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Berlin, Berlin, kein Geld mehr für Berlin

Reiche Bundesländer helfen den armen über den Länderfinanzausgleich. Doch die drei großen Geberländer – Hessen, Bayern, Baden-Württemberg – wollen Klage dagegen einreichen. Das träfe den mit Abstand größten Profiteur Berlin hart.

Von Claudia van Laak | 20.01.2011
    Tobestunde im Kindergarten Krabbelkiste im Berliner Südwesten. Die kleine Lisa hüpft auf dem Trampolin, zieht sich an der Kletterwand hoch.

    Lisas Eltern verdienen beide gut – deshalb kostete sie der Ganztagsplatz bislang 155 Euro im Monat - plus 23 Euro für das Essen. Seit Anfang dieses Jahres ist die Kita beitragsfrei, Mutter Sabine Schmidt muss nur noch das Essengeld bezahlen. Selbstverständlich findet sie das nicht.

    "Nein, selbstverständlich natürlich nicht. Aber ich finde, dass es eine gute Sache ist, besonders für Eltern, die vielleicht mit dem Zahlen der Gebühren Probleme haben."

    Für Berlins rot-rote Landesregierung ist die frühkindliche Bildung ein wichtiges politisches Projekt: Möglichst alle Eltern sollen ihre Kinder mehrere Jahre lang in die Kita schicken. Migrantenkinder lernen so besser Deutsch und haben damit weniger Probleme beim Schulanfang. 16 Millionen Euro zusätzlich gibt Berlin in diesem Jahr für eine bessere Betreuung in den Kitas aus, durch die fehlenden Elternbeiträge entgehen dem Land außerdem 19 Millionen Euro. Finanzsenator Ulrich Nussbaum:

    "Die Hauptstadt mit dreieinhalb Millionen Menschen, mit schwierigen sozialen Problemen, ist nicht München. Deshalb ist es hier wichtig, Kinder aus unterschiedlichen sozialen Milieus und unterschiedlichster Herkunft möglichst früh zu erreichen. Und wenn die kostenlose Kita dazu beiträgt, dann halte ich das für eine richtige Investition."

    Was Berlins rot-roter Senat für politisch essenziell hält, ist für die schwarz-gelben Landesregierungen im Süden Deutschlands ein Luxus, den sie sich nicht leisten wollen. CDU und Liberale setzen andere politische Prioritäten. Deshalb ärgern sich die großen Geberländer – Bayern, Hessen, Baden-Württemberg – über das Schüler-BAföG in Brandenburg oder die kostenlose Kita in Berlin, die sie über den Länderfinanzausgleich mitfinanzieren.

    Berlin ist mit Abstand das größte Nehmerland – es erhält jährlich fast drei Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich, etwa Dreiviertel der Summe, die Bayern einzahlt.

    Er könne den Ärger der Geberländer verstehen, sagt Christoph Meyer, Fraktionsvorsitzender der oppositionellen FDP im Berliner Abgeordnetenhaus. Meyer wirft dem rot-roten Senat vor:

    "Immer am lautesten schreien, immer am meisten Geld fordern, und immer am wenigsten dazu bereit sein und nicht signalisieren, dass man spart. Und das ist der Grund, wieso wir jetzt mit dieser Klage rechnen müssen."

    Die Ausgaben für die Kitas zu kritisieren, hält die FDP allerdings für falsch. Auch Berlins Liberale finden, dass die Millionen für die frühkindliche Bildung gut angelegtes Geld sind. FDP-Fraktionschef Meyer hat andere Sparvorschläge:

    "Berlin gibt nach wie vor viel zu viel Geld aus. Zum Beispiel haben wir immer noch 15.000 Stellen in der öffentlichen Verwaltung zu viel, wenn man Hamburg als ähnlich strukturierter Stadtstaat als Vergleich nimmt. Oder nehmen Sie das Beispiel, das Berlin erst von einem Bundesgericht dazu gezwungen werden musste, die Wohnungsgrößen für Hartz IV-Empfänger auf ein bundeseinheitliches Niveau zu reduzieren."

    Berlins Finanzsenator Ulrich Nussbaum will sich von den Geberländern nicht vorschreiben lassen, wofür das Land sein Geld ausgibt. Wir investieren es in die Kitas, Baden-Württemberg gibt es für seinen sündhaft teuren Bahnhof in Stuttgart aus, Bayern versenkt Millionen in seine Landesbank, merkt der parteilose Politiker spitz an.

    "Das, was die Kollegen und die anderen Länder von Berlin ganz klar erwarten können, ist, dass wir die Schuldenbremse einhalten 2019, dass wir die Konsolidierungsvereinbarungen einhalten, dass wir mit unseren Einnahmen auskommen. Aber was wir mit dem Geld machen, das sollten wir für uns entscheiden, die Bayern sollten es für sich entscheiden."

    Die Klage gegen den Länderfinanzausgleich sei bloßes Wahlkampfgetöse, meint Ulrich Nussbaum. Von einer Gegenklage – wie sie die Nehmerländer Saarland und Rheinland-Pfalz in Erwägung ziehen – hält Berlins Finanzsenator übrigens nichts.