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Bei Kritik: Knast

Verhaftung von Oppositionellen, Behinderung der Religionsfreiheit - die Regierung Vietnams reagiert schnell und hart, wenn kritische Stimmen gegen das Regime laut werden. So auch im Fall der Journalistin Tran Khai Than Thuy.

Von Bernd Musch-Borowska | 22.08.2009
    Das Straßengewirr der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi bietet idealen Schutz für ein geheimes Treffen mit der Dissidentin Tran Khai Than Thuy. Die heute 49 Jahre alte Schriftstellerin war im April 2007 verhaftet worden. Erst im Januar vergangenen Jahres wurde sie wieder freigelassen. Die KP-Zeitung "Nhan Dan" warf ihr Verleumdung vor, weil sie über die politisch-soziale Situation in Vietnam sowie über Menschenrechtsverletzungen durch die vietnamesische Regierung geschrieben hatte.

    Im Hinterzimmer eines Hotels beklagt sie die jüngste Verhaftung des Rechtsanwaltes Le Cong Dinh. Der Verteidiger zahlreicher Menschenrechtsaktivisten ist einer der prominentesten politischen Häftlinge des Landes. Er wurde Mitte Juni wegen angeblicher staatsfeindlicher Propaganda verhaftet. Seitdem sitzt er im Gefängnis, seine Anwaltslizenz wurde entzogen und die vietnamesische Anwaltskammer hat ihren früheren stellvertretenden Vorsitzenden Le Cong Dinh aus dem Verband ausgeschlossen.

    "Le Cong Dinh ist ein wahrer Patriot. Er kämpft für die Demokratie in Vietnam. Die Regierung hat ihn verhaftet, weil er Propaganda gegen den Staat verbreitet haben soll."

    Le Cong Dinh wird vorgeworfen, Dokumente mit kritischen Äußerungen gegen die vietnamesische Regierung veröffentlicht zu haben. Außerdem soll er einen Entwurf für eine neue Verfassung geschrieben haben.

    Der 41-jährige, der vor einigen Jahren bei einem bedeutenden Wirtschaftskonflikt mit den USA die vietnamesische Regierung vertreten hatte und dadurch berühmt wurde, soll in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Auslandsmedien zusammengearbeitet haben, unter anderem der BBC und dem Radio Freies Asien. Außerdem sei er für die vietnamesische Demokratiebewegung tätig gewesen, die in Vietnam als subversive Organisation verboten ist, schrieb die vietnamesische Zeitung "Than Nien". Für die Verbreitung von Propaganda gegen den Staat kann eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren verhängt werden.

    Nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, werden die demokratischen Grundrechte in Vietnam nach wie vor systematisch verletzt. Sophie Richardson, die Asienbeauftragte von Human Rights Watch sagte im australischen Rundfunk:

    "Der vietnamesischen Regierung sind vor allem diese etwas prominenteren Aktivisten ein Dorn im Auge. Dabei handelt es sich nicht nur um Arbeitsrechtler, sondern auch um Journalisten oder Blogger, die sich für mehr Demokratie in Vietnam einsetzen. Diese Leute werden entweder verhaftet und ins Gefängnis gesteckt oder unter Hausarrest gestellt, nur weil sie sich beispielsweise für die Zulassung von unabhängigen Gewerkschaften eingesetzt haben."

    Nach dem Polizeibericht, der nach der Verhaftung veröffentlicht wurde, soll sich Le Cong Dinh im März mit führenden vietnamesischen Dissidenten in Thailand getroffen haben, um einen Komplott zum Sturz der vietnamesischen Regierung vorzubereiten.

    Le Cong Dinh hatte in den vergangenen Jahren führende Menschenrechtsaktivisten vertreten, denen regierungsfeindliche Aktivitäten vorgeworfen wurden, unter anderem Nguyen Van Dai und Le Thi Cong Nhan, die sich für demokratische Reformen in Vietnam und die Einführung eines Mehrparteiensystems eingesetzt hatten.

    Die Kommunistische Partei ist die einzige zugelassene politische Partei der Volksrepublik Vietnam. Andere politische Organisationen sind verboten. Gewerkschaften unterliegen der strikten staatlichen Kontrolle, ebenso Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen. Kritik an der Regierung ist nicht erlaubt.

    Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte IGFM äußerte sich besorgt über die Verfolgung von Rechtsanwälten in Vietnam. Zahlreiche Juristen, wie Le Cong Dinh, die sich für Dissidenten eingesetzt hätten, seien in Haft oder hätten Berufsverbot, hieß es in einer Erklärung der Organisation. Selbst Angehörige und Mitarbeiter von Menschenrechts-Verteidigern würden Schikanen ausgesetzt und hätten berufliche Schwierigkeiten.

    Betroffen davon ist auch die Schriftstellerin Tran Khai Than Thuy. Am 21. April 2007 wurde sie wegen Störung der öffentlichen Ordnung verhaftet. Neun Monate und zehn Tage saß sie im Gefängnis. Die Haftbedingungen seien furchtbar gewesen, sagt Tran Khai Than Thuy.

    "Die politischen Gefangenen werden sehr schlecht behandelt. Die Regierung behauptet zwar, es sei anders, aber das stimmt nicht. Ich bin krank geworden im Gefängnis, wie viele andere auch. Ich habe dort Tuberkulose und Diabetes bekommen."

    Wenige Monate vor ihrer Verhaftung war Tran Khai Than Thuy mit dem Hellmann-Hammett-Preis der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ausgezeichnet worden, für ihren Mut, die Repressionen des vietnamesischen Staates zu ertragen.

    "Ich habe mein Schicksal akzeptiert und mein Leben dem Kampf gegen die Regierung geopfert. Alle Dissidenten in Vietnam werden von der Polizei schlecht behandelt. Nach dem vietnamesischen Neujahrsfest haben die Polizisten stinkende Abfälle und verdorbene Fische in meine Wohnung geworfen."

    Sophie Richardson von Human Rights Watch beklagte, dass vor allem Arbeitsrechtler, Demokratie-Aktivisten und religiöse Führer unterdrückt und behindert würden, oft unter abenteuerlichen Vorwürfen:

    "Wir reden hier über eine Regierung, die nicht zögert, jeden der als Kritiker auftritt und als eine Gefahr erscheint, zum Schweigen zu bringen. Das betrifft auch religiöse Minderheiten. Einer der Anführer dieser Gruppen wurde kürzlich wegen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Und so etwas kommt sehr häufig vor. Aktivisten, die sich für die Rechte von Arbeitnehmern eingesetzt haben, wurde vorgeworfen, dass sie ihre demokratischen Freiheiten missbrauchten."

    Anders als in Birma, scheint die internationale Staatengemeinschaft die Menschenrechtsverletzungen in Vietnam nicht als Problem zu betrachten. Obwohl bei der Beurteilung der Volksrepublik durch die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen erst im April dieses Jahres wieder zahlreiche Mängel festgestellt wurden, ist die deutsche Wirtschaft in Vietnam mit rund 280 Unternehmen vertreten. Es gibt eine deutsch-vietnamesische Universität in Ho Chi Minh City und regelmäßige Besuche deutscher Politiker in der Volksrepublik. In Birma dagegen setzen Deutschland und die Europäische Union, zusammen mit den USA und zahlreichen anderen Staaten der westlichen Welt, auf Sanktionen, um politische Reformen in Gang zu bringen und prominente Regimekritiker wie Aung San Suu Ky vor staatlicher Verfolgung zu schützen.