Eigentlich hat der Evangelische Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte mit seiner Ausschreibung für das neue Luther-Denkmal vieles richtig gemacht. Zumindest signalisiert der Ausschreibungstext durchaus historisches Problembewusstsein.
Keinesfalls will der Kirchenkreis den Eindruck erwecken, man wolle lediglich restaurativ mit der Lutherfigur umgehen und unterschlage dabei Luthers aus heutiger Sicht durchaus problematisches Verhältnis zum Judentum, zu Frauen und zu autoritären Herrschaftsstrukturen. Auch will man keinesfalls umgehen, dass der Bronze-Luther ursprünglich von reformatorischen Mitstreitern umgeben war, die zur Nazizeit für die Waffenproduktion eingeschmolzen wurden, während der von der Naziideologie ausgebeutete Luther allein stehen bleiben durfte.
Weis verdoppelte das alte Denkmal
Zu all dem soll sich die zeitgenössische Interpretation dieses Denkmals verhalten – und so gesehen hat auch der Bildhauer Albert Weis vom künstlerischen Standpunkt sehr vieles richtig gemacht und wurde deshalb durchaus folgerichtig von der Jury mit dem ersten Preis bedacht. Weis bediente sich in seinem Entwurf zusammen mit den Architekten Zeller & Moye eines Kniffs aus der Konzeptkunst: Er verdoppelte das alte Denkmal.
Es war die Pop Art, Andy Warhol vor allem, der die Vervielfältigung von Bildmotiven in der Kunst populär gemacht hat. Die Vervielfältigung dient dabei als Hinweis auf den vielschichtigen Charakter eines Bildmotivs, als Produkt vieler Interessen und Projektionen. Albert Weis und Zeller & Moye wiederum haben das alte Luther-Standbild nicht exakt kopiert, nicht in Bronze, sondern mit einer reflektierenden Chromhaut überzogen, in der sich der Betrachter und die städtische Umgebung spiegeln. Innerhalb des leicht abgesenkten Standortes wirkt dies nun auf manche Betrachter so, als stünden sich in einer Art Arena zwei Lutherfiguren gegenüber und disputierten mit der Bibel in der Hand.
Denkmal mit hohem Wiedererkennungswert
Dazu sollen auf dem Boden in Leuchtschrift wechselnde Zitate eingeblendet werden – allerdings nicht von Luther, sondern, um der zeitgenössischen Interpretation Willen, von Dietrich Bonhoeffer, jenem evangelischen Kirchenhelden des 20. Jahrhunderts, der von den Nazis im KZ Flossenbürg ermordet wurde, und des amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King. Diese eingeblendeten Zitate lassen sich als bewusster Kontrast zu Luthers Obrigkeitsdenken und zu seiner unsäglichen Toleranz in Gewaltfragen verstehen.
Weis scheint mit seinem Entwurf also der Lösung der höchst komplexen Aufgabenstellung durchaus nahezukommen und dabei auch noch ein Denkmal mit hohem Wiedererkennungswert geschaffen zu haben. Wirklich gleichwertig sind die eher unauffälligen Entwürfe der nächstplatzierten Künstler jedenfalls nicht.
Weis scheint mit seinem Entwurf also der Lösung der höchst komplexen Aufgabenstellung durchaus nahezukommen und dabei auch noch ein Denkmal mit hohem Wiedererkennungswert geschaffen zu haben. Wirklich gleichwertig sind die eher unauffälligen Entwürfe der nächstplatzierten Künstler jedenfalls nicht.
Widerstand von Theologen und Historiker gegen das Denkmal
Doch regt sich Widerstand von Theologen und Historikern. Der Historiker und Luther-Biograf Heinz Schilling etwa beklagt wie einige andere schon vor ihm, dass eine solche doppelte Luther-Figur überhaupt keinen Sinn ergebe. Er wirft Weis vor, ein mit sich selbst disputierender Luther laufe der reformatorischen Befreiungsidee völlig zuwider. Diese sehe den Menschen ja gerade aus seiner um sich selbst kreisenden Sündenangst befreit und öffne ihn für die Welt. Gerade zum Luther-Jubiläum sende solch eine Figur das völlig falsche Signal.
Überhaupt hätte der Wettbewerb ganz anders ausgesehen, wenn Theologen in der Jury das Sagen gehabt hätten. Schon in der Jurysitzung hatten die Vertreter des Kirchenkreises gegen den Ersten Preis für Albert Weis Einspruch erhoben. Der Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte wirkt überrascht, dass ein mit besten Absichten ausgelobter Kunstwettbewerb ein völlig eigenständiges, künstlerisches Ergebnis hervorbringt.
Überhaupt hätte der Wettbewerb ganz anders ausgesehen, wenn Theologen in der Jury das Sagen gehabt hätten. Schon in der Jurysitzung hatten die Vertreter des Kirchenkreises gegen den Ersten Preis für Albert Weis Einspruch erhoben. Der Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte wirkt überrascht, dass ein mit besten Absichten ausgelobter Kunstwettbewerb ein völlig eigenständiges, künstlerisches Ergebnis hervorbringt.
Öffentliche Debatte über mögliche Alternativen geplant
Nun wird bereits gemunkelt, es könnte außerhalb des Wettbewerbs ein ganz anderer, mit der Kirche verbundenen Bildhauer beauftragt werden. Da dürfte freilich die Bezirksverwaltung von Berlin-Mitte ein Wort mitzureden haben. Denn der Wettbewerb des Kirchenkreises wurde mit Steuergeldern finanziert, und der Standort des geplanten Denkmals gehört nicht der Kirche, sondern dem Bezirk.
Im September soll nun zunächst einmal noch eine öffentliche Debatte um den Siegerentwurf und mögliche Alternativen stattfinden – vielleicht hilft sie den Vertretern des Kirchenkreises, der künstlerischen Deutung mehr Raum zu geben und den verdoppelten Luther als offenes Kunstwerk zu begreifen, dass sich einer wahrhaft schillernden Portalsfigur der deutschen Geschichte mit angemessener Kühnheit nähert.