Beatrix Novy: Jeder hatte wohl gestern das Gefühl, dass mit dem Tod von Berthold Beitz wirklich ein Stück Geschichte zu Ende ging – nicht nur, weil er fast ein Jahrhundert alt geworden wäre. Seit 1967, als das Stammkapital der Firma in die gemeinnützige Stiftung Alfried Krupp von Bohlen und Halbach eingeflossen war, ist der Name Beitz mit Krupp und der Stiftung verschmolzen. Und diese Stiftung hat seit ihrer Gründung wohl eine halbe Milliarde in die Förderung von Wissenschaft, Sport, Bildung, Forschung gesteckt – und in die Kultur. Da ist unter anderem der Neubau zum Folkwang-Museum zu nennen. Hören wir doch noch einmal, was der Essener OB Paß damals sagte.
Reinhard Paß: "Herr Professor Beitz, ich danke Ihnen und der Stiftung von ganzem Herzen für dieses großzügige Geschenk an die Menschen in unserer Stadt. Sie haben mit Ihrer Gabe ein Zeichen gesetzt für Kunst, und gleichzeitig und nachhaltig Ihre Verbundenheit mit der Stadt Essen und Ihren Bürgerinnen und Bürgern Ausdruck verliehen."
Novy: Und jetzt hören wir noch einmal Berthold Beitz selbst, wie er damals reagierte.
Berthold Beitz: "Schöner Tag, schöner Sonnenschein, und dazu für mich so die Erfüllung meines Traums."
Novy: Nämlich der Neubau zum Folkwang-Museum. Hartwig Fischer, heute ist er Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlung Dresden, war einmal ein Essener, nämlich damals der Leiter des Folkwang-Museums. Berthold Beitz und er haben über diese kulturelle Großtat, kann man schon sagen, des letzten Jahrzehnts zusammengefunden. Wie das zuging, als Fischer 2006 sein Amt in Essen antrat, das schildert er jetzt selbst.
Hartwig Fischer: Nun, ich hatte das Glück, Berthold Beitz gleich am Anfang besuchen zu können. Es ergab sich gleich ein sehr offener, lebendiger Kontaktaustausch, und ich war sehr beeindruckt natürlich von Berthold Beitz, von dem ich viel gehört hatte, von seiner Offenheit, von seiner Direktheit, von seiner Souveränität und von seiner Geistesgegenwart, seiner Neugier. Er wollte wissen, wie ich die Situation in Dresden einschätze – es stand damals ja auch noch die Entscheidung aus, ob Essen und das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas werden –, all das interessierte ihn sehr. Und ich habe ihm in den darauffolgenden Monaten in Abständen aufgesucht zum Gespräch und habe ihn einfach informiert über die Situation. Die hofften natürlich alle, vor allem, nachdem die positive Entscheidung für Essen und das Ruhrgebiet gefallen war, dass es uns gelingen würde, bis 2010 einen Neubau, der dringendst notwendig war, realisieren könnten. Und wie immer bei großen Kulturprojekten in Essen richten sich die Hoffnungen auf den Hügel, also auf den Sitz der Kruppstiftung, auf Berthold Beitz.
Und so war das natürlich auch hier, und das wusste er auch. Und dann geschah es, dass ich auf einer Dienstreise in London von ihm einen Anruf erhielt, das war am 23. August 2006 morgens, wo er mir sagte: Ah, Sie sind in London, also es hätte eigentlich für Sie von Interesse sein können, sich morgen Mittag in meinem Büro einzufinden. Mehr hat er nicht gesagt. Ich habe dann alle Flüge umgebucht natürlich, bin mit meiner Frau zurückgeflogen nach Essen und kam dann pünktlichst um zwölf bei ihm an, direkt vom Flughafen, und er wartete, dass ich mich hinsetzte, guckte mich an und sagte dann: Ich wollte Ihnen eigentlich nur sagen, dass die Krupp-Stiftung als alleinige Förderin den Neubau des Museums Folkwang finanzieren wird. Kurze Pause – und dann sagte er: So, und jetzt gehen wir zur Pressekonferenz.
