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Berlin
Hauptstadt voller Webradios

Berlin hat sich zum Nährboden vieler junger Radiomacher entwickelt. Das Multikulti-Flair der Stadt und die einfachen Möglichkeiten, über das Internet auf der ganzen Welt hörbar zu sein, animieren kreative Hauptstädter zu eigenen Radioprogrammen.

Von Vincent Neumann | 04.03.2014
    Ein Mikrofon liegt am 28.10.2013 auf einem Podest in einer Ausstellung in München (Bayern). Foto: Inga Kjer/dpa
    Mit Mikro und Internetanschluss in die ganze Welt: In Berlin starten viele Hobby-Radiomacher zurzeit eigene Webradios. (picture alliance / dpa)
    "Sollen wir das vielleicht auf Englisch machen?"
    Eine Frage, symptomatisch für viele Webradios, die gerade in Berlin wie Pilze aus dem Boden schießen. Die deutsche Hauptstadt zieht immer mehr internationale und multi-kulturelle Kreativköpfe an und bietet den idealen Nährboden für Grenzen überschreitende Radio-Programme im Internet.
    "In unserem Programm finden sich Leute aus den verschiedensten Kulturen. Und manch ein Deutscher macht gerade seine Musik-Shows lieber auf Englisch, um Berlin auch außerhalb Deutschlands zu repräsentieren, also ein internationales Publikum zu erreichen – und das funktioniert. Das ist wirklich aufregend!"
    Anastazja Moser und Sarah Miles gehören zur neuen, zur internationalen Generation von Webradio-Betreibern. Vor einigen Jahren kamen sie aus Polen beziehungsweise England nach Berlin; im vergangenen Herbst fiel dann der offizielle Startschuss für ihr "Berlin Community Radio"; eine – wie sie es nennen – "Plattform für kulturellen Austausch".
    "Wir haben verfolgt, wie andere Webradios in New York, London oder Amsterdam entstanden sind – und es gibt noch viel mehr! Wir wollten etwas davon nach Berlin bringen, und das haben wir getan."
    Kommunales Radio für das Ausland
    Parallel zum "Berlin Community Radio" hat sich in den vergangenen Monaten das Projekt von Yannis Papé entwickelt. Unterstützt vom Deutsch-Französischen Jugendwerk hat er "Gramofon FM" aufgebaut – eine Spielwiese für radiobegeisterte Neueinsteiger ohne thematische Grenzen. Einzig was die Musik angeht, hat Papé für sein Programm klare Vorstellungen:
    "Wir haben für das musikalische Programm viel mit Frankreich und Deutschland zu tun, aber auch einen lokalen Überblick, was man in Berlin hören kann. Ich wollte klassische Mucke: Krautrock und Rock – das ist gar nicht bekannt in Frankreich. Und klassische Mucke, weil wir in Berlin sind - und da sind die meisten DJs."
    Die Inspiration zu "Gramofon FM" kam - ähnlich wie beim "Berlin Community Radio" - durch Vorbilder aus der internationalen Radio-Szene.
    "In Kanada hat mir das Modell für kommunales Radio ganz gut gefallen, und die Idee hinter "Gramofon FM" wäre, dass es ein kommunales Radio ist – also genau dieses kanadische Modell möchte ich hier übernehmen für die Deutschen und Franzosen, die Interesse an einem Gemeinschaftsprojekt haben."
    "Gramofon FM" und das "Berlin Community Radio" - das sind nur zwei Beispiele für die derzeit ungemein lebhafte Webradio-Szene in Berlin. Was das Internet gerade für die junge Generation von Radiomachern so attraktiv macht: der interkulturelle Ansatz, das durch die weltweite Abrufbarkeit quasi unbegrenzte Hörerpotenzial sowie in erster Linie die einfachen Einstiegsmöglichkeiten.
    Niemand hatte bei uns vorher Radioerfahrung
    "Niemand hatte bei uns vorher irgendwelche Radioerfahrung. Aber sie haben sich alle wirklich gut geschlagen."
    "Ich glaube, der Vorteil vom Webradio ist einfach, dass man es problemlos selbst machen kann. Man muss keine UKW-Frequenz bezahlen, deshalb geht es auch ohne das große Geld."
    Hohe Kosten fallen beim Betrieb des selbstgestalteten Studios in Berlin-Neukölln nicht an; viel funktioniert beim "Berlin Community Radio" außerdem durch den Austausch über die sozialen Netzwerke. Aber bei allem ehrenamtlichen Engagement der beiden Initiatorinnen und aller Beteiligten – ganz ohne finanzielle Starthilfe geht es dann doch nicht, weder beim "Berlin Community Radio", noch bei "Gramofon FM".
    "Wir hatten Glück, dass wir am Anfang das Studio und die Miete finanziert bekommen haben. Andere müssen sich dafür verschulden."
    "Eigentlich war es nur ein provisorisches Projekt; es war ein Experiment bis Ende Dezember 2013, und jetzt nach 14.000 Besuchern innerhalb der drei Monate – zwischen Oktober und Dezember hat es sehr gut geklappt – könnte es weitergehen. Aber wie genau ist noch unklar. Ich bin ja Moderator und Projektleiter, aber kein Business-Man."
    Und genau das könnte zum Problem des derzeitigen Webradio-Booms werden. Das grenzenlose, nahezu kostenfreie und jederzeit abrufbare Medium bietet zwar viele Vorteile; es ist aber nach wie vor abhängig vom guten Willen Einzelner. Und so bleibt auch im World Wide Web ein Rest Sehnsucht erhalten, die Sehnsucht nach dem klassischen Radio:
    "Also am besten wäre eine Frequenz mit einem festen Studio, in einem Funkhaus zum Beispiel."
    "Wenn uns jemand eine UKW-Frequenz gäbe – wir würden nicht nein sagen!"