Aus Bissau in Westafrika kommt Francis nach Europa, nach Deutschland und nach Berlin. Ein anständiges und gutes Leben will er führen – wie Franz Biberkopf in Döblins Romanvorlage. Als der Afrikaner aber keine Arbeit findet, landet er im Drogenmilieu in der Hasenheide, dem großen Park in Neukölln. Regisseur Burhan Qurbani verlegt Döblins Parabel vom haftentlassenen Arbeiter im Berlin der Goldenen 20er-Jahre in die Hauptstadtgegenwart des Wohlstandslandes Deutschland.
"Man guckt in der Tat gebannt zu, wie Francis schwört, ein anständiges Leben zu führen", sagt DLF-Kulturredakteurin Maja Ellmenreich nach der Premiere in Berlin. "Wie er aber immer wieder strauchelt oder zu Fall gebracht wird, wie er der Verlockung des schnellen Geldes nicht widerstehen kann. Wie er eigentlich einen inneren moralischen Kompass besitzt, der zwischen Gut und Böse zu unterscheiden weiß, wie er aber auch an die falschen Leute gerät."
Keine 1:1-Verfilmung
Im Mittelpunkt stehe der Leidensweg von Francis; viele Details aus dem Roman habe Qurbani weggelassen. Dem Regisseur sei es aber auch gar nicht um eine 1:1-Verfilmung gegangen, so Maja Ellmenreich. Die Hasenheide sei für Qurbani der Ausgangspunkt für seine Fassung von "Berlin Alexanderplatz" gewesen:
"Er wohnt in der Nähe und wollte einen Film über diese Drogendealer drehen. Qurbani ging aber davon aus, dass solch ein Film in Deutschland nur auf wenig Interesse stoßen würde – deshalb hat er den Döblin-Klassiker quasi als Erzählvehikel verwendet."
Gelungen sei ihm damit aber viel mehr, sagt Maja Ellmenreich in "Kultur heute": eine Aktualisierung des Döblin-Romans wie auch ein Film über das Schicksal von Geflüchteten:
"Francis' tiefer Wunsch ist so dringlich, wieder in einer Gemeinschaft anzukommen. 'Nennt mich nicht Flüchtling', sagt er einmal. 'Nennt mich Einwanderer oder Immigrant – aber nicht Flüchtling!'"
Vielschichtige Neuerzählung
Auch die Postkolonialismus-Debatte werde berührt; zum Beispiel, wenn der Kriminelle Reinhold für ein Kostümfest Francis als Affen verkleidet und sich selbst in den blütenweißen Tropenanzug eines Kolonialherren steckt:
"'Berlin Alexanderplatz' ist also eine vielschichtige Neuerzählung, die - bei allen Bezügen zur Gegenwart - wie bei Döblin eine universelle, fast biblische Geschichte eines Mannes erzählt, der – so heißt es im Film – 'anständig sein wollte. Aber man hat ihn nicht gelassen.'"