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Belgiens Polizei als Spiegelbild der Gesellschaft

Belgien ist mit allen Facetten der Integrationsproblematik vertraut. Die belgische Polizei zieht daraus ganz eigene Konsequenzen: Weil sie sich als Spiegelbild der Gesellschaft versteht, will sie ihren Teil zur Verständigung beitragen und stellt deshalb verstärkt Jugendliche aus Migrantenfamilien ein. Aus Brüssel Sven-Claude Bettinger.

    Pause in der Brüsseler Polizeiakademie. Angeregt unterhalten sich die Studenten bei einer Tasse Kaffee. Viele von ihnen sind Belgier marokkanischer und türkischer Herkunft, so wie Jamal, Soldon und Gülzer. Ihr Wunschziel, in den Polizeidienst einzutreten, hat vielerlei Gründe:

    " Eine meiner Schwestern arbeitet bereits bei der Kriminalpolizei. Ich habe gesehen, wie abwechslungsreich ihre Arbeit ist, mit wie viel Menschen sie zu tun hat. Das hat mich motiviert." - "Ich wollte schon als Junge Polizist werden. Man hat einen sicheren Arbeitsplatz und keine festen Bürozeiten von 9 bis 17 Uhr. Ich kann Menschen und der Gesellschaft helfen." - "In Belgien leben viele Migranten. Oft kommt es zu Konflikten mit Einheimischen. Ich möchte helfen, das Zusammenleben zwischen beiden zu erleichtern. "

    Sowohl die belgische Bundespolizei als auch die Kommunalpolizei stellen hohe Ansprüche an ihre künftigen Mitarbeiter. So müssen die Kandidaten mindestens Abitur haben und die Aufnahmeprüfung bestehen. Sie müssen die Sprache beherrschen und redegewandt sei. Außerdem müssen sie logisches Denken und Teamgeist unter Beweis stellen, Persönlichkeit, Motivation und Kenntnis des Polizeiwesens haben und ihre körperliche Fitness in einem Härtetest demonstrieren, sagt der Generaldirektor von Human Resources, Alain Duchatelet:

    " Es gibt keine positive Diskriminierung. Allerdings bieten wir Vorbereitungskurse an, wenn Bewerber Schwierigkeiten mit der Sprache oder Allgemeinbildung haben. Wir achten auch darauf, dass unsere Tests kulturneutral sind. "

    Etwas mehr als sieben Prozent der Bewerber bestehen diese Aufnahmeprüfung. Manche erst im zweiten Anlauf. Anschließend studieren sie, bei vollem Gehalt, ein Jahr an der Polizeiakademie. Sami, Soldon und Jamal haben gerade ihr erstes Praktikum auf einer Wache hinter sich:

    " Alles läuft prima. Brüssel ist eine multikulturelle Stadt. Die Polizei ist nicht rassistisch. Das ist ja auch gesetzlich verboten." - "Die Polizei ist eine echte Familie. Jeder hilft wirklich jedem. Unsere Klasse ist ein Spiegel der Gesellschaft, da gibt es Akademiker und Arbeiterkinder. So sollte das auch sein, meine ich." - "Zuerst befürchtete ich, aufgrund meiner Herkunft Probleme zu bekommen. Ich habe mich jedoch getäuscht. Niemand hat Vorurteile. Alles läuft gut. "

    Nach ihrer Ausbildung können die Studenten dann entscheiden, wo sie arbeiten möchten. Die Belgier ausländischer Herkunft werden dabei nicht überredet, in Kommunen mit vielen Migranten zu arbeiten. Human Resources-Direktor Duchatelet:

    " Vielleicht funktionieren manche da in der Tat am besten. Grundsätzlich geht es uns jedoch darum, dass auch diese Belgier die ideale Stelle bei der Polizei finden. Migranten können auch von anderen Polizisten betreut oder überwacht werden. "

    Die Polizisten ausländischer Herkunft haben einen entscheidenden Vorteil. Sie beherrschen Arabisch oder Türkisch und kennen die Mentalität. Amina El Otmani, die seit drei Jahren im Streifenwagen durch einen Brüsseler Stadtbezirk mit vielen Migranten fährt, hat bereits Erfahrungen gesammelt:

    " Ich kenne die marokkanische Kultur. Ich weiß, dass zwei Menschen, die sich anschreien, sich nicht unbedingt streiten. Die sind lediglich aufgeregt. Die belgischen Kollegen meinen dann sofort, dass sie sich streiten. In solchen Fällen kann ich meine Kollegen aufklären und zur Gelassenheit ermahnen. Das ist sehr hilfreich. "

    Manchmal wirkt die Inspektorin marokkanischer Herkunft allerdings auch wie ein rotes Tuch:

    " Manche Jungendliche aus dem Maghreb werden böse, weil ich eine Frau bin. Sie beschimpfen mich als Verräterin, als Kollaborateurin. Da muss man cool bleiben. Das sind junge Marginale, die viele Probleme haben. Ihr einziges Ziel ist die Rebellion. "

    In einigen Fällen setzt die belgische Polizei ihre Mitarbeiter ausländischer Herkunft doch ganz bewusst ein. Etwa als Undercover-Agenten im Drogen- oder Menschenhändlermilieu, in der internationalen Fahndungsarbeit, oder, so Alain Duchatelet:

    "Wir helfen zum Beispiel bei der Ausbildung der irakischen Polizei mit. Da leisten unsere Polizisten und Polizistinnen, die Arabisch können, hervorragende Arbeit. "