
Sankt Peter-Ording an der Schleswig-Holsteinischen Westküste ist bekannt für seinen kilometerlangen Strand, seine historischen Pfahlbauten und das Weltkulturerbe "Wattenmeer". Aber nur wenige wissen, dass sich hier - von Nordseewellen angespült - das ergiebigste Revier für das "Gold des Meeres" befindet: Bernstein. Jahrtausendelang fasziniert der honigfarbene Stein den Menschen. Schon in der Steinzeit wurde Bernstein zu Schmuck verarbeitet. Wie das fossile, versteinerte Harz der Nadelbäume bearbeitet wird, das weiß niemand besser als Boy Jöns. Den letzten Bernsteinschleifer Nordwestdeutschlands haben Saskia Guntermann und Michael Marek besucht.
"Die Nordsee holt sich alles, was nicht niet- und nagelfest ist!"
"Die Nordsee holt sich alles, was nicht niet- und nagelfest ist!"
Wattlandschaft seit 2009 UNESCO Weltnaturerbe
Sagt Constance Höfinghoff und meint damit: Wenn die Flut kommt, dann heißt es: Vorsicht! Wenn das Wasser rasend schnell zurückkehrt, dann nimmt es alles mit, was nicht fest verankert ist. Die Tourismusdirektorin arbeitet in Sankt Peter-Ording an der deutschen Nordseeküste: Das Kurheilbad - etwa 150 Kilometer nordwestlich von Hamburg entfernt - liegt am Rande der größten zusammenhängenden Wattlandschaft der Welt. Seit 2009 gehört sie zum UNESCO Weltnaturerbe:
"Es ist einzigartig in der Welt. A von der Größe, aber auch von der Biodiversität, alles was die Tiere und die Pflanzen angeht. Am besten kann man das erfahren, wenn man auf einer Wattwanderung ist. Es gibt hier die schnellste Schnecke der Welt. Es gibt die Herzmuschel, es gibt den Wattwurm, der diese Spaghetti-Sandhaufen macht."
Dazu kommen Seehunde, Kegelrobben, Schweinswale, 100.000 Krebse pro Quadratmeter, 12 Millionen rastende Zugvögel. Insgesamt leben hier 10.000 Tier- und Pflanzenarten. Doch Sankt Peter-Ording ist auch bekannt für seinen kilometerlangen Strände und Sandbänke, sein Kitesurf-Revier und seine "Pfahlbauten":
Dazu kommen Seehunde, Kegelrobben, Schweinswale, 100.000 Krebse pro Quadratmeter, 12 Millionen rastende Zugvögel. Insgesamt leben hier 10.000 Tier- und Pflanzenarten. Doch Sankt Peter-Ording ist auch bekannt für seinen kilometerlangen Strände und Sandbänke, sein Kitesurf-Revier und seine "Pfahlbauten":
"Das sind Häuser auf Stelzen. Das heißt, wir haben ganz große Baumstämme in den Sand gerammt, also der muss aufgespült werden und dann diese Holzstämme müssen in den Sand eingespült werden und die Holzpfähle eingerammt werden. Und dann wird auf diesen Stelzen ein Haus gebaut. Und wenn dann die Flut kommt, dann hat man trockene Füße. "
Die Baumstämme oder Pfähle stecken rund fünf Meter tief im Untergrund, die Restaurants liegen bis zu acht Meter hoch über dem Sand. Und die schräg befestigten Querbalken sind keine Laune des Zimmermanns, sondern sollen im Winter Eisschollen ablenken. Die Aufteilung der Pfahlbauten ist immer gleich: Es gibt pro Bau drei Einheiten nebeneinander hoch über dem Meeresboden - ein Restaurant, eine Badeaufsicht mit der Strandkorbermietung und eine Sanitäranlage.
