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Bergtourismus
Branchenexperten diskutieren über Nachhaltigkeit

Die Zahl der Bergtouristen steigt weltweit. Mancherorts führt das zu Konflikten. Bei der Europäisch-asiatischen Berg-Tourismus-Konferenz in Berchtesgaden diskutieren Branchenexperten über Lösungen: Mehr Nachhaltigkeit statt Partymeile – so soll demnach die Zukunft des Bergtourismus aussehen.

Von Susanne Lettenbauer | 04.03.2019
Skilangläufer auf Loipen aus Kunstschnee vor dem Massif des Aravis
Wie sich Besucherströme in den Bergen steuern lassen, diskutieren Branchenexperten derzeit in Berchtesgaden (picture alliance / dpa / imageBROKER)
Ein Umdenken ist jetzt notwendig, so lautet ein erstes Fazit der Berg-Tourismus-Konferenz von Berchtesgaden. Bergregionen wie die Alpen, aber auch der Kaukasus, die Karpaten, der Himalaya, der Atlas oder die Anden geraten immer stärker unter Druck, nicht nur durch die wachsende Zahl an Bergsportmöglichkeiten und den damit verbundenen Konflikten mit Natur und einheimischer Bevölkerung, sondern auch durch den Klimawandel. Weniger Gletscher, weniger Süßwasser, ein Rückgang der Landwirtschaft auf der einen, wachsender Autoverkehr, steigende Touristenzahlen auf der anderen Seite mit den Negativfolgen Müll, Naturzerstörung und Luftbelastung. Man habe der Entwicklung zu lange zugesehen, gibt Zurab Pololikashvili, Generalsekretär der Welt-Tourismus-Organisation der Vereinten Nationen UNWTO zu:
"In den Bergen stehen wir vor einer Menge Problemen. Übernutzung, Klimawandel. Aber es gibt gute Initiativen und Projekte, um sie zu lösen, die Umwelt zu entlasten und dieses wichtige Thema zu anzugehen."
Mehr Ranger, weniger Tagestouristen
Erste Initiativen kommen aus dem Konferenzort Berchtesgaden. Und sie sind auch der Grund dafür, dass Deutschland zum ersten Mal den Zuschlag für die Ausrichtung der UNWTO-Konferenz erhielt. Mehr Klasse statt Masse - so lautet das Motto der neugegründeten Berchtesgadener Arbeitsgruppe "Nachhaltiger Tourismus". Die wichtigsten Maßnahmen sind: Die erfolgreiche Etablierung des Bergsteigerdorfes Ramsau, das komplett auf Skipisten und Seilbahnen verzichtet, zugunsten von Schneeschuhkursen oder -tourengehen, Elektroboote auf dem Königssee, die Forderung nach mehr Nationalparkrangern zur Steuerung der Besucherströme. Und die bewusste Abwendung vom Tagestourismus so Berchtesgadens Landrat Georg Grabner:
"Die werden genauso noch kommen, das steht ja gar nicht in Zweifel, aber wir wollen uns nicht an einer Preistreiberei beteiligen, immer noch mehr und immer noch billiger und die Menschen hier durchschleusen, sondern die Menschen sollen die Region auch so erleben, wie sie ist, und einen Mehrwert dann haben."
Lokale Bevölkerung soll einbezogen werden
Entzerrung von Urlauberströmen, nachhaltiger Tourismus mit Hilfe von Regionalprodukten einheimischer Landwirte und eine verstärkte Einbindung der örtlichen Bevölkerung seien Wege aus dem wachsenden Konflikt zwischen Einheimischen und Gästen, so Matthias Jurek, Mitarbeiter im Umweltprogramm der UNWTO:
"Die Miteinbeziehung der lokalen Bevölkerung ist sehr wichtig und dass eben durch den Tourismus Jobmöglichkeiten kreiert werden, damit sie auch profitieren. Also man sieht in vielen Bergregionen, egal ob es am Mount Kilimandscharo ist, am Mount Kenya, ob es im Himalaya ist, dass viele von den Guides lokale Angestellte sind, die natürlich sehr davon leben, dass heißt, sie brauchen den Tourismus. Man sieht auch in Afrika, dass man dort mit der Müllproblematik sorgfältig umgeht, indem man zum Beispiel die Rucksäcke abwiegt, bevor man das Gebiet betritt und die auch wieder gewogen werden, wenn man das Gebiet verlässt."
Positive Beispiele auch im Himalaya
Überregionale Mountainbiketouren in den Dolomiten, der behutsame Ausbau von Tourenskigebieten in Nordnorwegen, slow food auf den Philippinen, hohe Gebühren für den Besuch der Berggorillas in Ruanda, die der lokalen Bevölkerung zugute kommen – es gäbe zahlreiche gute Ansätze, so Jurek, die bei einer besseren Kooperation innerhalb der Bergregionen weltweit vorbildhaft wirken könnten:
"Es wird immer viel geredet, wir haben Sorgen, es gibt Probleme in den Bergen. Es gibt zum Beispiel ein gutes Projekt im Himalaya in Nepal, wo man quasi den Kot, die Exkremente, die durch die Menschen zurückgelassen werden, umwandelt in biofuel, das wieder als Energie dort für die Communities benutzt wird."
Die UNWTO könne dabei aber nur beratend zur Seite stehen, betont Generalsekretär Pololikashvili. Es müsse noch viel Überzeugungsarbeit vor allem bei Lokalpolitikern geleistet werden.