Nun legen die zwei Berliner Germanisten Nüchael Opitz und Erdmut Wizisla zwei Bände mit gut achthundertfünfzig Seiten nach, in denen die zentralen Begriffe des Denkens Walter Benjamins klärende Deutung erfahren sollen. "Ähnlichkeit", "Aura", "Allegorie", "Mythos", "Erwachen", "Rettung" und "Geschichte", um nur einige zu nennen: diese Begriffe ergeben eine Skizze seines gesamten Schaffens, fuhren symbolisch ihren gesamten Kontext nüt. In der Lebendigkeit seiner Sprache lag vielleicht das bedeutendste der Benjaminschen Talente. Es ist in seinen Begriffen gegenwärtig.
Walter Benjamin über seine zentralen Begriffe zu erschließen ist naheliegend und vielversprechend. Die programmatischen Begriffe stehen wie Grenzpfähle um eine Reihe von Dunkelstellen, in denen sich schon so mancher Interpret verlaufen hat. Das, was sich an Benjamins Denken erfassen läßt, sollte sich an seinen zentralen Begriffen entfalten lassen. So darf man vermuten, daß mit jener Aufsatzsammlung die grundlegendste und klarste Topographie der Schriften Walter Benjamins vorliegt. Und tatsächlich nehmen die Aufsätze eine gründliche Vermessung der Benjanünschen Landkarte vor, wie es sie bis jetzt noch nicht gegeben hat.
Dennoch: Skepsis ist geboten! Ein Benjamin-Lexikon droht Benjamin endgültig zum Klassiker zu degradieren. Und gerade er selbst, jener dunkle und sperrige Denker mißtraute der nachträglich hergestellten Ordnung kulturelles Archive. Mit dem Begriff der "Rettung", so erfährt man in einem der besten Aufsätze der vorliegenden Neuerscheinung, kennzeichnete er eine subversive Strategie der Erinnerung, die dem "mainstream" der Überlieferung seine systematischen Aussparungen vorhält, ihn durch den nicht aufgehenden Rest kontrastiert. Denn die Art, so schreibt Benjamin, in der "etwas Gewesenes" "als >Erbe < gewürdigt wird, ist unheilvoller, als seine Verschollenheit es sein könnte." Bezogen auf sein eigenes Werk hätte ihn die Drohung mit Musealisierung besonders erschreckt. Daher ist mindestens ein Maßstab, an dem die Aufsatzsamrnlung gemessen werden wird, durch Walter Benjamin selbst vorgegeben.
Man wird der Publikation allerdings nicht vorwerfen können, sich einer falschen Vereinheitlichung des polyzentrischen Denkens Walter Benjamins schuldig zu machen.CDie7 Gefahr einer einebnenden Verflachung ist durchaus reflektiert. Ihr wird schon in der Organisation des Aufsatzbandes begegnet: Dreiundzwanzig Aufsätze sind von dreiundzwanzig unterschiedlichen Autoren verfaßt und stellen eben so viele unterschiedliche Ausgangspunkte, Zugriffe und Perspektiven dar. Beliebig sind die Perspektiven nicht. Die Aufsätze genügen wissenschaftlichen Standards und die Autoren, ganz überwiegend Literaturwissenschaftler in akademischen Ämtern, zählen zu den renommiertesten und wichtigsten Benjamin-Interpreten. Sie tragen auch Benjamins literarischer und philosophischer Sperrigkeit durchaus Rechnung. Deshalb ist der Aufsatzband letztendlich kein Benjanün-Lexikon. Werden auch die grundlegenden Strukturen seines Denkens deutlich, wird gleichwohl kein'befriedeter Benjanün für die Schublade präsentiert, sondern bestenfalls ein Benjamin-Baukast - zu arbeiten bleibt dem Leser selbst überlassen. Dafür finden sich auch die vielen Stellenhinweise und Literaturangaben, die geradezu zur Vertiefung auffordern. So sind Konzeption und Durchführung des Aufsätzbandes sehr anspruchsvoll und dem Gegenstand auch -angemessen. Trotzdem lassen sich einige Abstriche machen. Insbesondere der konstitutiven Interdisziplinarität des Benjaminschen Denkens, seinem Sitzen zwischen den Stühlen, ist durch die scientific community von fast ausschließlich Literaturwissenschaftlem nicht angemessen Rechnung getragen. Nur zwei Philosophen besprechen einen Denker, der in der Einleitung ausdrücklich als Philosoph vorgestellt wird. Esoteriker und Kunstwissenschaftler fehlen ganz.
Die Herausgeber weisen zurecht selbstkritisch darauf hin, daß sehr wichtige Begriffe des Benjaminschen Denkens ausgespart sind. Mag man das auch verzeihen, so könnte man doch darauf hinweisen, daß einige der erläuterten Begriffe von Benjamins Denken eher illustrative als terminologische Bedeutung haben und vielleicht nicht unbedingt zum Fundament seines Denkens zählen. So erreichen auch nicht alte Aufsätze die wünschenswerte Prägnanz und Klarheit. Insbesondere aufgrund der überwiegenden Zahl sehr guter Aufsätze, die grundlegendes bieten, bleiben diese Defizite jedoch, akzeptabel. "Daß dieser zweibändige Benjamin-Baukasten für eine Reihe von intellektuellen Spreng-Sätzen gut ist, wird dadurch nicht berührt. Letztlich bleibt Walter Benjamin auch nach dieser Veröffentlichung kontrovers und subversiv, ein Maulwurf im kulturellen Archiv. Er wird eher verlebendigt als musealisiert, so daß sich sagen läßt: Vor der Gefahr seiner nachhaltigen Archivierung ist er vorübergehend gerettet.