Die Baumstämme oder Pfähle stecken rund fünf Meter tief im Untergrund, die Restaurants liegen bis zu acht Meter hoch über dem Sand. Und die schräg befestigten Querbalken sind keine Laune des Zimmermanns, sondern sollen im Winter Eisschollen ablenken. Die Aufteilung der Pfahlbauten ist immer gleich: Es gibt pro Bau drei Einheiten nebeneinander hoch über dem Meeresboden - ein Restaurant, eine Badeaufsicht mit der Strandkorbermietung und eine Sanitäranlage.
"Früher hießen die Giftbuden - aus dem Plattdeutschen: Hier geevt dat wat! Also hier gibt es was zu essen, zu trinken. Und die Pfahlbauten sind jetzt weit über 150 Jahre in St. Peter-Ording."
Ein Schild steckt im Sand: "Baden an und unter den Pfahlbau verboten!" Und das ist auch der Grund, warum die Hütten der Badeaufsicht und die Restaurants auf Holstelzen stehen: Sie sind stark flutgefährdet. Hoch über dem Meer aber trotzen sie der Flut und bieten Gästen zudem einen wunderschönen, weiten Blick über die Nordsee. So wurden die maritimen Bauten zum Wahrzeichen des Ortes:
Ein Schild steckt im Sand: "Baden an und unter den Pfahlbau verboten!" Und das ist auch der Grund, warum die Hütten der Badeaufsicht und die Restaurants auf Holstelzen stehen: Sie sind stark flutgefährdet. Hoch über dem Meer aber trotzen sie der Flut und bieten Gästen zudem einen wunderschönen, weiten Blick über die Nordsee. So wurden die maritimen Bauten zum Wahrzeichen des Ortes:
"Wind, Sand, Salz nagt natürlich an den Materialien, sodass die Gemeinde Sankt Peter-Ording permanent dabei ist, das zu erhalten. Manchmal muss man wieder neu bauen"
Weil das Holz morsch geworden ist. Heute kann sich die Gemeinde das leisten, weil sie reich wurde durch den Badetourismus. Das war nicht immer so, erklärt Peter Bothe, Leiter des regionalen Museums. Vom Armenhaus zum Badeparadies, das war ein langer Weg:
"Es ist so gewesen, dass bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Ortschaften Sankt Peter und Ording wirklich die Armenhäuser hier waren. Das Geld verdienten die Großbauern und Sankt Peteraner und Ordinger mussten sich als Knechte verdingen - arme Leute ohne Rechte in einer unwirtlichen Gegend damals. Es gab nur Wasser, die Dünen und schlechten Boden. Und das war's bis 1877 und dann kamen zwei Leute auf die Idee, ein Hotel zu errichten."
Weil das Holz morsch geworden ist. Heute kann sich die Gemeinde das leisten, weil sie reich wurde durch den Badetourismus. Das war nicht immer so, erklärt Peter Bothe, Leiter des regionalen Museums. Vom Armenhaus zum Badeparadies, das war ein langer Weg:
"Es ist so gewesen, dass bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Ortschaften Sankt Peter und Ording wirklich die Armenhäuser hier waren. Das Geld verdienten die Großbauern und Sankt Peteraner und Ordinger mussten sich als Knechte verdingen - arme Leute ohne Rechte in einer unwirtlichen Gegend damals. Es gab nur Wasser, die Dünen und schlechten Boden. Und das war's bis 1877 und dann kamen zwei Leute auf die Idee, ein Hotel zu errichten."
Bernstein "macht süchtig"
Und damit begann der Aufstieg von Sankt Peter-Ording zum Heil- und Kurbad. Heute sind es knapp 900.000 Gäste jährlich, die den Ort besuchen. Aber nur wenige wissen, dass sich hier - von Nordseewellen angespült - das ergiebigste Revier für das "Gold des Meeres" befindet: Bernstein.
"Erst holt der Mann den Bernstein und dann der Bernstein den Mann! Das sagt schon alles. Man wird süchtig, das ist ein Virus!"
