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Bei Zuwachsraten Weltspitze

Ich nahm die Kopfhörer ab und hörte den Wind durch die Tür. Der Wind erzählte mir ein schreckliches Geheimnis: Du hast Aids, das heißt, wir sterben.

Ruth Dickhoven |
    Als die Sängerin Zemfira aus Ufá 1999 ihr erstes Album mit dem Skandalsong "Spid", wie Aids auf russisch heißt, veröffentlichte, da hatte die Verbreitung der Seuche in Russland einen dramatischen Höhepunkt erreicht. Zum ersten Mal hatte sich die Zahl der registrierten Neuinfizierungen innerhalb eines Jahres glatt verdoppelt. Die russischen Epidemiologen waren alarmiert. Während in Westeuropa die Verbreitung von HIV und Aids längst wieder rückläufig war, ging es in Russland nun offenbar erst richtig los. Vor allem unter den Drogensüchtigen verbreitete sich das Virus in rasender Geschwindigkeit. Am Schlimmsten betroffen war zunächst die Metropole Moskau. Galina Pankowa, leitende Epidemiologin am Moskauer städtischen Aids-Zentrum:

    1997/98 hatten wir in Moskau die erste Fälle von Übertragung unter Drogensüchtigen festgestellt. Im Jahr 1999 registrierten wir dann 5.300 Fälle, gegenüber 1.000 in den beiden Vorjahren zusammen. Das Virus war in die Gruppe der Drogenkonsumenten eingefallen und entwickelte sich katastrophal.

    Zum heutigen Zeitpunkt sind in Russland fast 250.000 HIV-Infizierte registriert, erklärt die Epidemiologin weiter:

    Man muss aber davon ausgehen, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist, dass man die registrierten Fälle mal vier nehmen muss, um ein einigermaßen realistisches Bild zu haben.

    Das würde bedeuten, dass in Russland bis Ende des Jahres eine Million Menschen HIV-Infiziert wären. Und wenn sich der Trend zur jährlichen Verdopplung hielte, könnten es schnell 2, 4, 8, 16, 32 Millionen werden. Eine solche Hochrechnung ist natürlich rein hypothetisch, doch sie zeig, vor welch einer bedrohlichen Herausforderung Russland steht. Auf die damit verbundenen Konsequenzen für die Volkswirtschaft, die ja eben erst versucht auf die Beine zu kommen, hat vor kurzem die Weltbank hingewiesen.

    Bis heute gehen in Russland die Verbreitung von Aids und die Verbreitung der Drogensucht Hand in Hand. Zwar ist das Virus längst auf die heterosexuelle Durchschnittsbevölkerung übergesprungen, nicht zuletzt durch süchtige Prostituierte, die Verbreitung auf dem Geschlechtsweg hat an Bedeutung zugenommen und der Anteil der Frauen an den Infizierten hat sich von 1:4 auf 1:2 verdoppelt. Doch bleibt HIV in Russland vorerst noch eng mit der Drogenproblematik verknüpft. Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist die Zahl der Drogenkonsumenten sprunghaft angestiegen. Mitte der neunziger Jahre hingen Schätzungen zufolge bereits über hunderttausend russischer Jugendlicher an der Nadel. Das soziale Elend und die Perspektivlosigkeit des postsowjetischen Alltags beschleunigten die Entwicklung. Vor allem in den Großstädten, die nach der Öffnung der ehemals geschlossenen Grenzen, nun am Wegesrand neuer Drogenrouten von Zentralasien nach Europa lagen. Die Hoffnung, wonach das Heroin nur durch Russland hindurch geschleust, nicht aber dort auch konsumiert würde, erwies sich als falsch. Jekaterinburg im Ural etwa erlangte traurige Berühmtheit als Drogen- und später dann auch als Aids-Hochburg. Oleg Valeriejwitsch von der Jekaterinburger Polizei beschreibt den bis heute andauernden Kampf gegen die Drogendealer als Kampf gegen Windmühlen:

    Eins unserer größten Probleme ist das Heroin, das über Tadschikistan aus Afghanistan und Pakistan kommt. Das wird hier verkauft. Heroinhandel ist das häufigste Verbrechen bei uns. Jekaterinburg ist ein internationaler Umschlagplatz , durch unserer Stadt läuft das Heroin in alle Himmelsrichtungen. Wir liegen genau auf den Drogenrouten.