Walter Benjamin über seine zentralen Begriffe zu erschließen ist naheliegend und vielversprechend. Die programmatischen Begriffe stehen wie Grenzpfähle um eine Reihe von Dunkelstellen, in denen sich schon so mancher Interpret verlaufen hat. Das, was sich an Benjamins Denken erfassen läßt, sollte sich an seinen zentralen Begriffen entfalten lassen. So darf man vermuten, daß mit jener Aufsatzsammlung die grundlegendste und klarste Topographie der Schriften Walter Benjamins vorliegt. Und tatsächlich nehmen die Aufsätze eine gründliche Vermessung der Benjanünschen Landkarte vor, wie es sie bis jetzt noch nicht gegeben hat.
Dennoch: Skepsis ist geboten! Ein Benjamin-Lexikon droht Benjamin endgültig zum Klassiker zu degradieren. Und gerade er selbst, jener dunkle und sperrige Denker mißtraute der nachträglich hergestellten Ordnung kulturelles Archive. Mit dem Begriff der "Rettung", so erfährt man in einem der besten Aufsätze der vorliegenden Neuerscheinung, kennzeichnete er eine subversive Strategie der Erinnerung, die dem "mainstream" der Überlieferung seine systematischen Aussparungen vorhält, ihn durch den nicht aufgehenden Rest kontrastiert. Denn die Art, so schreibt Benjamin, in der "etwas Gewesenes" "als >Erbe < gewürdigt wird, ist unheilvoller, als seine Verschollenheit es sein könnte." Bezogen auf sein eigenes Werk hätte ihn die Drohung mit Musealisierung besonders erschreckt. Daher ist mindestens ein Maßstab, an dem die Aufsatzsamrnlung gemessen werden wird, durch Walter Benjamin selbst vorgegeben.
Man wird der Publikation allerdings nicht vorwerfen können, sich einer falschen Vereinheitlichung des polyzentrischen Denkens Walter Benjamins schuldig zu machen.CDie7 Gefahr einer einebnenden Verflachung ist durchaus reflektiert. Ihr wird schon in der Organisation des Aufsatzbandes begegnet: Dreiundzwanzig Aufsätze sind von dreiundzwanzig unterschiedlichen Autoren verfaßt und stellen eben so viele unterschiedliche Ausgangspunkte, Zugriffe und Perspektiven dar. Beliebig sind die Perspektiven nicht. Die Aufsätze genügen wissenschaftlichen Standards und die Autoren, ganz überwiegend Literaturwissenschaftler in akademischen Ämtern, zählen zu den renommiertesten und wichtigsten Benjamin-Interpreten. Sie tragen auch Benjamins literarischer und philosophischer Sperrigkeit durchaus Rechnung. Deshalb ist der Aufsatzband letztendlich kein Benjanün-Lexikon. Werden auch die grundlegenden Strukturen seines Denkens deutlich, wird gleichwohl kein'befriedeter Benjanün für die Schublade präsentiert, sondern bestenfalls ein Benjamin-Baukast - zu arbeiten bleibt dem Leser selbst überlassen. Dafür finden sich auch die vielen Stellenhinweise und Literaturangaben, die geradezu zur Vertiefung auffordern. So sind Konzeption und Durchführung des Aufsätzbandes sehr anspruchsvoll und dem Gegenstand auch -angemessen. Trotzdem lassen sich einige Abstriche machen. Insbesondere der konstitutiven Interdisziplinarität des Benjaminschen Denkens, seinem Sitzen zwischen den Stühlen, ist durch die scientific community von fast ausschließlich Literaturwissenschaftlem nicht angemessen Rechnung getragen. Nur zwei Philosophen besprechen einen Denker, der in der Einleitung ausdrücklich als Philosoph vorgestellt wird. Esoteriker und Kunstwissenschaftler fehlen ganz.
Die Herausgeber weisen zurecht selbstkritisch darauf hin, daß sehr wichtige Begriffe des Benjaminschen Denkens ausgespart sind. Mag man das auch verzeihen, so könnte man doch darauf hinweisen, daß einige der erläuterten Begriffe von Benjamins Denken eher illustrative als terminologische Bedeutung haben und vielleicht nicht unbedingt zum Fundament seines Denkens zählen. So erreichen auch nicht alte Aufsätze die wünschenswerte Prägnanz und Klarheit. Insbesondere aufgrund der überwiegenden Zahl sehr guter Aufsätze, die grundlegendes bieten, bleiben diese Defizite jedoch, akzeptabel. "Daß dieser zweibändige Benjamin-Baukasten für eine Reihe von intellektuellen Spreng-Sätzen gut ist, wird dadurch nicht berührt. Letztlich bleibt Walter Benjamin auch nach dieser Veröffentlichung kontrovers und subversiv, ein Maulwurf im kulturellen Archiv. Er wird eher verlebendigt als musealisiert, so daß sich sagen läßt: Vor der Gefahr seiner nachhaltigen Archivierung ist er vorübergehend gerettet.