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Bergen-Belsen
Queen erinnert an Deutschlands dunkelstes Kapitel

Bergen-Belsen gilt in Großbritannien als das Symbol für die NS-Verbrechen. Am Ort des ehemaligen Konzentrationslagers erinnerte die britische Königin Elisabeth II. an damals – und die positive Entwicklung im Verhältnis der Länder seitdem. Es war die letzte Station ihres Deutschlandbesuchs.

Von Alexander Budde | 26.06.2015
    Elizabeth II. und Prinz Philip neben Jens-Christian Wagner, Direktor der Gedenkstätte Bergen-Belsen.
    Elizabeth II. und Prinz Philip neben Jens-Christian Wagner, Direktor der Gedenkstätte Bergen-Belsen. (picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte)
    Knapp bemessen ist ihre Zeit: An der Inschriftenwand legen Königin Elisabeth II. und ihr Gemahl, der Herzog von Edinburgh, einen Kranz nieder. Stillens Andenken an die 52.000 KZ-Häftlinge, die hier inmitten der Lüneburger Heide in Massengräbern liegen. Auch 20.000 politische Häftlinge und Kriegsgefangene starben in Bergen-Belsen an organisierter Vernachlässigung, an Hunger, Seuchen, Entkräftung. Als die britischen Soldaten hier im April 1945 kampflos einrückten, finden sie ein Inferno vor, das selbst erfahrene Frontsoldaten tief erschütterte. Auf dem Lagergelände liegen 10.000 halb verweste Leichen.
    "Es war ein Friedhof hier. Man ist einfach unter Leichen. Und das Wetter war sehr schön, und alles ist verwest. Also der Gestank muss geradezu irre gewesen sein. Bis die Briten nicht reingekommen sind, hat niemand geahnt oder auch nur gehofft."
    Für Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin des Mädchenorchesters auch die Mordfabrik Auschwitz überlebte, gehörten die aufgetürmten Leichen einmal zum Landschaftsbild. 70 Jahre später begleitet die Mitbegründerin des English Chamber Orchestra die Queen auf ihrem Gang. Das britische Staatsoberhaupt will wohl einen Akzent setzen, mutmaßt Lasker-Wallfisch. Den königlichen Besuch in Belsen nennt die Überlebende eine "ziemlich verspätete Geste. Aber, es ist gut, dass sie es macht. Immerhin ist das eine sehr englische Affäre hier."
    Bilder- und Tondokumente britischer Reporter dokumentieren die letzten Tage des KZ. Sie haben sich tief in die kollektive Erinnerung eingegraben. Bergen-Belsen gilt in Großbritannien als das Symbol schlechthin für die NS-Verbrechen, sagt Gedenkstättenleiter Jens Christian-Wagner. Auch das jüdische Mädchen Anne Frank, sie starb Wochen vor der Befreiung, ist Briten ein Begriff.
    "Letzten Endes haben genau diese Bilder aus dem befreiten Lager, nicht nur den Soldaten, sondern auch der britischen Bevölkerung noch einmal sehr deutlich gezeigt, warum und wofür sie gekämpft haben."
    Noch einmal sind einige der hoch betagten Veteranen zurückgekehrt. Die Queen trifft auch auf junge Leute, die eine App entwickelt haben, die das Lager erklären soll. Das britische Panzerregiment, das Belsen befreite, blieb im naheliegenden Bergen stationiert. Von hier aus zogen die "Wüstenratten", wie sie genannt werden, später zu Kampfeinsätzen in den Irak, nach Bosnien und Afghanistan. In diesen Tagen wird ihr Hauptquartier aufgelöst, was bleibt, sagt Verbindungsoffizier Hugh Pierson ist die gegenseitige Zuneigung, die in 70 Jahren gewachsen ist.
    "Über die Jahre kamen natürlich sehr viel Ehepaare zusammen. Und diese Familie haben natürlich sehr viel mitgekriegt: Esskultur, zu sehen, wie das Land gepflegt ist, Kleidung, Manier. Und das haben viele mit und werden mitnehmen!"
    Am Nachmittag wird die Queen vom Fliegerhorst Celle die Heimreise antreten. Einige deutsch-britische Soldatenfamilien werden ihr dann zuwinken. Letzte Gelegenheit auch für einige hundert royale Fans dem britischen Staatsoberhaupt zum Abschied noch einmal näher zu kommen.