    Als 1999 Aids wie eine Schockwelle über Russland kam und die Sängerin Zemfira aus Ufa auf der europäischen Seite des Ural mit Ihrem Song "Spid" an die Öffentlichkeit ging, da gründete in Jekaterinburg, auf der anderen Seite des Ural, wo Asien beginnt der Ex-Junkie Andrej Kabanow den Verein "Stadt ohne Drogen". Da er selbst 11 Jahre an der Nadel gehangen und sich aus eigener Kraft davon befreit hatte, wusste er, wie es am besten geht, so meint er heute. Und es geht nach seiner Ansicht nur absolut brutal. Wer sich zum Entzug bei "Stadt ohne Drogen" anmeldet, der muss erst einmal durch die Hölle gehen. Andrej Kabanow beschreibt sie nüchtern.

    Der Entzug funktioniert bei uns so: Einen Monat lang legen wir sie in Fesseln. Drei mal am Tag gibt es Wasser und Brot, und am fünften Tag fangen sie an zu schlafen, obwohl wir ihnen keine Medikamente geben.

    Nach dieser martialischen Methode haben Andrej Kabanow und seine Kollegen von Stadt ohne Drogen bereits weit über hundert Junkies behandelt, vom 8jährigen bis zum 45jährigen. Bis auf vier seien sie nach der einjährigen Therapie auch clean geblieben. In Nachbarstädten wie dem trostlosen Nishni Tagil mit seiner hohen Arbeitslosigkeit und der entsprechend hohen Zahl jugendlicher Fixer, haben sich bereits Nachahmer der Null-Toleranz-Methode von "Stadt ohne Drogen" gefunden. In Jekaterinburg ist die Zahl der Drogentoten inzwischen rückläufig, ebenso wie die der HIV-Neuinfizierungen. Und Andrej Kabanow rühmt sich, zu dieser Entwicklung beigetragen zu haben. Auch weil sein Verein neben der Suchttherapie zusammen mit der Polizei konsequent Drogendealer jagt:

    HIV und Drogen hängen eng zusammen. Von unserer Klientel sind 29 Prozent infiziert. Wenn wir nicht mit dem Drogenproblem fertig werden, stecken wir uns am Ende alle an.

    Auch in Moskau die Zahl der HIV-Neuinfizierungen nach dem Schreckensjahr 1999 zurückgegangen. In der russischen Hauptstadt ist dies auf die für Russland keineswegs selbstverständliche Bereitschaft der örtlichen Behörden zurückzuführen, Aidsprogramme in ausreichendem Maße zu finanzieren. Der russische Staat lässt sich den Kampf gegen Aids nämlich nur 6 Millionen Dollar jährlich kosten, zum Vergleich: für den Kampf gegen Terrorismus sieht der neue Haushalt 100 Millionen Dollar vor. Es bleibt den Regionen allein überlassen, wie sie mit dem Aids-Problem fertig werden. Und so haben in manchen armen Ecken Russlands junge Fixer oder Prostituierte noch nie etwas von der Gefahr durch Aids oder HIV gehört, während sich das finanziell gut bestückte Moskauer Aids-Zentrum eine aufwendige Aufklärungs-Kampagne im Fernsehen leisten kann:

    O-Ton TV-Werbung: Was weißt du über AIDS? In Russland haben 96 Prozent der Infizierten Drogen genommen. Ungeschützter Sex, zufällige Partnerwahl, gebrauchte Spritzen - so kommt das Virus in dein Blut und zerstört dein Immunsystem. Wenn du dich rechtzeitig testen lässt und zum Arzt gehst, kannst du die Entwicklung von AIDS stoppen. Du musst keine Angst haben - aber du musst Bescheid wissen.

