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Belastung am Arbeitsplatz nimmt zu

Medizin. - Dank vielfältiger Vorschriften ist die Gefährdung vom Menschen am Arbeitsplatz durch Chemikalien und Lösungsmittel in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Auch um die Ergonomie im Büro - vom Rücken schonenden Stuhl bis zur handlichen Computertastatur - ist es gut bestellt - so die Ansicht arbeitsmedizinischer Forscher, die sich von Mittwoch an auf dem 1. Norddeutschen Forum Arbeitsmedizin in der Medizinischen Hochschule Hannover treffen. Die Gesamtbilanz fällt gleichwohl negativ aus. Insbesondere die Computerisierung der Arbeitswelt hat nach Ansicht der Experten dazu geführt, dass Aufgaben immer komplexer werden und zu mehr Arbeitsbelastung, mehr Stress und mehr sozialer Vereinsamung führen.

27.02.2002
    Ergonomische Büromöbel allein können die Bewegungsdefizite nicht ausgleichen, meint Uwe Gerecke vom Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte. Betriebssportgruppen, Rückenschulen oder Fitnessangebote der Betriebe erreichen höchstens die Hälfte der Belegschaften. Es komme darauf an, die Eigenverantwortung zu stärken, sagt Gerecke: "Das erreichen wir heute, indem wir Moderationsgruppen einsetzen, Gesundheitszirkel, in denen die Mitarbeiter selbst als Experten für ihre eigene Arbeit und ihre eigene Gesundheit Dinge lernen, wie sie am Arbeitsplatz besser mit Problemen umgehen können."

    Das traditionelle Forschungsgebiet in der Arbeitsmedizin ist die Toxikologie. Hier untersucht man stoffliche Belastungen der Arbeitnehmer zum Beispiel durch Lösungsmittel. Zunehmend geraten nun psychologische Aspekte ins Blickfeld der Arbeitsmedizin, ausgelöst durch die enormen Umbrüche in der modernen Arbeitswelt, so die Arbeitsmedizinerin Professor Renate Wrbitzky von der Medizinischen Hochschule Hannover: "Das ist zum Beispiel da zu sehen, wo früher mehrere Personen in einer Gruppe an einer Maschine gearbeitet haben, und heute ein einzelner steht, der seine Bildschirme überwacht. Das ist ein typischer Arbeitsplatz, der als monoton einzustufen ist. Hier ergeben sich Probleme zum Beispiel durch Unterforderung." Der Siegeszug des Computers im Arbeitsalltag lässt die Kommunikation mit Kollegen auf ein Minimum schrumpfen - die Folge ist soziale Vereinsamung. Auf der anderen Seite stehen mehr Stress, mehr Belastungen und mehr Verantwortung - eine Entwicklung, die arbeitsmedizinisch ausgelotet werden will.

    Drittmittel, etwa von den Berufsgenossenschaften, fließen aber nur spärlich, dabei müssten nach Ansicht der Wissenschaftlerin gerade die Unfallversicherungen größtes Interesse an arbeitsmedizinischen Fragestellungen haben. Auch an den Hochschulen fristet die Arbeitsmedizin ein untergeordnetes Dasein, obwohl das Fach laut Approbationsordnung gelehrt und geprüft werden muss. Doch nur an 28 der 37 medizinischen Fakultäten in Deutschland gibt es arbeitsmedizinische Abteilungen.

    [Quelle: Michael Engel]