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Berechtigte Kritik?

Bereits im kommenden Jahr soll Baubeginn sein, doch bis zum heutigen Tag gibt es noch keine konkreten Pläne: Und so haftet dem Projekt "Science City" etwas Geheimnisvolles an. Fest steht nur soviel: Rund 400 Millionen Schweizer Franken, das sind knapp 270 Millionen Euro, will die ETH-Zürich auf dem Hönggerberg am Rande der größten Schweizer Stadt verbauen – also genau dort, wo die Hochschule bereits jetzt mit ihren moderneren Laborgebäuden ihren zweiten Standort hat. Und was da alles geplant ist: Studentenwohnheime, Professoren-Siedlungen, das alles mit Bibiliotheken, Labors und Hörsälen vernetzt – vier Architekten haben dazu ihre Vorstellungen vorgelegt. Fest steht vor allem eines: "Science City" ist mehr als ein ganz normaler Campus.

Von Thomas Wagner |
    Es ist sehr viel mehr. Es ist die Vision der ETH Zürich, einen Campus zu schaffen, der mehr ist wie ein Campus, der eigentlich ein Begegnungsort ist zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Es gibt eine ganz pragmatische Seite: Die ETH Zürich muss, wenn sie im Wissenschaftsbetrieb konkurrenzfähig sein will, natürlich ihre Wissenschaftsinstitutionen ausbauen, mit modernsten Mitteln versehen. Sie muss aber auch Wohnräume schaffen auf dem Hönggerberg, um Doktorierende, die man aus der ganzen Welt haben möchte, unterzubringen. Wenn Menschen dort wohnen, dann braucht es auch Infrastruktur, und dann wird es zu einem Campus, aber wir möchten mehr sein als ein amerikanischer Campus, wir möchten ein europäischer Campus sein, der offen ist auch für die Menschen rundherum, um wirklich auch die Wissenschaft zu erfahren und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

    so Rolf Probala, Sprecher der ETH Zürich. Wie so etwas architektonisch aussehen soll, dazu hat die ETH Zürich bislang zwar noch keine Entscheidung getroffen. Wohl aber wissen die Planer sehr wohl, wie ganz konkret ein "Europäischer", ein "offener Campus" aussehen soll.

    Es wird ganz praktisch so sein, dass Einrichtungen, die von den Quartierbewohnern, die daneben wohnen, benutzt werden können, zum Beispiel das Sportzentrum, dass die Vereine, die in der Nachbarschaft sind, dieses Sportzentrum auch nutzen können, und dass andere Einrichtungen, die da sind, genutzt werden können. Wir denken uns aber auch, dass es feste Interfaces geben muss. Man müsste zum Beispiel hinkommen können und sagen: An bestimmten Tagen kann man Professoren treffen. Und die stehen dann auch zur Verfügung.

    Das Problem ist nur: Vielen Anwohnern schmeckt die Sache überhaupt nicht. Denn noch besteht der Hönggerberg zu einem großen Teil aus weitläufigen Grün- und Waldflächen. Die müssten für "Science City" geopfert werden. Doch diese Grünflächen sind vielen Anwohnern deutlich mehr wert als die Aussicht, ab und an mit ein paar Professoren in "Science City" diskutieren zu können.

    Ich bin dagegen, oder, dass so etwas gebaut wird: Zu groß und überhaupt, die Grünflächen. Da wird alles verschandelt.

    Ich bin auch nicht begeistert, weil einfach noch mehr verbaut wir, so in einer Naherholungszone. Ich find das nicht so toll.

    500 Anwohner haben bereits auf einer Unterschriftenliste gegen "Science City" mobil gemacht; täglich werden es mehr. Und auch auf politischer Ebene wächst der Widerstand. Schlechte Verkehrsanbindung, zu tiefe ökologische Einschnitte – das ist das Argument der "Grünen" im Züricher Stadtrat. Wortführer Pierino Cerliani geht in seiner Kritik aber noch einen Schritt weiter. "Science City" – das sei nichts anderes als ein Campus nach klassischem amerikanischem Vorbild. Und so was passe nicht nach Europa, schon gar nicht in die Schweiz.

    Es gibt auch Untersuchungen der Universität Darmstadt, dass eben diese Campus-Idee nirgends im übrigen Europa hat Fuß fassen können. Und das hängt sehr stark damit zusammen, dass die Tradition dieser europäischen Hochschulen außerhalb des englischsprachigen Raumes sehr eng mit der Standortstadt verbunden sind. Da sind enge gesellschaftliche und auch politische Verquickungen, auch Vermengungen da.

    Profs, die sich in der Stadtpolitik engagieren; Studenten, die schon mal auch eine Bürgerinitiative zusammentrommeln, Dozenten, die Kunstausstellungen und Dichterlesungen in der Innenstadt organisieren,– so etwas hat in Zürich eine lange Tradition. Wohnen, arbeiten, zum Teil auch noch die Freizeit verbringen auf dem neuen Campus in "Science City" – das sei ein großer Bruch mit dieser Tradition.

    Sehr viele Studenten, Schweizer Studenten, die suchen das gerade nicht.

    Damit reicht die Bedeutung des Streites um "Science City" weit über die Schweiz hinaus. Hier geht es um die grundsätzliche Frage: Geht ein Campus-Projekt wie "Science Cityx" in Zürich automatisch mit der Entwicklung hin zum Elfenbeintum einher, abseits der Gesellschaft am jeweiligen Standort? Oder andersherum: Wie muss ein Projekt wie "Science City" angelegt sein, damit trotz des Campus-Charakters die Verzahnung mit dem Standort erhalten bleibt ? Möglicherweise wird das Züricher Projekt hierauf eine Antwort geben. Die ETH hat Projektgegner Periono Cerliani eingeladen, an den weiteren Planungen mitzuwirken. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.