Lange Zeit konnte Hans-Jürgen Pesch sich nicht erklären, was ihn krank machte. Bis er die Luft in seinem Arbeitszimmer untersuchen ließ. Ergebnis: Die Wandvertäfelung war in den 70er Jahren mit einem Holzschutzmittel behandelt worden, das Lindan und andere hochgiftige Substanzen enthielt. Auch wenn er die Vertäfelung sofort entfernen ließ – mit den Folgeschäden hat der Pathologe, der inzwischen Präsident der Deutschen Gesellschaft für Umwelt- und Humantoxikologie ist, noch heute zu kämpfen. Schwindel, Kopfschmerzen, Hautreaktionen – mit solchen und anderen Symptomen hat auch Frank Bartram täglich in seiner Praxis zu tun. Der Umweltmediziner aus dem fränkischen Weißenburg erklärt, wie sich aus einem zumeist unspezifischen Krankheitsbild am Ende doch eine Diagnose ergibt:
Vor der Diagnostik steht in aller Regel das, was wir Anamnese nennen, das ist die genaue Erhebung der Vorgeschichte. Unsere umweltmedizinische Spezialanamnese basiert auf der internistischen Annamnese und fragt strukturiert schwerpunktmäßig ab Lebensumfeld im Sinne von Wohnung, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, Fremdmaterialien in der Mundhöhle, und in der modernen Gesellschaft Genussmittelkonsum und Freizeitgewohnheiten sind auch häufig mit Belastungen verbunden. Aufgrund dieser Voranamnese und gewürdigter Befunde – die Patienten bringen meistens Blutbilder oder Ähnliches mit – wird dann eine umweltmedizinische Analytik systematisch erstellt. Und aufgrund dieser Daten werden wir dann ausschließen oder nachweisen, dass die und die Substanz oder der und der Faktor, der aus der Anamnese verdächtig hervorging, tatsächlich entweder die Krankheit verursacht oder ausgeschlossen werden kann, dass es dadurch entstanden ist.
Was eine Untersuchung in den meisten Fällen schwierig mache, sei die Mehrfachbelastung der Patienten, erklärt Frank Bartram. So könne ein Betroffener etwa am Arbeitsplatz durch Lösungsmittel in Bodenbelägen belastet sein und zu Hause durch starke Holzschutzmittel in der Wandvertäfelung. Aufgabe des Mediziners sei es dann, die entscheidenden Krankmacher zu erkennen. Und dann heißt es: möglichst schnell raus mit der Vertäfelung, dem Teppich, der Tapete. Unterschätzt wird laut Bartram nach wie vor die Wirkung von Schimmelpilzen, eine Allergie sei hier nur eine der möglichen Folgen:
Nach unseren Erkenntnissen sind die Allergien nicht der wesentlich krank machende Teil, sondern das sind Produkte von Schimmelpilzen, die wir Mycotoxine nennen. Mycotoxine muss man sich als teilweise ultragiftige Substanzen vorstellen, die im Niedrigdosisbereich verschiedene Wirkungen haben. Allgemein formuliert kann man sagen, Mycotoxine schädigen die Schleimhäute des Menschen, schädigen das Nervensystem des Menschen und das Immunsystem.
Experten gehen davon aus, dass immerhin jeder vierte bis fünfte Privathaushalt in Deutschland mit verborgenem Schimmel belastet ist – für Hans-Jürgen Pesch Grund genug, es mit der Luft in unseren Innenräumen etwas genauer zu nehmen:
Es gibt an den Straßen solche Messgeräte, die feststellen, wie viel CO2, CO oder Stickoxide in einem Kubikmeter Luft sind. Es gibt auch am Arbeitsplatz solche Messgeräte, die dafür sorgen, dass dien Arbeitsplatzkonzentration bei bestimmten Stoffen eingehalten wird. Aber es gibt keine vergleichbare Untersuchung in den Innenräumen, wo wir alles Mögliche benutzen. Wir verkleben Teppiche, das dünstet aus, wir nehmen Lösungsmittel, wir haben Formalin in gepressten Hölzern, wir haben Kleber an der Wand bei Tapeten. Und die Summe von all diesen Ausdünstungen, die nehmen wir auf über Luft und über Haut, und dann kommt es eben zu dieser Anreicherung in unserem Organismus, die krank machen kann.