Archiv


Bellini reloaded

Das Werk des 1430 geborenen Giovanni Bellini gehört zu den der schönsten und eigenartigsten der Renaissance. Mit Andachtsbilder wie "Thronende Madonna" begründete er die venezianische Malschule und prägte die Werke von Künstlern wie Sebastiano del Piombo und Tizian. In den Scuderien in Rom sind nun 65 seiner restaurierten Werke zu sehen.

Von Thomas Migge |
    Übrigens ein Werk, das sich, im Gegensatz zu manchen anderen, vergrößert hat im Lauf der Jahrhunderte, denn viele Bilder, die man früher seinen Kollegen zugeschrieben hatte, konnten als seine identifziert werden. Drei Jahre lang hat es gedauert, bis die Ausstellung, präsentabel war, über die Thomas Migge jetzt berichtet.

    Der Mann wusste, was er wollte, und scheint keine Probleme damit gehabt zu haben, den Reichen und Mächtigen die Stirn zu bieten. Unerhört für eine Zeit, in der selbst prominente Künstler wie Tizian und Giorgione niemals gegen ihre Auftraggeber aufbegehrten - vor allem dann nicht, wenn diese einflussreiche Herrscher waren.

    Doch Giovanni Bellini war aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Das offenbart der jetzt zum ersten Mal nachzulesende Briefwechsel zwischen dem venezianischen Maler und der Gräfin von Mantua, Isabella d'Este Gonzaga. Sie hatte ein Bild bei dem Maler bestellt und forderte ihn auf, das Thema der Tugenden und Untugenden darzustellen. Sie bestand darauf , genaue Vorgaben zur Bildgestaltung zu machen.

    Fast drei Jahre dauerte der Briefwechsel zwischen dem Künstler und der Gräfin, bis sich Bellini endlich dazu bereit fand, ein Bild zu malen; aber in keiner Weise nach den Wünschen der adligen Herrscherin: Sie hatte nicht nur, damals unüblich, einen hohen Vorschuss auf das Bild zu leisten, sondern musste in allem, was das Sujet und seine Darstellung anging, klein beigeben. Der Maler wies die adlige Dame sogar in unzweideutigen Worten darauf hin, dass er für 150 Dukaten neben der Madonna mit dem Kind nur noch Johannes den Täufer darstellen könne. Mehr sei für diesen Preis nicht möglich. Auch in diesem Punkt gab Isabella d'Este nach.

    Renaissanceexperte Mauro Lucca Villa ist stolz darauf, dass die von ihm organisierte Ausstellung zum Schaffen von Giovanni Bellini nicht nur Gemälde, sondern auch jene Originaldokumente zeigt, die bisher unbekannt waren:

    "Giovanni Bellini war ein Künstler, der für die Entwicklung der Kunstgeschichte enorm wichtig ist. Aus seinem Atelier in Venedig gingen Giorgione und Sebastiano del Piombo, Tizian und Lorenzo Lotto hervor. Nur soviel zu seinem Einfluss auf das Kunstschaffen. Er war ein fast schon moderner Künstler: Er war selbstbewusst und malte nur das, was er wollte. Seine zahlreichen Auftraggeber mussten sich ihm anpassen. Mit diesem Selbstverständnis als Künstler hatte er nie Probleme. Im Gegenteil: Als er 1516 starb, hinterließ er ein Vermögen."

    Albrecht Dürer bezeichnete Bellini als, so seine Worte, "wichtigsten Künstler von allen". Dem Venezianer verdankt der Nürnberger seinen weicheren Pinselstrich. Das wird vor allem nach Dürers erster Italienreise in den Landschaftsdarstellungen deutlich.

    Obwohl Bellini von Kunsthistorikern als Renaissancestar bezeichnet wird, hat es seit 1949 keine umfassende Einzelausstellung mehr zu seinem Schaffen gegeben. Umso wichtiger ist die jetzt in Rom zu sehende Kunstschau: Sie zeigt nicht nur 65 Gemälde des Venezianer - von denen viele in den letzten Jahren restauriert worden sind und jetzt wieder in ihren für die venezianische Renaissancemalerei besonders weichen Farben leuchten; Ausgestellt werden auch Originaldokumente zum Leben und Schaffen des Malers, die erst in letzter Zeit wiedergefunden worden sind.

    Mauro Luco Villa:

    "Bellinis Werdegang begann mit dem spätgotischen Stil, den er bei seinem Vater erlernte, auch er ein Maler. Durch seine Beziehungen zu Antonello da Messina entwickelt er seinen eigenen Malstil und wird später zum Vorläufer der Malerei Giorgiones. Bellini verlieh dem landschaftlichen Bildhintergrund eine Bedeutung, die für alle späteren Maler maßgeblich wurde. Er machte aus dem bis dato eher vernachlässigten Hintergrund die reale, exakte Beschreibung der Natur und der Welt."

    Das wird besonders deutlich auf dem 1510 gemalten Bild "Madonna mit Kind in einer Landschaft" aus der Mailänder Brera-Pinakothek: in der Bildmitte thront eine junge Maria. Auf ihrem rechten Bein steht das Christuskind. Maria lächelt nicht: Sie schaut den Betrachter mit einer Unschuld an, die für Bellini typisch ist und von seinem Schüler Raffael übernommen wurde. Rechts und links des religiösen Sujets zeigt Bellini Landschaft. Sie rahmt nicht nur Maria und das Kind ein. Die Landschaft nimmt, fasst man den rechten und linken Bildrand zusammen, mehr Platz ein, als das religiöse Motiv.

    Bellini zeigt auf diesem Gemälde Bäume und einen Hügel, Gebäude und in der Ferne Menschen. Mit einer Präzision, von der sich unter allen Bellini-Schülern vor allem Giorgione beeinflussen ließ. Das Gemälde "Kruzifixus" von 1505 aus der Florentiner Sammlung des Herzogs Niccolini treibt Bellinis Landschafts-Fixierung soweit, dass sich das Verständnis des religiösen Sujets erst aus der Symbiose mit der das Kreuz umgebenden Landschaft erschließt. Das Kreuz mit dem Erlöser erhebt sich vor einer Renaissancestadt, im Bildhintergrund und vertrockneten Bäumen sowie schräg aus dem Erdreich aufragenden Grabsteinen im vorderen Bildhintergrund: Das Kruzifix wird durch die Konfrontation der Stadt mit den Todessymbolen zu einem erschreckenden Memento Mori.

    Mauro Lucco Villa:

    "Unsere Ausstellung will durch die Gegenüberstellung Bellinis mit den Werken seiner Vorgänger und Schüler deutlich machen, wie der Venezianer den Stil der späteren Kunstgeschichte beeinflusste. Mit seiner Art, verschiedene Maltechniken zu benutzen, Öl und Tempera aber auch mit seinen eigenen Fingern nachzuhelfen, um Bildtiefe zu erzeugen und Sujets hervorzuheben, gelang es ihm, Gemälde zu schaffen, die im Vergleich zu seinen Vorgängern ungemein lebendig und tiefgründig wirken."