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Berliner Bürger haben die höchsten Schulden Deutschlands

Wohl kein anderes Unternehmen weiß über die Verschuldung der Deutschen so gut Bescheid wie die "Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung". Die "Schufa" sammelt Millionen Informationen über das Verschuldungsverhalten der Bundesbürger über 18 Jahren. Heute hat die Schufa in Berlin ihren neuen Bericht zur aktuellen Verschuldungslage der privaten Haushalte in Deutschland vorgestellt, der auch im Internet unter abrufbar ist. Tarik Ahmia fasst für uns die wichtigsten Ergebnisse vom Schufa Schuldenkompass 2008 zusammen.

Von Tarik Ahmia | 27.11.2008
    Zum dritten Mal in Folge meldet die Schufa im Schuldenkompass 2008 eine leichte Entspannung bei der privaten Ver- und Überschuldung in Deutschland. Basierend auf Daten des vergangen Jahres zeigt die Untersuchung, dass die Zahl der Menschen erneut zurückgegangen ist, deren Einkommen die Verbindlichkeiten nicht deckt. Allerdings war zum Zeitpunkt der Datenerhebung von den Auswirkungen der aktuellen Finanzkrise noch kaum etwas zu spüren, sagt Schufa-Statistiker Gunter Zimmermann.

    "Für 2007 können wir sagen, dass die Verschuldungssituation insgesamt etwas zurückgegangen ist von 2,9 Millionen auf 2,8 Millionen. Dass ist eine Folge der Verbesserung bei der Lohnsituation. Es ist eindeutig auch ein enormer Rückgang, was die Arbeitslosigkeit betrifft."

    Für die Analyse der privaten Verschuldungslage greift die Schufa auf über 400 Millionen anonymisierte Einzelinformationen von nahezu allen erwachsenen Bundesbürgern zurück, erklärt der Schufa-Vorstandsvorsitzende Rainer Neumann.

    "Die Schufa verfügt über Daten von 65 Millionen Bürgern und so können wir den besten Überblick geben, wie die Situation mit Schulden, die Situation mit Zahlungsausfällen in Deutschland augenblicklich ist."

    Der Schuldenkompass 2008 belegt das anhaltende Nord-Süd-Gefälle bei der privaten Verschuldung. Das zeigt die Schufa-Analyse von insgesamt 429 Kreisen und Städten. Die Top 20 der Orte mit den besten Kreditnehmern stammen ausschließlich aus Bayern, Baden Württemberg und Hessen. Am häufigsten verschuldet sind Haushalte in Sachsen-Anhalt, Bremen und – wie im Vorjahr auf dem letzten Platz aller Bundesländer – Berlin. Die Top 5 liegen in Bayern. Die bundesweit solidesten Schuldner leben laut Schufa im Oberbayerischen Eichstätt, gefolgt von München, Starnberg, Ebersberg und Erlangen. Bundesdeutsche Schlusslichter unter den Städten sind in diesem Jahr Delmenhorst, Mönchengladbach, Wilhelmshaven und – auf dem allerletzten Platz – das rheinland-pfälzische Pirmasens. Schufa-Chef Rainer Neumann sieht dafür auch strukturelle Gründe.

    "Schwierig ist die Situation in Gegenden wo die Industrie nicht gut läuft - sei es in Bremen, sei es in abgelegenen Zonen. Sehr positiv sind die Dinge in Bayern und Baden-Württemberg. In Großstädten gibt es einfach aufgrund der Bevölkerungsstruktur doch Probleme die zwei, drei, viermal höher sind als in Zonen, wo es den Leuten richtig gut geht."

    Insgesamt sucht die Zahlungsmoral der Deutschen aber Ihresgleichen: 91,8 Prozent aller privaten Kreditnehmer in Deutschland zahlen ihre Raten für Konsum- und Hypothekenkredite reibungslos zurück. Das Risiko, dass in Deutschland Kredite privater Verbraucher platzen, betrug im vergangen Jahr gerade einmal 2,5 Prozent. Zum Vergleich: In Großbritannien und den USA liegt die Ausfallquote zwischen fünf und sechs Prozent. Dabei beschränkt sich die Vergabe von Krediten in Deutschland keineswegs auf Gutbetuchte. Die Schufa-Studie zeigt, dass Verschuldung heute gleichmäßig alle Einkommensgruppen betrifft. Sogar Haushalte, die weniger als die monatliche Pfändungsfreigrenze von 990 Euro verdienen, machen einen erheblichen Anteil des Kreditmarktes aus, sagt Gunter Zimmermann.

    "18 Prozent der Haushalte, also fast ein Fünftel aller Haushalte haben ein Haushaltsnettoeinkommen, das unter der Pfändungsfreigrenze liegt. Diese Haushalte werden aber vom Kreditmarkt nicht ausgeschlossen, sondern sie sind genau dem Anteil - etwa wieder ein Fünftel – verschuldet. Das heißt also, diese pauschalen Aussagen Kredite bekommen nur die, die es sich leisten können, und nicht die die, die sie tatsächlich benötigen, das ist einfach Unsinn. Es werden sowohl Niedrigeinkommensbezieher wie auch andere völlig identisch behandelt am Kreditmarkt. "

    Allerdings nimmt das Risiko der Überschuldung zu, je weniger ein Kreditnehmer verdient. Besonders stark von Überschuldung betroffen sind Ein-Personen Haushalte, Alleinerziehende, sowie junge Leute unter 24 Jahren. Aber auch Scheidungen, mangelnde Allgemeinbildung sowie Unerfahrenheit in Geldangelegenheiten können in die Schuldenfalle führen.
    Eine weitere gute Nachricht gibt es noch: Als Folge des letzten wirtschaftlichen Aufschwungs könnte in diesem Jahr erstmals die Zahl der privaten Pleiten zurückgehen – ein Novum seit Einführung des Verbraucherinsolvenzrechtes im Jahr 1999. Im laufenden Jahr dürften nur noch etwa 97.000 Schuldner den Offenbarungseid leisten, nachdem es im letzten Jahr 105.000 Privatinsolvenzen gab.

    In der aktuellen Finanzkrise mehren sich allerdings die Anzeichen, dass sich die Zahlungsmoral der Verbraucher verschlechtert. So gehen nach der jüngsten Herbstumfrage Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen 45 Prozent der Inkassofirmen davon aus, dass Schuldner ihre Rechnungen im kommenden Jahr schlechter bezahlen werden. Die Quote ist hat sich seit dem Sommer mehr als verdoppelt, als nur 22 Prozent mehr Zahlungsausfällen erwarteten. Betroffen sind vor allem Anbieter von Dienstleistungen, Handwerker und Baufirmen.

    Die Untersuchung lässt sich im Internet herunterladen unter www.schulden-kompass.de