Freitag, 19. April 2024

Archiv


Belgien will sich von der Atomenergie verabschieden

Belgien plant aus der Atomkraft auszusteigen. Allerdings sieht die Vereinbarung nur einen Ausstieg vor, wenn die Stromversorgung durch andere Quellen gesichert ist. Bisher decken alternative Energiequellen noch nicht den Strombedarf des Landes.

Von Doris Simon | 31.10.2011
    Die künftige belgische Regierung hält am Beschluss über den Atomausstieg von 2003 im Prinzip fest. Dieser sieht vor, dass Belgiens älteste Kernkraftwerke im Jahr 2015 vom Netz genommen werden.

    Betroffen sind die Anlagen Doel I und II bei Antwerpen, die seit 1975 Strom produzieren sowie Tihange I in der Nähe von Lüttich. Dieser Reaktor ist seit 1974 am Netz und steht auf erdbebengefährdetem Grund. Die übrigen vier, jüngeren belgischen Kernkraftwerke sollten bis 2025 am Netz bleiben.

    Allerdings vereinbarten die Unterhändler in den belgischen Koalitionsgesprächen eine entscheidende Einschränkung: Die Kernkraftwerke werden nur dann 2015 abgeschaltet, wenn bis dahin die Stromversorgung aus anderen Energiequellen sichergestellt ist. Bruno Tobback, der Vorsitzende der flämischen Sozialisten:

    "Momentan ist klar, dass es mit der Abschaltung der alten Reaktoren bis 2015 im Prinzip kein Problem gibt. Das Weitere ist schon längst im Gesetz vorgesehen: Die Produktion aus AKWs muss ersetzt werden. Wir streben hier nicht an, in Belgien die Lichter auszuschalten."

    Erst am Samstag hatte die belgische Energiekontrollbehörde CREG gemahnt, Belgien müsse seine eigene Stromproduktion durch alternative Energien dringend erhöhen, andernfalls drohten bei Abschaltung der Kernkraftwerke Stromausfälle. Deshalb wird die neue Regierung in den ersten sechs Monaten nach ihrem Amtsantritt einen Plan zur Energieversorgung aufstellen: Er soll die kurz-, mittel-, und langfristige Versorgung des Landes mit Strom sichern. Investoren in alternative Energien sollen die Garantie erhalten, dass die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, so beschloss es gestern die Koalitionsunterhändler von Christdemokraten, Liberalen und Sozialdemokraten aus ganz Belgien. Der belgische Marktführer und frühere Strommonopolist Electrabel forderte klare Entscheidungen über die Zukunft der Kernenergie in Belgien und. Electrabel-Sprecherin Lut Vande Velde kritisierte die prinzipielle Bestätigung des Atomausstiegs:

    "Das Ergebnis wird sein, dass Belgien viel mehr Strom aus Nachbarländern importieren muss. Die CO2-Bilanz wird sich verschlechtern, und die Produktionskosten werden steigen. Wir haben ja gesehen, was in Deutschland passiert ist, eine Preissteigerung nämlich, und die werden wir bei uns auch bekommen."

    Die belgischen Koalitionsunterhändler beschlossen darüber hinaus, dass die Energieproduzenten eine deutlich höhere Abgabe bezahlen müssen auf ihre Gewinne aus den bereits abgeschriebenen Kernkraftwerken. Die Summe muss noch festgelegt werden, derzeit sind 600 bis 900 Millionen Euro im Gespräch. Bisher liegt die Atomabgabe bei 250 Millionen Euro im Jahr. Die künftige belgische Regierung will die Einnahmen aus der Atomabgabe in erneuerbare Energien aus der Nordsee investieren und in die Verbesserung der Energieeffizienz der öffentlichen Gebäude des belgischen Staates.