    Dank der finanziellen Unterstützung durch die Stadtverwaltung konnte das Aidszentrum Moskau die Zahl der Neuinfizierungen um 2.000 Fälle drosseln, von über 5.000 im Krisenjahr 1999 auf jetzt rund 3.000. Für die schon Infizierten ist eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet. Der 40jährige Alexej, der bereits seit 12 Jahren mit der Diagnose Positiv lebt, kommt regelmäßig zur ambulanten Therapie ins Moskauer Aidszentrum.

    Hier im Zentrum verschreiben sie mir die nötigen Medikamente, die bekomme ich kostenlos. Und ich kann nur hoffen, dass das auch so bleibt, denn die Behandlung, die ich brauche, kostet 1000 Dollar im Monat. Das kann ich mir natürlich nicht leisten, meine Rente beträgt ja nicht einmal 100 Dollar. Ohne die kostenlosen Medikamente hier würde ich nicht überleben.

    Von rund 11.000 Patienten, die das Moskauer Aids-Zentrum in seiner Kartei führt, erhalten zur Zeit 360 die teure Medikamententherapie. Jeder bekommt was er braucht. Und so bewertet Alexej seine Zukunftschancen durchaus positiv. Ganz anders dagegen die Situation in der armen Ostsee-Exklave Kaliningrad, wo die rasante Ausbreitung von Aids und HIV schon ein paar Jahre früher eingesetzt hatte, als im restlichen Russland. Auch hier ist dank intensiver Gegenmaßnahmen – vor allem im Bereich der Prävention – die Zahl der Neufälle wieder rückläufig. Doch für die teure Medikamentenbehandlung der bereits Infizierten reicht das regionale Budget nicht aus. Und so können die Ärzte im Kaliningrader Aidszentrum oft nur hilflos zusehen, wie sich der Zustand ihrer Patienten verschlechtert. Nur den allerschwächsten könne man die notwendige Hilfe geben, vor allem den Kindern, erklärt Chefärztin Tatjana Nikitina:

    Unsere Situation ist schwierig wie vielerorts. Aber drei Kinder, die sich im Mutterleib infiziert haben, bekommen immerhin eine Kombitherapie. Auch sieben Erwachsene können wir behandeln. Und für vier weitere Kinder suchen wir im Moment nach einer Lösung.

    Die Zahl der im Mutterleib infizierten Kinder hat sich in Russland in den letzten Jahren ebenfalls stark erhöht. Rund 3000 wurden dieses Jahr registriert, oft sind die Mütter Drogensüchtig und lassen die Babys nach der Geburt im Krankenhaus zurück, wo sie bis zum dritten Lebensjahr unter Beobachtung bleiben, und danach ins Waisenhaus gegeben werden. In diesem Zusammenhang bedauert die Kaliningrader Aids-Ärztin, dass ein staatliches Methadonprogramm zur Zeit noch nicht in Sicht ist. Es könnte den Müttern die Entscheidung für das Kind erleichtern:

    Leider hat unser Gesetzgeber Methadon als Droge definiert und damit verboten. Die Frage wird erörtert, aber bis zu einer Lösung müssen wir uns an die Gesetze halten. Nach meiner Ansicht verhilft Methadon den Drogensüchtigen zu einem Leben ohne Beschaffungskriminalität und verringert damit auch den Schaden für die Gesellschaft.

    Ein Methadonprogramm – sollte es der Gesetzgeber je möglich machen, würde aber auch wieder Geld kosten. Und daran mangelt es in Russland. Noch schlimmer als in den armen Regionen stellt sich die Lage in den russischen Gefängnissen dar. Aus dem aktuellen Jahresbericht des UN-Aids Programms geht hervor, dass sich die Seuche in den meist hoffnungslos überfüllten Haftanstalten rasant ausbreitet. Igor Ptschelin, Chefredakteur der Zweimonatszeitschrift Schritte, Schagi erhält 90 Prozent seine Leserbriefe von infizierten Häftlingen. Die meisten verbüßen wegen Drogenbesitzes - auch für kleine Mengen - langjährige Haftstrafen und fürchten angesichts der fürchterlichen Lebensbedingungen im Knast, nicht mehr lebend hinaus zu kommen:

    Die Diagnose HIV im Gefängnis zu bekommen ist noch schlimmer als draußen. Denn im Knast gibt es danach keine Betreuung, keine Medikamente oder eine spezielle Ernährung. Die Diagnose wird mitgeteilt und das wars. So dass die Krankheit im Gefängnis wesentlich schneller fortschreitet.

