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Bejubeln oder vergessen?

Großbritannien hat am vergangenen Wochenende nach viereinhalb Jahren die militärische Kontrolle über die süd-irakische Provinz Basra den irakischen Sicherheitskräften übergeben. Basra war die letzte von vier Provinzen unter der Kontrolle der Briten. Mit diesem Schritt rückt der endgültige Abzug britischer Soldaten aus dem Irak immer näher. In Großbritannien fragt man sich jetzt, wie mit dem Ende dieses Einsatzes umgegangen werden soll. Tobias Armbrüster berichtet.

Von Tobias Armbrüster |
    Rund zweieinhalbtausend britische Soldaten werden in den kommenden drei Monaten aus dem Irak nach Großbritannien zurückkehren. Mehrere Tausend sind schon in den letzten Monaten nach Hause gekommen. Aber in Großbritannien bekommt man wenig mit von den Rückkehrern. Denn die Zeitungen drucken nur sporadisch Bilder von Familienvätern in Uniform, die Frau und Kinder in die Arme nehmen. Der britische Armee-Chef, General Richard Dannatt, hat sich vor wenigen Wochen in einer öffentlichen Rede über diesen Umgang mit seinen Soldaten beschwert.

    "Ich mache mir Sorgen, um den wachsenden Graben, der sich auftut zwischen unseren Streitkräften und der Bevölkerung. Mich stört vor allem, wie unsere Soldaten in der Öffentlichkeit angesehen und behandelt werden. In Amerika bekommen Soldaten Ermäßigungen bei vielen Unternehmen, Sport-Teams geben kostenlose Tickets aus und wild fremde Menschen schütteln Uniformierten die Hand. So was würde ich mir auch in Großbritannien wünschen."

    Öffentliche Willkommens-Paraden für heimkehrende Soldaten sind in Grossbritrannien traditionell eine Ausnahme. Viele Briten sehen so etwas als übertrieben militaristisch an. Der Einsatz im Irak ist außerdem für viele Bürger längst abgehakt . Nach fast fünf Jahren haben sich britische Fernsehzuschauer an die Standard-Berichte aus Bagdad und Basra gewöhnt. Und die Ablehnung gegen diesen Einsatz ist noch immer groß.

    "Ich glaube, wir versuchen doch alle, diesen Krieg so schnell wie möglich zu vergessen. Es ist einfach schiefgelaufen. Und ich finde es traurig, dass es immer noch Politiker gibt, die sagen, dass es richtig war, dabei mitzumachen.

    Man sollte die Leistung unserer Soldaten schon irgendwie anerkennen, aber so eine Parade kann ich mir nur schwer vorstellen. Insgesamt war dieser Einsatz ein trauriger Fehler."

    Einer, der den Krieg und die Heimkehr selbst erlebt hat, ist Steven McLaughlin. Er hat als Soldat im Irak gedient, kurz nach der Invasion im Frühjahr 2003. Anschließend hat er ein Buch über seine Erfahrungen als Brite in Uniform geschrieben.

    "In den Augen der Öffentlichkeit sind wir kein Land, das sich im Krieg befindet. Die Bürger sehen dies als einen Krieg der Armee, nicht als einen Krieg der irgendetwas mit der Bevölkerung zu tun hat. Es ist ein Krieg von Tony Blair und Gordon Brown. Die haben das Problem, nicht etwa die britische Öffentlichkeit."

    Allerdings wird sich der Krieg nicht lange aus der öffentlichen Wahrnehmung ausblenden lassen. Hunderte von Soldaten haben den Irak mit einer schweren Behinderung verlassen. Sie und ihre Familien werden über Jahrzehnte hinweg Unterstützung brauchen. Noch nicht absehbar sind die psychischen Schäden, die die heimkehrenden Soldaten aus dem Irak mitbringen. Combat Stress ist eine Organisation, die traumatisierte Soldaten behandelt. Walter Busuttil ist der medizinische Direktor.

    "Soldaten werden mit Kriegserlebnissen besser fertig, wenn sie den Eindruck haben, dass die Gesellschaft hinter ihnen steht. Soldaten im Allgemeinen sprechen nur ungern über Kriegserlebnisse, weil sie immer befürchten, dass sie anderen Menschen damit Angst machen könnten. Beim Irak-Krieg sehen wir, dass die Bürger ziemlich ignorant sind, deshalb fehlt jede Grundlage für ein gegenseitiges Verständnis. Eigentlich möchte niemand darüber reden."

    Viele Briten zeigen ihre Unterstützung für die Streitkräfte allerdings auf anderen Wegen, etwa mit selbstgemachten Video-Clips auf Youtube oder mit Webseiten wie "Buy the boys a beer". Dort können Internet-User einem Soldaten im Irak ein Bier spendieren. Offen bleibt, ob den heimkehrenden Soldaten ein solches typisch britisches Augenzwinkern genügt. Zahlreiche Militär-Experten sagen, die Moral in den Streitkräften sei auf einem Tiefpunkt - und möglicherweise braucht die Armee lange, um sich zu erholen - nicht nur von ihrem Einsatz im Irak, sondern auch von der Art und Weise, wie sie in der Heimat empfangen wurde.