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Berliner Hochschulen
Studentische Hilfskräfte drohen mit Streik

Tutoren, Assistenten, IT-Betreuung, Bibliotheksmitarbeiter: Ohne studentische Beschäftigte geht nichts an den Hochschulen. In Berlin fordern die nun eine bessere Bezahlung. Nachdem Verhandlungen für einen neuen Tarifvertrag ergebnislos abgebrochen wurden, droht ab Januar ein Streik.

Von Daniela Siebert | 18.12.2017
    Mehrere hundert Demonstranten protestieren unter dem Motto Tanz für den TVStud - Aufwärmen für den Streik für einen neuen Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten der Berliner Hochschulen. Nachdem GEW und ver.di die Tarifverhandlungen nach der Kündigung des aktuellen Tarifvertrags zum Jahresende im Anschluss an die fünfte Verhandlungsrunde für gescheitert erkärten, droht ab Januar ein Streik an den Berliner Hochschulen.
    Mehrere Hundert studentische Beschäftigte demonstrierten in Berlin für einen neuen Tarifvertrag (imago / Christian Mang)
    "Ohne uns läuft hier nix, gebt uns unsre Kohle fix! Tarifvertrag? Yes! Tarifvertrag? Yes! Tarifvertrag, Tarifvertrag, Tarifvertrag? Yes, yes, yes"
    Samstagnachmittag, nasskaltes Nieselwetter. Mehr als 200 studentische Beschäftigte und ihre Sympathisanten haben sich am Berliner Ostbahnhof versammelt. Viele Verdi- und GEW-Fahnen sind zu sehen. Und selbstgemalte Plakate mit Forderungen.
    "Organisiert Euch gegen Vereinzelung und Ausbeutung im Bildungsbetrieb!"
    "Lohnfortzahlung jetzt! Das steht für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wir hätten die gerne genauso lange wie die anderen Beschäftigten an den Unis."
    "14 Euro ab sofort!"
    Winzige Zugeständnisse der Arbeitgeber
    14 Euro brutto pro Stunde war die Forderung der studentischen Beschäftigten, als vor neun Monaten die Verhandlungen begannen. Seit 16 Jahren habe es keine Lohnerhöhungen gegeben, betonen sie. Die Arbeitgeberseite, repräsentiert durch den KAV, den Kommunalen Arbeitgeberverband, habe nur zäh winzige Zugeständnisse gemacht, aber letztlich sei das alles viel zu wenig, vor allem beim Stundenlohn, erklärt Matthias Neis von Verdi.
    "Die Arbeitgeberseite hat als drittes Angebot nach vielen Monaten jetzt eine sechsjährige Laufzeit vorgeschlagen, 12,13 Euro dann ab nächstes Jahr und dann in winzigen Schritten bis 2022 auf 12,50 Euro. Man sieht: Das ist weit weg von dem, was wir fordern, und die Inflation, die kommt, wird natürlich das alles auch gleich wieder auffressen."
    Außerdem sähen die Hochschulverträge ab 2018 höhere Tarife für die studentischen Beschäftigten vor und das Geld sei auch schon in den Landeshaushalt eingeplant betonen die Gewerkschaften Verdi und GEW.
    Stundenlohn von 10 Euro 98
    Zu den Demonstranten am Samstag gehört Lisa, die wir nur so nennen, weil sie lieber anonym bleiben will. Sie arbeitet an der Humboldt-Universität im Bereich Bild-Wissen-Gestaltung als Rechercheurin. Mit ihrem Stundenlohn von 10 Euro 98 für ihre 41 Arbeitsstunden pro Monat ist Lisa nicht mehr zufrieden.
    "Nein, weil die Mieten extrem gestiegen sind, und generell die Lebenshaltungskosten so in die Höhe gestiegen sind, dass man damit einfach nicht mehr über die Runden kommt und deshalb bin ich heute auf der Demo!"
    Mit Ausnahme der Universität der Künste sind alle großen und kleinen Berliner Hochschulen auf der Demonstration stark vertreten. Sogar die studentischen Beschäftigten der Technischen Universität sind dabei. Obwohl das die einzige Hochschule in Berlin ist, die von sich aus angekündigt hat, ab 1.1.2018 12 Euro 50 Stundenlohn zu zahlen. Trotzdem steht Stefanie hier, die an der TU als Tutorin im Orientierungsstudium für MINT-Fächer unterrichtet.
    "Weil es keine Regelung ist, die verbindlich ist, sondern es ist good will des Präsidenten und wenn der gute Wille irgendwann nicht mehr da ist, dann muss er das auch einfach nicht weiter machen. Ich hätte gerne eine feste Regelung, vor allem hätte ich gerne eine Regelung, die Berlin-weit ist."
    Bereit zum Streik
    Stefanie und Lisa wären beide bereit, für die gemeinsamen Forderungen auch zu streiken. Damit sind sie nicht allein, glaubt Stefanie.
    "Ich hab das Gefühl, dass die Streikbereitschaft sehr hoch ist, also ich mache mir da gar keine großen Gedanken, dass da die Leute nicht solidarisch sind."
    Die Gegenseite, der kommunale Arbeitgeberverband KAV, der die 12 öffentlichen Berliner Hochschulen in den Tarifverhandlungen vertritt, zeigt sich stur. Man habe sehr große Zugeständnisse gemacht, etwa Urlaubsgeld für 30 Tage und Krankheitsfortzahlung für acht Wochen angeboten, betont Claudia Pfeiffer. Die Geschäftsführerin der KAV sieht ihre Arbeitgeber mit gewerkschaftlichen Maximalforderungen konfrontiert, in anderen Bundesländern werde viel weniger bezahlt, Urlaubs- und Krankengeld gebe es dort gar nicht für die studentischen Beschäftigten. Claudia Pfeiffer bekräftigte noch heute Vormittag:
    "Also unsere Bewegung haben wir ja schon am 11. Dezember 2017 gezeigt, eine weitere Bewegung - das haben wir auch deutlich gemacht - ist eigentlich nicht vorstellbar. Ich würde mir sehr wünschen, dass der Streit nicht auf der Straße ausgefochten wird, sondern dass man wieder vernünftig an den Verhandlungstisch kommt und dass man sich hier auf ein vernünftiges Ergebnis einigt."
    Bis zum 31.12. herrscht Friedenspflicht. Danach sind Streiks geplant, wenn sich die Gegenseite nicht bewege, betonen die Gewerkschafter.