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Belgien
Viel Tamtam um Waterloo

Waterloo liegt rund 35 km südlich von Brüssel. Hier schlug und verlor Napoleon am 18. Juni 1815 seine letzte Schlacht, besiegt von einer alliierten Armee mit Soldaten aus sieben Ländern. Auch heute noch hat Waterloo eine besondere Bedeutung - für die Region, für Belgien, für Europa.

Von Annette Riedel |
    Laien spielen die Schlacht von Waterloo in historischen Kostümen bei Brüssel nach.
    Die Schlacht von Waterloo hat Europa verändert. (picture alliance / dpa / Landov )
    Ein kleiner Trupp von Laien-Darstellern in originalgetreuen historischen Uniformen trommelt sich schon mal für die große Nachstellung der Schlacht von Waterloo übungsweise warm. Vor insgesamt rund 200.000 Zuschauern werden sie am Originalschauplatz der Schlacht Napoleon erneut gegen Wellington und Blücher verlieren lassen.
    Auf der Seite der Anti-Napoleon Koalitionsarmeen: Er, Major Van Gorgen, dem holländischen Regiment des Prinzen von Oranje zugehörig.
    "In my real life my name is Ron van Dijk. I’m a Belgium and a real estate agent."
    "Man muss schon ein bisschen verrückt sein"
    In diesen Tagen ist der belgische Immobilienmakler Ron van Dijk allerdings mehr der Major als er selbst - mit schwarzem Zweispitz, gekrönt von einen schwarzen Federpuschel, goldenen Epauletten, goldbesticktem roten Samtkragen, orangefarbener Bauchbinde. Er gehört zu den Waterloo-Enthusiasten, die buchstäblich aus der ganzen Welt anreisen, um auf dem historischen Schlachtfeld vor Publikum, ebenfalls aus der ganzen Welt, Theaterblut zu vergießen. Van Dijk sieht sich selbst als eine Art "Schlachten-Junkie". Allein Waterloo hat er schon zwölf Mal nachgestellt – aber diesmal ist es auch für ihn etwas ganz Besonderes.
    "Man muss schon ein bisschen Leidenschaft für so etwas haben und ein bisschen verrückt sei. Viele von uns werden in diesen Tagen auf Stroh in kleinen Zelten schlafen und in die Schlacht ziehen - egal wie das Wetter wird."
    Angehörige der britischen Armee proben für ein Reenactment der Schlacht von Waterloo.
    Angehörige der britischen Armee proben für ein Reenactment der Schlacht von Waterloo. (picture alliance / dpa / Sgt Rupert Frere Rlc / British M)
    Es ist viel investiert worden in der Region aus Anlass des 200. Jahrestages der Schlacht von Waterloo. Das normalerweise etwas schläfrige Örtchen gleichen Namens und die umliegenden Orte hoffen darauf, dass die Besucher Geld in der strukturarmen Gegend lassen und dass der Tourismus nachhaltig angekurbelt wird, sagt Etienne Claude, Generaldirektor der Vereinigung "Schlacht von 1815" und damit einer der Hauptverantwortlichen für die Organisation der 200-Jahr-Feiern.
    "Es ist sehr, sehr wichtig, dass die Menschen wissen, wo Waterloo ist – in der Nähe von Brüssel. Die Menschen werden zurückkommen. Die Menschen schlafen hier, essen hier und wir erwarten viele Menschen in 2016 und so weiter."
    Deshalb ist das Napoleon-Museum, in dem Gebäude, in dem der französische Kaiser sein Quartier hatte, neu gemacht worden. Deshalb hat das Wellington-Museum, in dem der britische General in den beiden Nächten vom 17. bis 19. Juni 185 sein Hauptquartier hatte, zurzeit eine neue temporäre Ausstellung über die Leben der beiden großen Feldherren – inklusive originalem Napoleon-Hut.
    Neues Waterloo-Museum wurde gebaut
    Das 100 Jahre alte Panorama der Schlacht von Waterloo in Eigenbrakel zeigt ein 360-Grad-Gemälde der Auseinandersetzung
    Das 100 Jahre alte Panorama der Schlacht von Waterloo in Eigenbrakel zeigt ein 360-Grad-Gemälde der Auseinandersetzung (deutschlandradio.de / Annette Riedel)
    Deshalb ist unter dem historischen Schlachtfeld ein neues Waterloo-Museum gebaut worden. Auf die Sogwirkung für Touristen hoffen auch Belgier wie Daniel Boydens, geprüfter ehrenamtlicher Waterloo-Kenner und Touristenführer.
    "Ja, es ist wieder ins Gedächtnis der Menschen gekommen, durch die Werbung. So, ja, wir hoffen auf das Doppelte."
    Nicht nur ist Waterloo über das 200-jährige Jubiläum wieder mehr ins Gedächtnis gerückt – es zeigt sich auch, dass es Sensibilitäten weckt, die nicht verjährt sind.
    "Für die Franzosen ist es noch immer sehr gefühlig, dass Napoleon hier diese Schlacht verloren hat. In Belgien hatte man eine Münze von 2 Euro machen wollen, mit Napoleon drauf. Und Frankreich hat sein Veto gesetzt und man durfte das nicht tun. Und nun haben wir eine Euro-Münze von 2,50 Euro. Aber man kann damit nicht zahlen. Eine neue Münze, mit der man nicht zahlen kann."
    Besonderer Blick der Franzosen
    Büste Napoleons
    Napoleon-Büste im Wellington-Museum im Ort Waterloo (deutschlandradio.de / Annette Riedel)
    Der Publizist und Napoleon-Experte, Günter Müchler, hält den Münzen-Streit nicht nur für eine Posse.
    "Mich überrascht die Reaktion der Franzosen nicht. In Waterloo ist Napoleon geschlagen worden. In Waterloo hat die Revolution eine Niederlage erlitten – beides ist den Franzosen heilig. Da verstehen sie keinen Spaß. Jeder Vergleich hinkt, aber man kann sich auch nur schwer vorstellen, dass sich die Griechen heut freuen würden, wenn eine Gedenkmünze zur Einsetzung der Troika herausgegeben würde."
    200 Jahre nach Waterloo – was könnte uns die Geschichte der Schlacht heute sagen? Zum einen wurden mit ihr unter anderem - und nicht zuletzt - 23 Jahre Krieg beendet. Mit und nach Napoleons Niederlage veränderte sich die Landkarte Europas – 15 Jahre danach entstand etwa Belgien –, es verschoben sich die Machtverhältnisse. Und es entstanden nach dem Grauen der Schlacht, aus Sicht Günter Müchlers, erste Ansätze einer kollektiven Friedensarchitektur in Europa.
    "Man hat versucht, ein kollektives Sicherheitssystem aufzurichten. Das hat nicht perfekt funktioniert, aber es hat dann doch dazu beigetragen, dass es nach 1815 100 Jahre gedauert hat bis zum nächsten gesamteuropäischen Krieg."
    Wenn man will, kann man, wie der irische Historiker und Professor an der Universität Cambridge, Brendan Simms, Waterloo auch als Vorreiter für eine sehr aktuelle Idee verstehen: die einer Europäischen Armee.
    "Das war eine Schlacht, die von einer Koalition gewonnen wurde. Und eine Waterloo-artige Koalition wäre nicht schlecht in Europa heute. Die haben wir gewissermaßen in der NATO schon. Aber viel besser wäre, wenn wir eine einheitliche Armee hätten, innerhalb dessen es gewisse Kontingente gibt."