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Berlin
Bibliotheksangebote für Flüchtlinge

Öffentliche Bibliotheken bieten inzwischen mehr als Bücher, Zeitungen und Zeitschriften. Mit Hörbüchern, Filmen, Musik und kostenlosem Internet gibt es ein umfangreiches Angebot, mit dem Bibliotheken auch einen Beitrag zur Integration leisten können. Berliner Bibliotheken richten sich dabei auch speziell nach den Bedürfnissen von Flüchtlingen.

Von Daniela Siebert | 02.06.2016
    Bücherstapel
    Mehr als ein Ort zur Bücherausleihe, sondern Schatzkammern für Kultur, Sprache und Entertainment. (imago stock&people)
    Guten Morgen und herzlich willkommen in der Bibliothek, ich möchte euch heute ein bisschen was über die Bibliothek erklären.
    Anja Nachtweide begrüßt eine Willkommensklasse im Foyer der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg. Sieben Jungs und ein Mädchen, alle um die 14, hören zu. Die Bibliothekarin führt sie in die Jugendbuchabteilung im ersten Stock, wo sie im Halbkreis Stühle aufgestellt hat, um ihnen zu erklären, wie das hier geht:
    "Wer war denn schon mal in einer Bücherei, wer denn schon mal in einer Bibliothek?"
    Nur einzelne Jugendliche nicken schüchtern.
    "In einer Bücherei kann man Bücher oder andere Sachen ausleihen. Wisst ihr was 'ausleihen' bedeutet?"
    Führungen für Flüchtlinge
    In der nächsten Stunde zeigt und erklärt Nachtweide geduldig und fantasievoll, was hier alles geboten wird: inklusive Rundgang durch alle Räume, auch die für Erwachsene und Kleinkinder, Hörbücher und Filme, sowie Suchspiel, bei dem die Kinder wie Detektive Fotomotive in den Räumen wiederfinden müssen: etwa die Beleuchtung des Automaten für die Bücherrückgabe. Das Angebot Fragen zu stellen nutzen die Kinder nicht, offen bleibt, wie groß ihre Sprachbarriere noch ist. Denn ihre Muttersprachen sind Arabisch, Persisch und Türkisch. Schon rund ein dutzend Mal hat die Bibliothek solche Führungen für Flüchtlinge angeboten:
    "Weil das eine Selbstverständlichkeit ist, dass wir auch unseren Teil dazu beitragen zur Willkommenskultur in Deutschland und dass wir einfach auch zeigen können, wie einfach man an diesem Angebot teilhaben kann, weil das ist ja einfach ein kostenloses Kulturangebot, das auch bekannt zu machen."
    Auch andere öffentliche Bibliotheken in Berlin haben Flüchtlinge als neue Nutzergruppe entdeckt. So etwa die Bücherei in der Adalbertstraße, mitten in einem türkisch geprägten Kreuzberger Kiez. Vize-Bibliotheksleiterin Manuela Werner bekam vom Bezirk sogar einen separaten Etat von 5.000 Euro für die Aufgabe:
    "Direkt mit dem Auftrag, davon Bücherkisten zusammenzustellen, um diese in die Unterkünfte zu geben. Und parallel hatten wir dazu aber auch in unserm Bibliothekssystem schon die Entscheidung getroffen, dass wir von unserm Medienetat für 2016 10.000 Euro direkt für dieses Thema Willkommenskultur für Flüchtlinge reservieren."
    Bücherkisten
    In den Bücherkisten waren laut Werner Bücher für Kinder und zum Deutsch lernen. Auch für ihren eigenen Standort hat die Bibliothek mittlerweile mehr fremdsprachige und zweisprachige Bücher ins Regal geholt, außerdem den Bereich Wörterbücher und Deutsch als Fremdsprache aufgestockt. Die Kreuzberger haben sogar eigens eine neue Mitarbeiterin eingestellt, die sich um ein passendes Angebot für Flüchtlinge kümmern soll: Elisabeth Koller. Allerdings beherrscht Elisabeth Koller keine der einschlägigen Flüchtlingssprachen und macht auch sonst eher Pionierarbeit:
    "Ich will auf jeden Fall noch mehr den Kontakt mit den Unterkünften knüpfen. Was wir jetzt geplant haben, ist eine Bibliothekseinführung für Flüchtlingshelferinnen und -helfer. In Zukunft ist das dann schon auch so gedacht, dass ich dann gucke, was gibt der Buchmarkt her. Und wir haben jetzt auf unserer Homepage die Rubrik "Bibliothek einfach für alle", da gibt es einmal dann den Part ‚Ankommen und Leben in Deutschland‘ und dann noch ‚‘Deutsch lernen und lesen‘."
    In der Bibliothek selbst nutzen die Flüchtlinge besonders gerne den kostenlosen WLAN-Zugang, berichten die Mitarbeiterinnen. Als Spezialangebot für Flüchtlinge wurden auch zwei Bücherwägelchen bereitgestellt, vor den jeweiligen Abteilungen für Kinder- und Erwachsenenbücher. Darauf vor allem Wörterbücher, Sprachlernkurse und Fluchtgeschichten, von denen die Bibliothekarinnen glauben, dass sie die Flüchtlinge besonders interessieren könnten.
    Dabei gebe es Argumente für und gegen solche separierten Angebote, erklärt Manuela Werner, denn man wolle die Flüchtlinge ja integrieren und nicht absondern.
    Lernspiele am PC
    Bei den Teenie-Jungs vom Klassenausflug bringen erst die bibliothekseigenen Lernspiele am PC etwas Begeisterung in die Gesichter. Nach Ende der Bibliotheksführung befragt, was sie denn nun hier ausleihen würden, werden sie ganz schnell wieder schüchtern und einsilbig.
    "Comic und Action."
    "Star Wars und ich weiß nicht Name, ein Buch." – "Science Fiction?" – "Ja, Film und Buch!"
    Drei der Willkommensschüler nehmen am Ende neue Bibliotheksausweise mit in ihre Unterkunft. In ganz Berlin wurden in den letzten Monaten rund 3.000 Bibliotheksausweise an Flüchtlinge ausgegeben.