    Kein Wunder, dass ein Staat, der schon den meisten seiner in Anführungsstrichen unbescholtenen Bürger nicht helfen kann, an Verurteilten Straftätern erst recht spart. Eine Möglichkeit den einen wie den anderen zu helfen, wäre, für Russland Preisnachlässe in der Medikamententherapie auszuhandeln, wie Afrika und Lateinamerika das bereits erreicht haben. Die Vereinten Nationen unterstützen diese Idee. Eine amerikanische Firma hat ihre Preise für die Russische Föderation bereits gesenkt. Mit anderen Pharmaunternehmen wird noch verhandelt. Die Moskauer Nicht-Regierungs-Organisation Infoswjas, die auch die Zeitschrift Schagi herausgibt, versucht unterdessen die HIV-Infizierten in Russland über die Fortschritte der Medizin und die neuesten Behandlungsmethoden auf dem Laufenden zu halten. In der Zeitschrift sind jeweils einige Seiten neuen pharmazeutischen Produkten gewidmet:

    Auch wenn sich nur die allerwenigsten in Russland diese Medikamente leisten können, wollen wir doch zumindest umfassend über die bestehenden Möglichkeiten informieren. 14’20 Einige kritisieren uns dafür und sagen: Wenn ihr die teuren Medikamente vorstellt, ist es, als ob ihr euch über die Betroffenen lustig macht. Aber unsere Position ist, wir müssen über die Behandlungsmöglichkeiten informieren, für den Zugang dazu müssen die Aktivisten kämpfen.

    Die Aktivisten mühen sich unterdessen mit der inneren Einstellung nicht nur der russischen Haushaltspolitiker, sondern der Bevölkerung überhaupt ab. Für Russland besonders treffend richtet sich die neue Kampagne des UN-Aids-Programms gegen die Stigmatisierung und Diskriminierung von Aids-Kranken und HIV-Positiven. "Leben und leben lassen" so lautet das Motto, das als Plädoyer für Toleranz und Solidarität zu verstehen ist. Doch eben daran fehlt es in Russland noch immer, klagt Amir Tagijew vom Moskauer Jugendsozialprojekt Podwal, der viele HIV-Infizierte Freunde hat:

    In Russland ist es heute besser, nicht über seinen Status Bescheid zu wissen. Denn sobald andere es erfahren, wirst du ruck zuck aus der Gesellschaft ausgestoßen. In Moskau kann man sich ja noch verstecken. Aber... +Disk 1, Cut 2, 9’30: In den kleineren Städten zeigen dann alle mit dem Finger auf dich, du findest keine Arbeit keiner will mehr dir zu tun haben.

    Rechtliche Grundlagen gegen die Diskriminierung fehlen in Russland weitest gehend, und wo sie vorhanden sind, greifen sie nicht. Der Aufklärungsverein Infoswjas kann Anrufern seiner Telefonhotline nicht mehr als Trost spenden, bedauert Igor Ptschelin:

    Wenn ein Anrufer wegen Aids gekündigt wurde. Dem hätten wir vor 5-6 Jahren noch geraten, vor Gericht zu gehen. Aber jetzt nicht mehr. Das bringt nur Schwierigkeiten. Erstens wird durch das Gerichtsverfahren die Krankheit allgemein bekannt. Und die Arbeit verliert er trotzdem, weil der Arbeitgeber einen anderen Grund finden wird, ihn zu feuern. Es hängt vom Einzelnen ab, ob er das aushält.

    Valerij, 49 Jahre alt, Bootsingenieur aus Kaliningrad, bestätigt diese Einschätzung. Er hat sich wahrscheinlich vor fünf Jahren infiziert, vielleicht sogar auf der Reeperbahn. So genau weiß er das nicht, denn erst vor einem Monat erhielt er die Diagnose HIV-Positiv im Übergangsstadium zu Aids. Zur Behandlung kam er nach Moskau weil er anonym bleiben will. Das heißt aber auch, er ist allein:

    Es ist schwer, die Leute haben kein Verständnis. Vielleicht ist Russland doch zu sehr ein wildes asiatisches Land. Die Menschen sind hart Deswegen sage ich keinem, dass ich HIV-infiziert bin. Die Toleranz fehlt.

