfolgsquote der Filter. Verena Weigand von der für die Anerkennung zuständigen KJM-Stabsstelle in München:

    "Wir haben Filtertests angestellt mit den beiden Programmen, die sich beworben haben um die Anerkennung. Und da sind die Filterquoten im Augenblick so um die 80 Prozent. Und das ist ein vernünftiger Wert, mit dem man zumindest mal starten kann."

    Um jetzt Kinder besser davor zu schützen, dass sie sich plötzlich ungewollt mit schockierenden Netzinhalten konfrontiert sehen. Übereifriges Filtern kann aber genauso vorkommen: Dann ist auf einmal die Enthüllungsplattform Wikileaks unerreichbar oder es trifft eigentlich unverdächtige Diskussionsforen. Eindeutiges Minus: Es gibt wegen technischer Probleme keine Jugendschutzfilter für mobile Computer wie Tablet-PCs oder das iPhone. Das kritisiert auch Verena Weigand:

    "Das ist natürlich eine Lücke, die da im Moment besteht, von der wir hoffen, dass sie möglichst bald geschlossen wird. Wir haben aber auch im Moment noch das Problem, dass wir nicht wissen, wie viele Eltern das Jugendschutzprogramm tatsächlich einsetzen werden und natürlich hoffen, dass das von vielen Haushalten auch genutzt wird."

    Eine Vorgängerversion hat die Telekom nach eigenen Angaben an 100.000 PC-Nutzer vertrieben. Eltern können mit der Filtersoftware steuern, wie viel Zeit ihre Kinder im Internet verbringen und welche Spiele, Downloads und Chatprogramme verfügbar sind - je nach Alter.

    Deaktivierung beziehungsweise Deinstallation ist nur mit Elternpasswort möglich, die Programme sind tief im Windows-Betriebssystem verankert. Vielen Medienpädagogen erleichtert die staatliche Anerkennung der Filter ihre Arbeit.

    Wenn, etwa besorgte Eltern bei der EU-Netzsicherheits-Initiative klicksafe.de anfragen, die bei der Düsseldorfer Landesanstalt für Medien angesiedelt ist. Dann bekommen sie von Martin Müsgens nun JusProg und Kinderschutz als Empfehlung. Allerdings weiß auch er: Wer zum Beispiel als Heranwachsender pornografische Inhalte aktiv sucht, der findet sie auch in Zukunft:

    "Es kann natürlich auch über Freunde, über Filehoster getauscht werden. Man kann mit USB-Sticks von Start auf alternative Betriebssysteme booten. Also wenn man sich auskennt als Jugendlicher, gibt es schon definitiv Möglichkeiten, Filter zu umgehen, diese auszuhebeln. Und von daher sagen wir auch immer: Gerade für Jugendliche, die so ein bisschen affiner werden, da sollte schon ganz, ganz viel im Vorfeld gelaufen sein."

    Also sind die Neuerungen keine Rundum-sorglos-Pakete. Besser sei, so der Medienpädagoge, die offene Begleitung des Kinds durch die Eltern bei seinem Gang durchs Internet. Das wäre dann der PC im Wohnzimmer und nicht im stillen Kämmerlein.