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Natur gegen Bergbau
Ressourcenkonflikt im indischen Western-Ghats-Gebirge

Sonnengeflutete Strände und Palmenhaine: In Reiseprospekten erscheint das indische Goa als tropisches Ferienparadies. Von entwaldeten Hügeln und ausgetrockneten Bächen keine Spur. Doch die Kehrseite von Indiens wirtschaftlichem Aufstieg ist die Zerstörung kostbarer Naturressourcen. Betroffen sind auch die Western-Ghats-Berge an Indiens Westküste.

Von Rainer Hörig | 27.07.2015
    In Reiseprospekten erscheint Goa, das tropische Ferienparadies an Indiens Westküste, mit sonnengefluteten Stränden und Palmenhainen. Grüne Reisfelder erstrecken sich bis zum Horizont. Was die Prospekte nicht zeigen, sind die entwaldeten Hügel im Hinterland, in denen riesige, rotbraune Wunden klaffen.

    "Zunächst hatten wir keine Ahnung, was Bergbau eigentlich bedeutet. Aber als die Folgen spürbar wurden, als unsere Wälder verwüstet wurden und die Bäche austrockneten, wachten wir auf. Das ganze Dorf schloss sich zusammen und forderte die sofortige Schließung der Minen."

    Der junge Bauer und College-Student Ravindra Velip wollte der Zerstörung seines Dorfes Cauverim nicht tatenlos zusehen. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen stieß er Diskussionen in der Dorfgemeinschaft an. Die Bewohner beschlossen, dem Bergbau Widerstand zu leisten. Mit Sitzblockaden vor Behörden und auf den Zufahrtsstraßen erzwangen sie die Schließung der Bergwerke.
    Dorfbewohner protestieren gegen Bergwerke
    Ein Spruch des Obersten Gerichtes führte 2012 zu einem Moratorium für den gesamten Eisenerzbergbau in Goa. Damit verlor der kleine Bundesstaat in Südindien einen großen Teil seiner Einnahmen, der mit dem Export von Eisenerz nach China erwirtschaftet wurde. Die Bewohner von Cauverim freut es, meint Ravindra Velip:

    "Bald wurden die Flüsse wieder klar und sauber, die Fischbestände erholten sich. In Cauverim nahmen viele die Landwirtschaft wieder auf, wir kehrten zur alten Wirtschaftsweise zurück."

    Indiens Wirtschaft soll in den kommenden Jahren um jeweils sieben Prozent wachsen, so will es die Regierung. Die dazu nötigen Ressourcen wie Land, Wasser, Wald und Mineralien werden jedoch zum großen Teil bereits genutzt. Überall im Lande brechen daher Konflikte um kostbare Naturressourcen auf.
    Paradebeispiel ist die Bergregion Western Ghats, die sich 1.500 km entlang der indischen Westküste erstreckt. Kurz nach der Jahrtausendwende machten Umweltschützer auf die alarmierende Zerstörung in den Western Ghats aufmerksam. Ohne deren artenreiche Wälder würden Südindiens Flüsse versiegen, mahnten sie.
    Vielerorts demonstrierten Dorfgemeinschaften gegen neu geplante Kraftwerke, Eisenerzminen und Staudämme. Das Umweltministerium in Neu-Delhi beauftragte ein Expertenteam mit einer ökologischen Bestandsaufnahme des gesamten Gebirgszuges. Geleitet wurde es von dem Ökologie-Professor Madhav Gadgil:

    "Wir haben versucht, innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens eine möglichst umfassende, wissenschaftlich basierte Bestandsaufnahme der ökologischen Situation in den Western Ghats zu erarbeiten und den Menschen zugänglich zu machen. Wir wünschen uns, dass Dorfräte und -versammlungen auf der Grundlage unseres Berichts qualifizierte Entscheidungen über Nutzung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen in der Umgebung der Dörfer beraten und beschließen."
    Schutzgebiete für die Erhaltung der Natur
    Zur Zeit bemühen sich Forstbehörden und Dorfgemeinschaften darum, solche Schutzgebiete zu markieren. Dabei treten die Konflikte um eine Nutzung des Landes offen zutage. Die demokratische Teilhabe der Bevölkerung wird vielerorts missachtet oder gar von einflussreichen Interessengruppen manipuliert, sagt die Archäologin und Umweltschützerin Saili Palande-Datar, die in den Bergdörfern des Staates Maharashtra arbeitet:

    "Lokalpolitiker, Großgrundbesitzer und Investoren aus den Städten leisten Widerstand, sie fürchten um ihre Pläne zur industriellen Entwicklung, zur Erschließung von Erzminen etwa. Während öffentlicher Anhörungen erlebten wir in vielen Dörfern, wie Politiker und auch Beamte die Menschen mit falschen Behauptungen verwirren.
    Sie versuchen, den Leuten weiszumachen, dass jegliche Nutzung von Wäldern und Äckern verboten würde, wenn sie der Einrichtung von Schutzgebieten zustimmten. Das ist absurd, eine Art von Gehirnwäsche!"

    Die Western Ghats und ihre einzigartige Fauna und Flora können auf Dauer nur überleben, wenn es gelingt, einen Kompromiss zwischen Nutzung und Bewahrung der Bergwelt zu finden.