    Um die Toleranz zu fördern, bietet das Moskauer Jugendzentrum Podwal in seinem Kellergewölbe Schülerseminare an. Amir Tagijew leitet sie und kämpft dabei engagiert gegen die gängigen Vorurteile an:

    Wenn ich z.B. frage: Wer meint, dass Aids eingedämmt werden kann, wenn alle Infizierten in Reservate steckt? Dann stimmen sehr viele zu. Die sind doch selbst schuld, die Aidskranken, heißt es. Wenn wir sie wegschließen, bleiben wir wenigstens gesund. Im Gegenteil, erkläre ich wieder und wieder: Wenn sie weg sind, haben wir unser eigenes Verhalten noch nicht verändert, fühlen uns sicher, werden wieder unvorsichtiger und dann geht alles von vorne los. Und außerdem will ja wohl keiner von seiner Familie getrennt werden, wenn er so eine Diagnose erhält. Nein, das will tatsächlich kein Seminarteilnehmer.

    Seit fünf Jahren hat Podwal auch ein Theaterstück im Programm, gespielt von Eltern und Jugendlichen aus der Nachbarschaft. "WER ist der Nächste?" heißt es, und die Aufführungen im Kellergewölbe an der Ostoschenka-Straße im Moskauer Stadtzentrum ziehen stets viel Publikum an. Es geht um einen Jungen, der sich gleich beim ersten Sex mit einem Mädchen infiziert hat, die Freunde lassen ihn fallen, die Familie zerbricht, und er will sich aufhängen:

    Warum ausgerechnet ich? Warum hat dieser verdammte Herr Gott ausgerechnet mich ausgewählt? Warum? Da laufen so viele Menschen auf der Erde herum, und jeder meint, ihm könnte das nicht passieren. Aber es kann - und wie! Und niemand weiß, wer der Nächste ist.

    Geschrieben hat das Stück Julia Scheweljowa, die Leiterin von Podwal. Immer in Rücksprache mit infizierten Bekannten, die gegen checkten, ob der Plot realistisch ist. Leider hat "Wer ist der nächste" nichts von seiner Aktualität eingebüßt, bedauert Julia, denn immer noch verbreitet sich die Seuche in Russland rasend schnell, vor allem unter Jugendlichen. Trotz aller verfügbaren Informationen, trotz aller Aufklärungskampagnen. Das Jugendzentrum Podwal geht darum in seiner Arbeit einen anderen Weg. Es will Emotionen wecken:

    Fakten, kann man leicht vergessen, aber ein durchlebtes Gefühl bleibt in Erinnerung. Das ist es, was wir wollen. Ein emotionales Verständnis erreichen.

    Ein emotionales Verständnis, wie es vor drei Jahren die Sängerin Zemfira mit ihrem Song erreicht hatte, der wie ein verzweifelter Aufschrei klang und auch so wahrgenommen wurde: Du hast Aids, das heißt wir sterben.

    Der Song war damals gut und wichtig, weil er die Jugendlichen in Russland aufrüttelte. Erklärt Amir Tagijew vom Moskauer Jugendzentrum Podwal. Doch heute muss es darum gehen, Zemfiras Botschaft zurechtzurücken und immer darauf hinzuweisen, dass die Diagnose HIV eben nicht zwangsläufig den Tod bedeutet. Vorausgesetzt, dass wir die Kranken nicht ausschließen und damit zum gesellschaftlichen Tod verurteilen:

    Der einzige Unterschied zwischen mir und einem Infiziertem besteht darin, dass der Infizierte ein bisschen besser auf seine Gesundheit achten muss. Sonst ist da kein Unterschied. Denn ich weiß doch genauso wenig wie er, was mir morgen zustoßen kann. Wo also ist der Unterschied zwischen uns?