Bei Boy Jöns dreht sich alles um das Gold des Meeres. Jöns ist Bernsteinschleifer in der dritten Generation. Schon als kleiner Junge stromerte er fast täglich am Strand von Sankt Peter-Ording entlang - auf der Suche nach dem Edelstein aus Harz:
Bei Boy Jöns dreht sich alles um das Gold des Meeres. Jöns ist Bernsteinschleifer in der dritten Generation. Schon als kleiner Junge stromerte er fast täglich am Strand von Sankt Peter-Ording entlang - auf der Suche nach dem Edelstein aus Harz:
"Wie viele Bernsteine haben Sie denn in der Hosentasche? "
"Immer so ein, zwei - das ist wenig -, die habe ich immer bei mir, trage aber keinen Schmuck!"
Seit tausenden von Jahren fasziniert der Bernstein den Menschen. Schon in der Steinzeit war er ein begehrter Schmuckstein: Bernstein entstand ungefähr zu der Zeit, als die Dinosaurier ausstarben, er glänzt wie Gold, ist leicht, und wer einen guten "Bernstein-Blick" hat, der findet ihn mit etwas Glück nach einem Sturm im Watt. Nirgendwo geht das besser als in Sankt Peter-Ording - einem wahren Paradies für Bernsteinsammler: Jährlich werden hier etwa 100 Kilogramm Bernstein gefunden, das entspricht fast der Hälfte der jährlichen Fundmenge an Deutschlands Küsten, weiß Boy Jöns:
"Ich würde mich schon als Bernsteinschleifer bezeichnen, aber es hört sich so trivial an. Der eigentliche Beruf, den gab es, war Bernsteindrechsler, Drechslermeister, aber leider ist dieser Beruf 1945 in Königsberg untergegangen. Ein ostdeutscher Beruf, der im Westen und in den neuen Bundesländern nicht wieder hat aufleben können. Ich habe es gelernt in learning-by-doing."
Bernsteinbearbeitung wanderte nach China ab
Jöns ist der letzte Bernsteinschleifer Norddeutschlands. In Jeanshose, weißem T-Shirt und dunkelgrünem Hemd steht er vor da; krauses Haar, schwarze, wuschige Augenbrauen - gestenreich und engagiert erzählt der 53-Jährige:
"Wir leben in einer arbeitsteiligen Welt. Es ist dann ganz schade, dass ein Handwerk verschwindet. Wir kennen das ja in ganz vielen Bereichen, dass das da hinwandert, wo Handarbeit eben günstiger ist. Und so ist die Bernsteinbearbeitung leider nach China gegangen im großen Stil in den letzten 10 Jahren. Nichts gegen die Chinesen, aber es ist so, dass handwerkliche Feinheiten, Finesse in dieser Massenfertigung verloren gehen."
Evolutionsgeschichte im versteinertem Harz
Zur Werkstatt gehört ein kleines Museum. In einem der Räume steht ein kleiner künstlicher Kiefernwald: der Bernsteinwald. Dunkel ist es hier, in den ausgehöhlten Baumstämmen glänzen und funkeln die Steine. Angefangen hatte alles vor etwa 50 Millionen Jahren: Aus den Nadelbäumen tropfte klebriger Harz, der in Millionen von Jahren zu Bernstein erstarrte. Als der zähe Baumsaft langsam herabfloss, verfing sich auch manches Insekt darin und wurden mit dem Harz versteinert. Solche Fundstücke begeistern die Schulkinder, die staunend im Bernsteinwald stehen:
"Da sind Mücken drinnen!"
"Das Faszinierende daran ist die Vorstellung, dass ich hier Leben habe. Spannend finde ich die Evolutionsgeschichte, die man daran nachvollziehen kann. Die Mücke im Bernstein sieht genauso aus wie die Mücke heutzutage, genauso. Und das, obwohl die Mücke nur eine Woche für den Generationswechsel braucht. Mutationen ohne Ende wären möglich. Erklärung: Die Mücke, für das, was die Mücke tun sollte, war sie damals schon perfekt und ist sie heute erst recht."