Er hatte das alles mit einer unglaublichen Geschwindigkeit erstens durch das Kuratorium gebracht, hatte eine einstimmige Entscheidung herbeigeführt und hatte das dann generalstabsmäßig vorbereitet. Und alles Weitere entwickelte sich dann ganz schnell: Die Stadt lobte den Wettbewerb aus, Chipperfield gewann den Wettbewerb mit einem großartigen Projekt, und es gelang dann, dieses Gebäude, was ja ganz ungewöhnlich ist – ein hervorragendes Gebäude, ein sehr komplexes Gebäude –, in kürzester Zeit zu planen und in weniger als zwei Jahren zu bauen. Das war, glaube ich, genau wie die Fördersumme, die die Stiftung gab, die größte, die sie, glaube ich, jemals gesprochen hat, und die größte, die irgendeine Stiftung jemals in der deutschen Museumsgeschichte für ein solches Haus gegeben hat, das war alles völlig außergewöhnlich – ein großartiges Erlebnis zu sehen, wie Berthold Beitz dafür gesorgt hat, dass auch umgesetzt wird, was er wollte. Er hatte gesagt: Ich möchte große Architektur, ich möchte, dass der Bau 2010 fertig wird, ich möchte, dass die Stadt Essen sich jederzeit um den perfekten Erhalt des Gebäudes kümmert und sich dazu auch vertraglich verpflichtet, und viertens, ihr bekommt keinen Cent mehr.
Novy: Wie war seine persönliche Beziehung zu diesem … zur Kunst und zu diesem Bau? Hat er sich weiterhin noch eingemischt beziehungsweise mit begleitet aktiv, und mit Ihnen darüber gesprochen, was da passierte?
Fischer: Ja, Herr Beitz wollte über alles Wesentliche genau informiert sein. Er hatte einen ganz klaren Sinn für die Bedeutung dieses Projektes, für das, was das für die Stadt und für die Region bedeuten würde. Er selbst sprach davon, mit dem, was die Kruppstiftung, was er mit seinen Entscheidungen für Essen gemacht hat, das betrifft auch die Villa Hügel, natürlich, es betrifft auch die neue Hauptverwaltung in Essen, dass er der Stadt ein etwas feineres Profil geben wollte.
Und wir wussten auch alle, er ist jemand, der sich für Kunst begeistert – vor allem die Expressionisten liebte–, der selbst auch sammelte. Wir wussten auch, dass er einen ganz wachen Sinn für moderne Architektur hatte. Er war befreundet mit einem der größten Architekten des 20. Jahrhunderts, Mies van der Rohe, und als ich Chipperfield nach dem Ergebnis des Wettbewerbs Berthold Beitz auf dem Hügel, in der Villa Hügel aufsuchte, sein Büro aufsuchte, hatte er die Pläne von Mies aufgehängt mit Chipperfield, die Mies Anfang der 60er-Jahre gezeichnet hatte für die geplante, aber nie realisierte neue Hauptverwaltung von Krupp.
Novy: Ein Kunstförderer wie aus alten aristokratischen Zeiten, könnte man sagen, Berthold Beitz. Und das war Hartwig Fischer, Generaldirektor der staatlichen Museen Dresden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Reinhard Paß: "Herr Professor Beitz, ich danke Ihnen und der Stiftung von ganzem Herzen für dieses großzügige Geschenk an die Menschen in unserer Stadt. Sie haben mit Ihrer Gabe ein Zeichen gesetzt für Kunst, und gleichzeitig und nachhaltig Ihre Verbundenheit mit der Stadt Essen und Ihren Bürgerinnen und Bürgern Ausdruck verliehen."
Novy: Und jetzt hören wir noch einmal Berthold Beitz selbst, wie er damals reagierte.
Berthold Beitz: "Schöner Tag, schöner Sonnenschein, und dazu für mich so die Erfüllung meines Traums."
Novy: Nämlich der Neubau zum Folkwang-Museum. Hartwig Fischer, heute ist er Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlung Dresden, war einmal ein Essener, nämlich damals der Leiter des Folkwang-Museums. Berthold Beitz und er haben über diese kulturelle Großtat, kann man schon sagen, des letzten Jahrzehnts zusammengefunden. Wie das zuging, als Fischer 2006 sein Amt in Essen antrat, das schildert er jetzt selbst.
Hartwig Fischer: Nun, ich hatte das Glück, Berthold Beitz gleich am Anfang besuchen zu können. Es ergab sich gleich ein sehr offener, lebendiger Kontaktaustausch, und ich war sehr beeindruckt natürlich von Berthold Beitz, von dem ich viel gehört hatte, von seiner Offenheit, von seiner Direktheit, von seiner Souveränität und von seiner Geistesgegenwart, seiner Neugier. Er wollte wissen, wie ich die Situation in Dresden einschätze – es stand damals ja auch noch die Entscheidung aus, ob Essen und das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas werden –, all das interessierte ihn sehr. Und ich habe ihm in den darauffolgenden Monaten in Abständen aufgesucht zum Gespräch und habe ihn einfach informiert über die Situation. Die hofften natürlich alle, vor allem, nachdem die positive Entscheidung für Essen und das Ruhrgebiet gefallen war, dass es uns gelingen würde, bis 2010 einen Neubau, der dringendst notwendig war, realisieren könnten. Und wie immer bei großen Kulturprojekten in Essen richten sich die Hoffnungen auf den Hügel, also auf den Sitz der Kruppstiftung, auf Berthold Beitz.
