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Belgien und der Mythos Merckx

In kaum einem anderen Land Europas hat der Radsport so viele Fans wie in Belgien. Doch im Alltag spielt das Fahrrad als Fortbewegungsmittel kaum eine Rolle, weshalb nun Fahrradfahrkurse angeboten werden. Alois Berger berichtet aus Brüssel.

    "Ich habe manchmal sogar die Schule geschwänzt, um an Radrennen teilzunehmen", erzählt Eddy Merckx. "Aber das war nicht gut, räumt er ein", deshalb wäre er auch nicht begeistert, wenn sein Enkel Lucas jetzt Radprofi werden wollte.

    Eddy Merckx will ein Star zum Anfassen bleiben, so wie es sich für einen belgischen Radfahrer gehört. Deshalb setzt er sich auch mal in eine Brüsseler Schule und lässt sich von den Kindern ausfragen. Und die sind begeistert:

    "Er hat ganz tolle Sachen gemacht, er hatte eine Kraft, die wir nicht haben und deshalb finde ich, er gehört zu den zehn größten Belgien."

    "Und dann ist er schließlich der beste Radfahrer der Welt - ein Belgier, das ist eine große Ehre für unser Land."

    Manchmal fährt Eddy Merckx auch heute noch mit dem Fahrrad. Aber dann macht er es wie die meisten Belgier: Er packt sein Rennrad ins Auto und fährt ins Grüne. Denn einfach aufsteigen und durch seine Heimatstadt Brüssel radeln, das wäre viel zu gefährlich.
    "Im Auto versuchen viele Leute, zu fahren wie Eddy Merckx, aber leider nicht auf dem Fahrrad. Am Wochenende sieht man vielleicht ab und zu einen Fahrradfahrer, aber dass die Leute ihr Fahrrad im Alltag benutzen, das ist ganz selten. Wir werden mehr, und das ist schön, aber Fahrradfahrer bleiben ein verschwindender Prozentsatz der Bevölkerung."

    Christoph gehört zu den Mutigen, die unbedingt mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren wollen. Deshalb besucht er am Samstagnachmittag einen Kurs, bei dem man lernt, wie man auf zwei Rädern durch Brüssel kommt, ohne überfahren zu werden. Der Fahrradverein Gracq bietet solche Kurse seit einiger Zeit an. Der Student Sebastian hat hohe Erwartungen:

    "Ideal wäre es, wenn ich mich nach diesem Kurs ohne Gefahr überall in der Stadt bewegen könnte und nicht mehr dauernd angehupt würde."

    Die Leute von Fahrradverein Gracq wollen, dass das Fahrrad in Brüssel bald wieder als ganz normales Verkehrsmittel gesehen wird, so wie in den flämischen Städten im Norden Belgiens, wo vor jedem Bahnhof Hunderte von Fahrrädern stehen. Dort kämpft der Fahrradlobbyist Patrick D´Haese unter anderem dafür, dass die vielen Fahrräder, die morgens abgestellt werden, abends auch noch da sind.

    "Das ist ein neuer Fahrradparkplatz, der vor drei Jahren gebaut wurde - mit Dach, Beleuchtung und Videoüberwachung. So muss ein Fahrradabstellplatz aussehen: überdacht, komfortabel, und bewacht."

    In Flandern ist das Fahrrad zu Hause. Viele berühmte Radfahrer sind hier aufgewachsen. Wenn man in Roeselare ein Dorffest besucht, kann man locker drei oder vier Weltmeistern über den Weg laufen. Doch die Wallonie im Süden Belgiens holt auf. Bei den Juniorenweltmeisterschaft sind neuerdings immer öfter auch Wallonen dabei, dank guter Jugendarbeit. Der elfjährige Alexandre besucht seit einem Jahr die Radrennschule von Charleroi. Er träumt davon, einmal ein Großer zu werden, so wie Eddy Merckx. Aber das ist noch ein weiter Weg:

    "Ein Rennen mitzumachen und vielleicht sogar zu gewinnen, das wäre schon mal ganz gut."