Aus Brennstein wird Bernstein
Bernstein hat in den letzten Jahren enorm an Wert gewonnen und ist mittlerweile fast doppelt so teuer wie Gold. Grund dafür ist die hohe Nachfrage aus dem Ausland, vor allem aus Asien: Viele Chinesen interessieren sich für helle, gelbe Töne. Gelb gilt in China als Farbe des Wohlstands. Wen wundert es, dass die honigfarbenen Bernsteine gern gefälscht werden. Relativ einfach lassen sich aus Kunstharzen bernsteinähnliche Erzeugnisse herstellen. Diese sind für den Laien nur schwer von echtem Bernstein zu unterscheiden. Um herauszufinden, was echt ist und was nicht, gibt es aber eine einfache Methode, so Jöns:
"Das schönste Experiment, was man machen kann, ist: Ich zünde ihn an, das mache ich auch am Strand, um zu entscheiden, habe ich einen Bernstein gefunden oder nicht, aber das macht man natürlich nicht, denn dann ist der Bernstein ja verbrannt. Da kommt der Name auch her: Brennstein, zweite Lautverschiebung deutsche Muttersprache - aus Brennstein wird Bernstein."
Bernstein ist also entzündlich. Doch wer möchte schon seine Wertanlage einfach verbrennen? Trotzdem zündet Jöns in seiner Werkstatt einen Bernstein mit seinem Feuerzeug an. Es lodert, es qualmt und ein beißender Geruch breitet sich aus. Unwillkürlich rümpft man die Nase. Dagegen entfaltet Bernstein beim Schleifen und Bearbeiten einen angenehmen Duft, denn die ätherischen Öle des Baumharzes sind über die Jahrmillionen immer noch konserviert:
Bernstein ist also entzündlich. Doch wer möchte schon seine Wertanlage einfach verbrennen? Trotzdem zündet Jöns in seiner Werkstatt einen Bernstein mit seinem Feuerzeug an. Es lodert, es qualmt und ein beißender Geruch breitet sich aus. Unwillkürlich rümpft man die Nase. Dagegen entfaltet Bernstein beim Schleifen und Bearbeiten einen angenehmen Duft, denn die ätherischen Öle des Baumharzes sind über die Jahrmillionen immer noch konserviert:
"Ganz normal nur ein Stück Bernstein, dann will ich den ein wenig anschleifen- angenehmer Geruch, harziger Geruch, genau!"
Mit Zahnpasta und Baumwolle
Mehrere Schleifmaschinen stehen in der Werkstatt von Boy Jöns, neben Bohrmaschinen und elektrischen Sägen. Überall liegen rohe Bernsteine nach Größe und Farbe sortiert herum.
"Das ist im Grunde der letzte Arbeitsschritt nach dem groben Vorschliff, Feinschliff bin ich jetzt am Polieren, an der Poliermaschine. Das ist eine Baumwollscheibe. Hier kann man sehr schnell einen Traumglanz aus dem Bernstein herauskitzeln."
Poliert wird mit Zahnpasta, geschliffen mit grobem Sandpapier, um vorsichtig die äußerste Schicht des Steins zu entfernen. Anschließend wäscht Jöns die Steine. Aus dem matten Material sind am Ende glänzende, wie Edelsteine funkelnde Schmuckstücke entstanden. Am Ende des Besuchs bleibt die Frage: Was ist für Jöns das Geheimnis der Bernsteine?
Poliert wird mit Zahnpasta, geschliffen mit grobem Sandpapier, um vorsichtig die äußerste Schicht des Steins zu entfernen. Anschließend wäscht Jöns die Steine. Aus dem matten Material sind am Ende glänzende, wie Edelsteine funkelnde Schmuckstücke entstanden. Am Ende des Besuchs bleibt die Frage: Was ist für Jöns das Geheimnis der Bernsteine?
"Man muss sie nur lieben! Hass-Liebe? Nein! Es gibt keine Hass-Liebe, es gibt eigentlich nur Liebe. Das hier ist ein toller Naturraum und genau da ringen Sie der Natur etwas ab, einen Stein, einen Bernstein!"