Und so war das natürlich auch hier, und das wusste er auch. Und dann geschah es, dass ich auf einer Dienstreise in London von ihm einen Anruf erhielt, das war am 23. August 2006 morgens, wo er mir sagte: Ah, Sie sind in London, also es hätte eigentlich für Sie von Interesse sein können, sich morgen Mittag in meinem Büro einzufinden. Mehr hat er nicht gesagt. Ich habe dann alle Flüge umgebucht natürlich, bin mit meiner Frau zurückgeflogen nach Essen und kam dann pünktlichst um zwölf bei ihm an, direkt vom Flughafen, und er wartete, dass ich mich hinsetzte, guckte mich an und sagte dann: Ich wollte Ihnen eigentlich nur sagen, dass die Krupp-Stiftung als alleinige Förderin den Neubau des Museums Folkwang finanzieren wird. Kurze Pause – und dann sagte er: So, und jetzt gehen wir zur Pressekonferenz.
Er hatte das alles mit einer unglaublichen Geschwindigkeit erstens durch das Kuratorium gebracht, hatte eine einstimmige Entscheidung herbeigeführt und hatte das dann generalstabsmäßig vorbereitet. Und alles Weitere entwickelte sich dann ganz schnell: Die Stadt lobte den Wettbewerb aus, Chipperfield gewann den Wettbewerb mit einem großartigen Projekt, und es gelang dann, dieses Gebäude, was ja ganz ungewöhnlich ist – ein hervorragendes Gebäude, ein sehr komplexes Gebäude –, in kürzester Zeit zu planen und in weniger als zwei Jahren zu bauen. Das war, glaube ich, genau wie die Fördersumme, die die Stiftung gab, die größte, die sie, glaube ich, jemals gesprochen hat, und die größte, die irgendeine Stiftung jemals in der deutschen Museumsgeschichte für ein solches Haus gegeben hat, das war alles völlig außergewöhnlich – ein großartiges Erlebnis zu sehen, wie Berthold Beitz dafür gesorgt hat, dass auch umgesetzt wird, was er wollte. Er hatte gesagt: Ich möchte große Architektur, ich möchte, dass der Bau 2010 fertig wird, ich möchte, dass die Stadt Essen sich jederzeit um den perfekten Erhalt des Gebäudes kümmert und sich dazu auch vertraglich verpflichtet, und viertens, ihr bekommt keinen Cent mehr.
Novy: Wie war seine persönliche Beziehung zu diesem … zur Kunst und zu diesem Bau? Hat er sich weiterhin noch eingemischt beziehungsweise mit begleitet aktiv, und mit Ihnen darüber gesprochen, was da passierte?
Fischer: Ja, Herr Beitz wollte über alles Wesentliche genau informiert sein. Er hatte einen ganz klaren Sinn für die Bedeutung dieses Projektes, für das, was das für die Stadt und für die Region bedeuten würde. Er selbst sprach davon, mit dem, was die Kruppstiftung, was er mit seinen Entscheidungen für Essen gemacht hat, das betrifft auch die Villa Hügel, natürlich, es betrifft auch die neue Hauptverwaltung in Essen, dass er der Stadt ein etwas feineres Profil geben wollte.
Und wir wussten auch alle, er ist jemand, der sich für Kunst begeistert – vor allem die Expressionisten liebte–, der selbst auch sammelte. Wir wussten auch, dass er einen ganz wachen Sinn für moderne Architektur hatte. Er war befreundet mit einem der größten Architekten des 20. Jahrhunderts, Mies van der Rohe, und als ich Chipperfield nach dem Ergebnis des Wettbewerbs Berthold Beitz auf dem Hügel, in der Villa Hügel aufsuchte, sein Büro aufsuchte, hatte er die Pläne von Mies aufgehängt mit Chipperfield, die Mies Anfang der 60er-Jahre gezeichnet hatte für die geplante, aber nie realisierte neue Hauptverwaltung von Krupp.
Novy: Ein Kunstförderer wie aus alten aristokratischen Zeiten, könnte man sagen, Berthold Beitz. Und das war Hartwig Fischer, Generaldirektor der staatlichen Museen Dresden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.