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Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen
Es fehlt an Vorbildern und Beratung

Die Zahl der Professorinnen ist in Deutschland zwar gestiegen, allerdings verdienen sie pro Monat bis zu 650 Euro weniger als ihre Kollegen. Und das ist nicht das einzige Problem von Frauen in der Wissenschaft: Es fehlt sowohl an familienfreundlicheren Forschungsbedingungen als auch an erfahrenen Kolleginnen.

Von Christine Reißing |
Kornelia Freitag, Professorin für Amerikanistik, hält an der Ruhr-Universität in Bochum eine Vorlesung.
Bis zu 650 Euro weniger als ihre Kollegen verdient eine Professorin in Deutschland. (picture alliance/dpa)
Marina Münkler ist Literaturwissenschaftlerin, hat über mittelalterliche Reiseberichte promoviert. Als sie damit fertig war, hatte sie bereits zwei Kinder. Heute ist Münkler Professorin an der Technischen Universität Dresden - einfach war ihr Weg aber nicht.
"Ganz viel von dem, was ich geschrieben habe, habe ich nachts geschrieben. Also wenn meine Kinder dann geschlafen haben. Und das geht auch alles. Also man richtet sich irgendwie ein. Und man darf auch nicht denken, man könnte eine Karriere machen, ohne dass man hart arbeiten muss und dass es viel Stress bedeutet."
Karrieren von Frauen verliefen oft weniger geradlinig als die von Männern, so Münkler. Schuld daran ist auch der sogenannte Gender Care Gap. Denn wie das Institut für Wirtschaftsforschung belegt, kümmern sich überwiegend Frauen um die Kinder.
Marina Münkler: "Also ganz häufig ist es so, dass es Phasen gibt, in denen es nicht recht vorangeht. In denen Frauen auch überlegen: Soll ich diese Stelle nehmen oder soll ich sie nicht nehmen? Solche Überlegungen gibt es bei Männern sehr wenig."
Frauen meiden Stress im Hochschulbetrieb
Rund ein Viertel der Professuren wird mittlerweile von Frauen bekleidet - über doppelt so viele wie im Jahr 2000. Trotzdem haben es Frauen immer noch schwer, vermeldet die Hochschulrektorenkonferenz. Das betreffe auch kinderlose Frauen, kritisiert Vizepräsidentin Birgitta Wolff: "Ein Beispiel aus einer Berufungskommission: Eine Kandidatin Anfang Dreißig mit einem super Lebenslauf wird dann abgelehnt mit der Bemerkung: Die ist karrierefixiert."
Bei einem Mann wäre dieser Lebenslauf bejubelt worden, meint Wirtschaftswissenschaftlerin Wolff. Sie ist Präsidentin der Goethe-Universität in Frankfurt und Ex-Kultusministerin von Sachsen-Anhalt. Frauen mieden den Stress im Hochschulbetrieb teils bewusst, sagt sie.
"Ich glaube aber, ein mindestens ebenso großes Problem sind Gründe, die nicht in den Frauen selbst liegen, nämlich: Zuschreibungen. Beispielsweise, wenn Leute sagen: Ich kann keine Frauen einstellen, weil die können ja nicht nachts um zwei nach den Mäusen gucken - wenn sie Kinder haben schon gar nicht. Aber selbst wenn sie keine haben, könnten sie ja welche kriegen."
Solche Klischees müssten überwunden werden. Gerade im MINT-Bereich sind Frauen unterrepräsentiert - in Laboren etwa, wo rund um die Uhr geforscht wird. Diese Arbeit müsse familienfreundlicher organisiert und Einstellungskriterien überdacht werden, so Wolff.
"Zumindest in meiner Fachkultur, bei den Wirtschaftswissenschaftlern weiß man: Pro Kind verliert eine Frau etwa drei Jahre Publikationsaktivität. Männer merkwürdigerweise nicht. Aber wenn man das weiß, muss man das eben bei Bewerbungsverfahren bei den entsprechenden Kandidatinnen abdiskontieren."
"Man braucht Vorbilder"
Berufungskommissionen rechnen die unbezahlte Arbeit für die Familie teilweise schon an. Gesetzlich verpflichtend ist das aber nicht. Trotzdem sollten sich Frauen nicht einreden lassen, Kinder seien ein Problem für die Karriere. Darauf pocht Literaturwissenschaftlerin Münkler.
"Was man aber braucht, ist tatsächlich einerseits die Unterstützung des Lebenspartners. Und dann braucht man aber auch sowas wie Vorbilder. Und man braucht auch Beratung durch diese Vorbilder."
Derzeit beobachtet Münkler, dass der Wissenschaft Frauen vor allem zwischen Studium und Promotion verloren gehen, und dann nochmal auf dem Weg zur Habilitation. Wenn eine Frau auch diese Hürde schafft, dann ist der nächste Knackpunkt das Gehalt - denn das wird verhandelt.
Marina Münkler: "Also man sollte selbstbewusst fordern und sagen: Ich bringe das und das an Fähigkeiten mit, die für diese Universität, für diese Fakultät, für dieses Institut wirklich interessant sind. Und dafür, finde ich, verdiene ich einen Aufschlag von soundsoviel Prozent. Sprich: Soundsoviel hundert oder auch deutlich über tausend Euro."
Derzeit verdienen Professorinnen weit weniger als ihre Kollegen. Und je höher die Besoldungsstufe, desto weniger Frauen sind überhaupt vertreten.