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Berlin
DDR-Lehrer unterrichten wieder an Grundschulen

Lehrer in unteren Klassen hießen in der DDR "LuKs". An Berliner Grundschulen sind sie aufgrund des Lehrermangels jetzt wieder gefragt. Das hätte auch früher passieren können, denn ihre Ausbildung genießt trotz anderslautender Vorurteile einen guten Ruf.

Von Thomas Weinert | 01.11.2016
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    "LuKs" hießen in der DDR die "Lehrer unterer Klassen". An Berliner Grundschulen sind sie jetzt wieder gefragt. (Carsten Rehder/dpa)
    Antonia Pienkny leitet die Christoph-Ruden-Schule in Berlin-Buckow, einem verblüffend dörflichen Flecken von Berlin, ganz im Süden der Stadt. Ein Backsteinbau der 60er, wenige Geschosse, Flachdach, viel Grün drumrum. Eine Idylle im Westberliner Bezirk Neukölln. Die Konrektorin und die Lehrerin, um die es heute gehen soll, sie stammen aus der ehemaligen DDR. Lehrerin Karola Fremke:
    "Ich unterrichte eine JüL-Klasse – jahrgangsübergreifendes Lernen – Klassenstufe eins bis drei."
    Und das erst seit diesem Schuljahr, im August ging es los. Nach 27 Jahren Wartezeit. Das Problem ist ein DDR-Spezifikum namens Luk – Lehrer unterer Klassen. Karola Fremke:
    "Ich habe die Ausbildung als Lehrer für untere Klassen in der DDR gemacht in der Zeit von 1983 bis 1988, und dann war ich genau ein Jahr vor der Wende fertig. 80 Prozent der fertig gewordenen Studenten sind ja damals in der DDR erst mal im Hort eingesetzt worden – im Schulhort –, weil, es gab keine spezielle Ausbildung für die Horterzieher. Sondern der Horterzieher an der Schule war ein ausgebildeter Lehrer."
    Chance, wieder Lehrer zu werden
    Karola Fremke blieb im Hort, eine Weiterbildung wie vielen anderen LuKs wurde ihr nicht bewilligt, obwohl sie die ganzen Jahre nichts anderes sein wollte als Lehrerin. Als sie später über diese lange Wartezeit erzählt, da werden einige Tränen über ihre Wangen rollen. Im Sommer war eine Mail der Schulverwaltung gekommen, dem krassen Lehrermangel an Berlins Grundschulen geschuldet. LuKs, die noch im Hort arbeiten, sollten die Chance bekommen, wieder Lehrer zu werden. Jahrelang hatte Antonia Pienkny, die Schulleiterin, genau dies gefordert, zusammen mit dem Grundschullehrerverband in Berlin. Weil sie das, was Karola Fremke über Ihre Ausbildung erzählt, anerkannte:
    "Also eigentlich muss ich feststellen, dass die Ausbildung, die ich in der DDR genossen habe, und ich muss wirklich sagen genossen, denn es war eine fundierte und gründliche Ausbildung, die war hervorragend in der Didaktik, in der Methodik, in der gesamten Anwendung als Lehrer. Und ich weiß durch meine 28 Jahre in der Schule, dass viele viele Lehrer aus dem Westteil der Stadt immer gesagt haben, ihr Kollegen aus der DDR, ihr habt wirklich eine gute und tolle Ausbildung, und man merkt das an der Arbeit der Lehrer."
    Unschöne Sprüche aus der Verwaltung
    Wenn man sich umhört bei Personalräten, dann gab es jahrelang sehr unschöne Sprüche aus der Verwaltung, etwa "Mit dieser Ausbildung wollen Sie sich nicht wirklich vor eine Klasse stellen?! Das ist wenig mehr als Abitur." War es pure Ignoranz oder waren es ideologische Vorbehalte? Grit Buggert, die Konrektorin aus dem Osten, versucht sich an einer Einschätzung:
    "Also ich habe solche Vorbehalte nicht gehört. Kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass ich in der Zeit mein ganzes didaktisches und methodisches Wissen eigentlich dort erhalten habe. Und nicht in meiner zweiten Ausbildung, die ich dann machen musste an der Universität, so dass das eher vorteilhaft war, diese Ausbildung zu haben."
    Und Karola Fremke sagt:
    "Das Einzige, was natürlich in der DDR in der Ausbildung geprägt war, wir hatten natürlich Unterrichtsfächer Marxismus-Leninismus und wir mussten auch die ganzen Lenin-Werke lesen und bearbeiten und darüber reden im Unterricht und in den Seminaren. Aber das sind so Sachen, die wurden ja später im Unterricht bei den kleinen Schülern in den Klassen eins bis vier nicht mehr angewendet."
    "Sehr strukturiertes Vorgehen"
    Auch Ingo Raschdorf, der als Sonderpädagoge die Klasse begleitet, sind diese Vorbehalte fremd, allerdings ist er auch zu jung für den authentisch historischen Blick:
    "Ich kenne aus meiner beruflichen Erfahrung nur die Lehrer, die damals LuK-Lehrer waren, ihre Ausbildung in der DDR gemacht haben und dann Lehrer wurden. Und eine große Stärke dieser Leute ist, dass sie ein sehr strukturiertes Vorgehen haben, sie haben eine ganz klare Vorstellung dessen, was zu machen ist und sie gehen sehr systematisch vor. Das ist eine große Stärke, denke ich."
    Es ist eigentlich nicht zu verstehen, dass es in Berlin so lange gedauert hat, bis dieses Potenzial genutzt wurde, bei all den Schwierigkeiten, die die Stadt hat, ihre Lehrerstellen zu besetzen. Billiger sind die LuK-Lehrkräfte auch noch, etwa 120 Euro verdient Karola Fremke weniger als eine herkömmlich ausgebildete Kollegin. Und aufsteigen darf sie auch nicht, auch das hat schon für Diskussionen im Kollegium der Christoph-Ruden-Schule gesorgt. Karola Fremke ist das egal, für sie ist das, was sie jetzt tun darf, ohnehin die Krönung ihrer Karriere: "Marina! Schere!.