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Berlin
Eine Bustour zu den Steuergeld-Gräbern

Oper, Busbahnhof, Tiergarten: Die Schwarzbustour in Berlin fährt Gebäude und Orte an, für die besonders viele Steuergelder draufgingen. Eine Glitzer-Uhr an der Charité kostete beispielsweise eine halbe Million - obwohl viele Kliniken dringend saniert werden müssten. Verwunderung bei den Tour-Teilnehmern.

Von Anja Nehls | 16.07.2018
    26.03.2018, Berlin: Blick auf die Baustelle am Zentralen Busbahnhof (ZOB).
    Die Kosten für Änderungen am Zentralen Berliner Omnibusbahnhof steigen immer mehr (picture-alliance / dpa / Arne Bänsch)
    Der Bus ist tatsächlich schwarz. Und bis auf den letzten Platz besetzt mit aktuellen künftigen oder hauptsächlich ehemaligen Steuerzahlern. Dass es nicht darum geht, dass die sich heute mal so richtig ärgern, betont Ralf Erbel von der Friedrich-Naumann Stiftung:
    "Es geht hier auch nicht darum, Empörung zu schaffen und der Wut ein Ventil zu geben, nein es geht hier darum, ganz im Gegenteil, dass wir uns die Dinge mal genauer anschauen wollen, diese Orte, und dass wir auch darüber nachdenken wollen, woran es denn liegt, dass es so häufig zu Fällen von Steuerverschwendung kommt.
    Abriss statt Sanierung lässt Kosten steigen
    Hauptsächlich durch Änderungen, wenn die eigentliche Planung schon abgeschlossen ist und die Arbeiten schon in vollem Gange sind. Bestes Beispiel ist der in die Jahre gekommene Zentrale Berliner Omnibusbahnhof. 2013 wurde eine Erweiterung beschlossen. 2015 wurde begonnen und mit Kosten von 14,3 Millionen Euro kalkuliert. Jetzt wird immer noch gebaut und die Kosten sind um das 2,6 fache gestiegen, erklärt Sibylle Meister, haushaltspolitische Sprecherin der Berliner FDP, unter anderem weil auf einmal Gebäude abgerissen, statt einfach saniert werden sollen:
    "In der Zwischenzeit ist auch der Anspruch gewachsen. Das heißt, man hatte überlegt, dass es schon Sinn hat, eine vernünftige Wartehalle zu machen, wo Besucher auch mal aufs Klo gehen kann und wo man ein Wasser und ein Brötchen kaufen kann und das vernünftig zu gestalten. Es gibt eine Planung und dann kommt jemand auf die Idee, ob es jetzt die Verwaltung ist, eine politische Partei, Bürger, dass man das doch eigentlich ganz anders machen könnte"
    Und das treibt die Kosten in die Höhe. 28 Milliarden Euro Volumen hat der Berliner Haushalt, 16 Mrd. davon werden durch Steuereinnahmen finanziert. Ob man dafür wirklich einen Zaun für 580 Euro pro laufendem Meter braucht, um ein Blumenbeet im Großen Tiergarten vor wildlebenden Kaninchen zu schützen, fragt sich Alexander Kraus vom Bund der Steuerzahler
    "Dann wollte der Denkmalschutz aber einen ganz besonderen zeitgenössischen Zaun und dieser Lenné Zaun, das ist so einer aus so kleinen schindelförmigen Schlaufen, das ist enorm teuer. Und weil der so fein sein musste, dass da die Kaninchen nicht durchrutschen, musste der dann speziell angefertigt werden und da gibt es nur zwei Unternehmen, die das können und deshalb hat so immens viel gekostet."
    Teurer Kaninchenzaun für 580 Euro pro Meter
    Aber der Kaninchenzaun war im Nu gebaut, während eine Schule im gleichen Bezirk, die ihre Schüler vor Hinterlassenschaften des benachbarten Straßenstrichs schützen wollte, jahrelang keinen Zaun bekam.
    Der Bus hält als nächstes an der Spree. Hier soll eine Fußgängerbrücke entstehen. 1,8 Millionen waren eingeplant. Dass es nun schon 2,8 Millionen sind liege nicht nur an einem aufwändigen Wettbewerb und dem architektonisch anspruchsvollen Designermodell, meint Sybille Meister:
    "Sondern weil man offensichtlich auch Bauplaner hatte, die nicht so ganz darüber Bescheid wussten, dass man natürlich für eine Brücke einen Schwingungsdämpfer braucht, Widerlager braucht und ähnliche Dinge, weil man sonst keine Brücke bauen kann."
    Ärger um Glitzer-Uhr in Charité
    Bei der Staatsoper habe unter anderem der nachträgliche Wunsch nach einer anderen Akustik die Kosten in die Höhe getrieben – von 240 Millionen auf 440 Millionen – vorläufig. Im Berliner Süden wurden knapp 120.00 Euro für 20m Bänke an einer Straße ausgegeben, vor dem Hauptbahnhof über eine Millionen für ein kompliziert geschwungenes Straßenbahndach und vor der Charité in Mitte fast eine halbe Millionen für ein glitzerndes Kunstwerk, das eine Uhr symbolisieren soll. Und das bei einem Sanierungsrückstau von 2 Milliarden bei den Berliner Kliniken insgesamt, sagt Alexander Kraus:
    "Da machen diese 450.000 Euro für die Kunst möglicherweise den Kohl auch nicht mehr fett, aber möglicherweise sind das die 450.000 Euro, die für irgendeinen Apparat nötig waren, der irgendein Leben hätte retten können."
    Die Meinungen zu Kunst am Bau gehen zwar bei denen, die das mit ihren Steuergeldern bezahlt haben, weit auseinander - Insgesamt jedoch bleibt als Fazit nur Kopfschütteln bei den versammelten Steuerzahlern und das Motto dieses Tages: Nicht ärgern, nur wundern:
    Verwunderung bei den Teilnehmern
    "Ja, das Thema ist es wert, verfolgt zu werden. Es ist bedauerlich, dass so wenige Bürger empört darüber sind, wie mit dem sauer verdienten Steuergeld umgegangen wird." – "Zum Glück ärgere ich mich nicht so sehr." – "Nein, ärgern ist mir zu viel Energie, das mache ich nicht, aber man wundert sich."
    Oder wie man in Berlin sagen würde, frei nach dem 20er-Jahre Humoristen Otto Reutter : Ick wundere mir über jar nüscht mehr.