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Bekleidungsindustrie
Mit Laserlicht Körper vermessen

Das Ziel war die perfekt sitzende Kleidung: Vor elf Jahren wurde mit viel Buhei eine Laserlicht-Messkabine vorgestellt, in der die Körpermaße von Verbrauchern innerhalb weniger Sekunden ermittelt werden. Zwar gibt es bereits kommerzielle Anwendungen für die Technologie, der große Durchbruch gelang bislang aber nicht.

Von Volker Mrasek | 07.04.2015
    Der Angestellte der Firma Human Solution, Stefan Sommer, wird in Kaiserslautern von einem Körperscanner des Unternehmens abgetastet (Foto vom 05.01.2007)
    Die Erfassung der Körperkonturen geschieht per Laserscan schnell und berührungslos. Dennoch konnte sich die Technologie bislang nicht durchsetzen. (picture-alliance/ dpa - Reiner Voß)
    "Jetzt starten wir die Software. So, dann würde ich Sie bitten, einfach mal in den Scanner zu treten. Stellen Sie sich in die Mitte auf die Plattform, mit dem Gesicht nach vorne. Ganz ruhig weiteratmen! Also, der Scanner steht im Bekleidungsgeschäft. Sie als Kunde gehen dort hin. Es gibt diese Umkleidekabine. Sie gehen da kurz rein, ziehen sich dort aus, stellen sich dort hin. Sieben, acht Sekunden später ist das ganze Thema erledigt, Sie sind exakt vermessen. So, das war's schon!"
    Eine echt flotte Vorführung bei der Software-Firma Human Solutions in Kaiserslautern. Nicht der Schneider legt hier Maß an, sondern ein Körperscanner.
    "Wir können bis zu 150 Körpermaße vollautomatisch abnehmen. Die schicken wir automatisiert übers Internet an den Hersteller. Und der produziert dann wirklich mit diesen Maßen sofort Ihren Maßanzug. Und der Maßanzug wird dann zum Händler geschickt. Und der Händler liefert ihn dann an den Kunden aus."
    Die Erfassung der Körperkonturen - sie läuft nicht nur schnell, sondern auch völlig berührungslos, wie Geschäftsführer Andreas Seidl erläutert:
    "Ein Laserlicht wird auf den Kunden projiziert. Und dieses Laserlicht wird verschoben über den ganzen Körper. Und Kameras beobachten die Veränderung, die Kurven dieser Laserlinien. Und aus der können wir exakt, ungefähr einen Millimeter genau, die Oberfläche des Menschen berechnen."
    Brustumfang: 91,2 Zentimeter. Taillenumfang: 67,3 Zentimeter. Hüftumfang: 79,6 Zentimeter. Armlänge links: 59,2 Zentimeter. Armlänge rechts: 59,7 Zentimeter. Linke Schulterbreite: 9,6 Zentimeter. Rechte Schulterbreite: 10,0 Zentimeter.
    Nur wenig Bedenken bezüglich Datenschutz
    Die 3D-Messkabine für die Bekleidungsindustrie - vor elf Jahren wurde sie erstmals vorgestellt. Es gab Förderprojekte auf europäischer, deutscher und regionaler Ebene wie etwa in Mittelsachsen, einem Zentrum der Textilherstellung.
    "Diese Förderung wurde auch sehr gerne in Anspruch genommen von den Betrieben. Aber die praktische Umsetzung ist bis heute leider nicht da, wo wir sie gerne gesehen hätten."
    Lothar Paul gehörte zu den Entwicklern der ersten Körperscanner-Systeme für die Modebranche. Der Ingenieur leitet den Bereich 3D-Datenverarbeitung bei der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik in Berlin-Adlershof.
    "Also, wir hatten uns vorgestellt, dass wir also zumindest in jeder Großstadt, in den großen Kaufhäusern oder in Einkaufszentren dann solche Kabinen haben.Einmal im Jahr, zweimal im Jahr - dass man dort hingeht und seine Körpermaße updatet. Damit man die immer parat hat, um seine Maßbekleidung zu bestellen."
    "Begeben Sie sich bitte nach dem Entkleiden in Ruhe auf die Standplattform."
    Doch aus der weiten Verbreitung wurde nichts. Das lag nicht etwa an zu großen Einwänden gegen die Datenerhebung.
    "Ich weiß nicht, wie viele tausend Leute da drin waren während unserer Testphasen. Und eigentlich gab's sehr wenig Bedenken bezüglich des Datenschutzes."
    Es lag auch nicht an der Technik. Einen kompletten Körperscan in wenigen Sekunden hinzubekommen - diese Aufgabe bewältigten die Geräte.
    "Bitte drehen Sie sich um 90 Grad nach rechts."
    Für Lothar Paul ist vielmehr klar, "dass die preiswerte Konkurrenz aus Asien und so weiter eine Rolle spielt. Ich sehe es so, dass der Handel und die Produzenten im Bekleidungsbereich sehr weit auseinander sind.Man konnte sich also auch nicht einigen, wer denn solche Messkabinen erst 'mal finanziert."
    So viel wie ein Mittelklasseauto hätte die 3D-Messkabine gekostet. Das war am Ende wohl doch zu teuer. Lothar Paul versteht das nicht so recht ...
    "Es war tatsächlich so, dass diese kleine und mittelständische Industrie an uns herangetreten ist mit der Vorstellung: Wir brauchen so eine Kabine. Diese Vision kam eigentlich wirklich von den Betrieben."
    "Diese Körperseite konnte leider nicht vermessen werden."
    Doch immerhin: Für Maßanzüge und Hochzeitsbekleidung werden Körperscanner heute eingesetzt. Rund 100 solcher Systeme hat die Firma Home Solutions nach Aussage von Andreas Seidl bisher im In- und Ausland verkauft. Übrigens auch ans Militär, das seine Soldaten natürlich passend einkleiden muss ...
    "Nicht die Bundeswehr, aber die US-Armee zum Beispiel nutzt diese Scanner, um ihre Größensysteme permanent zu verbessern."
    Die Körperscanner aus Kaiserslautern?
    "Ja, ja, unser System! Ja, ja!"
    Der Firmenchef und Ingenieur kann sich sogar vorstellen, dass die 3D-Scanner doch noch auf breiterer Basis kommen.
    "Denn wir bestellen heute immer mehr über das Internet. Und das Thema der Rückläufer, der nicht passenden Bekleidung, die wir wieder zurückschicken, ist natürlich ein finanzielles, ein ökologisches Thema."
    In Deutschland etwa geht mehr als die Hälfte der bestellten Kleidungsstücke wieder zurück.Viele, weil sie nicht passen.
    "Und dafür bietet sich der Bodyscanner nach wie vor hervorragend an."