
Zwei Männer, zwei Kumpel. Mit Bierflaschen und Manuskriptseiten setzen sie sich einander an einem Tisch gegenüber. Zwischen sich nichts als gute Laune und für jeden eine Klingel, mit der sie den anderen unterbrechen können. Und dann beginnen sie mit- oder besser gegeneinander zu reden. Erzählen lustige Geschichten aus ihrem Leben, reden über Medienstars und Erinnerungen und treiben sich dabei in eine ständige Konkurrenz.
Marcus Youssef und James Long vom "Theatre Replacement & Neworld Theatre" aus Vancouver sind in "Winners & Losers" zwei miteinander kämpfende Erzähler. Deren englische Dialoge 90 Minuten lang kurz vor Mitternacht auf die wenigen Zuschauer einprasseln, die nach den ersten beiden Inszenierungen des Eröffnungsabends von "Foreign Affairs" in die Kassenhalle der Berliner Festspiele gekommen sind. Draußen im Garten beim freien Buffet ist deutlich mehr los, und wohl auch im Rangfoyer des Theaters beim Konzert von "Baby Dee".
Was in "Winners & Losers" passiert, ist formal unspektakulär. Und der Zuschauer fragt sich, bevor er um Mitternacht vorzeitig geht, weil er die im Programmheft behauptete politische Brisanz des Streitgesprächs nicht recht zu entdecken vermochte, was dieses durchaus muntere kleine Sprechtheater bei einem Festival verloren hat, das doch einmal angetreten war, modernes Performance-Theater zu präsentieren.
Auch die erste der drei Aufführungen zum Auftakt des Festivals war schnörkelloses "Sprechtheater". "Cloture de L´Amour" von Pascal Rambert ist seit seiner Uraufführung 2011 beim Festival in Avignon vom Autor in Moskau, Tokio, Zagreb und New York inszeniert worden. Und im April im Hamburger Thalia Theater, das nun bei Foreign Affairs gastiert. "Ende einer Liebe" ist ein Streitgespräch über eine gescheiterte Liebe in Form von zwei Monologen. Ein Mann schleudert seiner Frau eine Stunde lang seine verheerende Analyse ihrer Beziehung entgegen, und sie schnieft betroffen oder krümmt sich vor Schmerz. Bevor sie antwortet und er eine Stunde lang schweigt.
Grellweiß der Bühnenboden, leer der Raum, groß der Abstand zwischen den beiden. Jens Harzer und Marina Galic sprechen ihre Texte mit Intensität, ganz ohne Ironie oder Manierismus. Das ist eine Leistung, denn Lambert präsentiert uns keine Menschen, sondern zwei Thesenträger, die unter der von ihnen angesprochenen Logorrhö leiden.
Der Mann ein Intellektueller voller philosophischer Fragen und Gemeinplätze, der ihr und uns mitteilt: "Der Krieg ist kein Vergnügen". Also der zwischen den beiden. Was auch sie empfindet, zumal sie, damit die Geschlechterklischees stimmen, die Emotionalere, die Nachdenklichere ist. Zwischen den beiden Monologen singt ein Kinderchor "Ein Kuckuck und ein Esel, die hatten einen Streit", und am Schluss setzt sich das Nicht-mehr-Paar blaue Federbüsche auf und steht mit nackten Oberkörpern da.
Warum der Text so erfolgreich ist, bleibt ein Rätsel. Plustert er sich doch mit Bildungsperlen auf und steckt zugleich voller Klischees, ohne uns seine Figuren menschlich oder individuell deutlich zu machen. Der Abend hängt schnell durch, und das Publikum wacht nur einmal aus seiner Lethargie auf: als von draußen Torjubel vom benachbarten Public Viewing hereindringt.
Das ganz große Theaterformat bot danach das belgische Kollektiv "FC Bergman", das zuvor schon bei den Wiener Festwochen gastiert hatte. "Van den Vos" ist eine Adaption der Geschichte von Reineke Fuchs. Vorn ein Pool, hinten eine riesige Glaswand mit Drehtür, dahinter ein drohender Wald. Das Berliner Ensemble Kaleidoskop liefert mit der Popmusikerin Liesa Van der Aa live atmosphärische Musik, und das Geschehen auf der Bühne wird als Live Film gezeigt. Der Wolf ist ein selbst ernannter Moralist, der den Verbrecher Fuchs jagt. Der Abend fragt, wie man Gut und Böse noch eindeutig auseinander halten kann.
In Filmeinspielungen werden die brutalen Morde von Fuchs auf Steilklippen präsentiert. Obwohl in der Darstellung von Gewalt geradezu geschwelgt wird, zum Beispiel, wenn einer Frau das gesamte Gesicht blutig verbissen wird, so erinnern diese Filme an Krimis der fünfziger Jahre. Wie die Figur einer jungen Lolita, der eingeredet wird, sie wolle "gefickt werden und eine Hure sein".
Eine formal ehrgeizige Arbeit mit einigen schönen Momenten, mehr war das nicht. Das gilt auch für den gesamten ersten Abend von "Foreign Affairs".