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Berliner Label Philophon
Aus Liebe zum afrikanischen Klang

Schlagzeuger und Produzent Max Weissenfeldt ist seit seiner Jugend ethnologischer Musik- und Rhythmusforscher. In den vergangenen Jahren hielt er sich vermehrt in Ghana auf. Die dort entstandenen Kollaborationen veröffentlichte er als Vinyl-Singles auf seinem Label Philophon.

Von Florian Fricke | 12.01.2019
    Max Weissenfeldt 2019
    Max Weissenfeldt: "Das Label wird einfach dem folgen, mit dem ich mich gerade beschäftige" (Florian Fricke)
    Dass der musikalische Schwerpunkt seines Labels Philophon im Highlife-Stil aus West-Afrika liegt, ist eher dem Zufall geschuldet, so Max Weissenfeldt:
    "Ich bin ursprünglich dort runter, um die polyrhythmische Trommelkultur kennenzulernen, bin ja selber Schlagzeuger. Und dann hat sich peu à peu das Land für mich erschlossen, ich habe Kontakte aufgebaut und Musiker kennengelernt. Und Trommeln lernen ist immer mehr in den Hintergrund und Ideen für Projekte sind entstanden."
    Im Laufe der Zeit nahm Max Weissenfeldt in Ghana Gesangspuren auf, um die er in seinem Berliner Blütenring-Studio einen Song bastelte und einspielte. Oder er nahm schon fertige Backing Tracks mit nach Ghana und ließ die Künstler darauf singen. Mit Guy One - in Ghana ein Star und Meister der Kologo, dem zweisaitigen Ur-Banjo - war die Zusammenarbeit etwas intensiver.
    "Der hat natürlich schon richtige Kompositionen, da musste ich das Zeug auch erst mal lernen. Da habe ich die Phrasen aufgenommen und habe sie hier erst mal transkribiert und habe drum herum Arrangements gebaut."
    Die "B-Seite" wurde in Kreuzberg erfunden
    Das Studio mit einer imposanten Sammlung an alter und moderner Studiotechnik und Instrumenten aus aller Welt sitzt unter dem Dachstuhl eines riesigen Industriekomplexes in Kreuzberg. Bis Kriegsende betrieb hier die Carl Lindström AG unter dem Namen Parlophon eins der größten Schallplatten-Presswerke Europas, hier wurde die B-Seite erfunden.
    Philophon, aus Liebe zum Klang, wie der Name schon sagt, bezieht sich also in jeder Beziehung auf unsere pop-musikalischen Wurzeln. 15 Singles wurden seit 2012 produziert. jeweils in einer Auflage von 1000 Stück, ein Liebhaber-Projekt. Aus den vorhandenen 30 Songs hat Max Weissenfeldt nun die zehn besten für den ersten Label-Sampler "Bitteschön, Philophon!" zusammengefasst, um seine Musik auch über Vinyl-Sammler hinaus eine Öffentlichkeit zu geben.
    Das schon gespielte "Estre" von Guy One entwickelte sich in Frankreich immerhin zu einem Radio-Hit auf der überaus beliebten Weltmusik-Welle "Radio Nova". "Die sind sowieso ganz philophonophil. Da kam jetzt auch eine Jahres-Compilation heraus mit zwei Stücken von uns. Ich glaube, wir sind das einzige Label auf dieser Compilation, was zweimal vertreten ist, das muss man auch mal schaffen."
    Der bekannteste Name auf "Bitteschön, Philophon!" ist Jimi Tenor, der musikalische Tausendsassa aus Finnland, ebenso mit einem Faible für afrikanische Musik ausgestattet.
    Jimi Tenor spielt Querflöte
    Jimi Tenor (Max Weissenfeldt)
    "Er war für mich immer der, der hier in näherer Nachbarschaft, sprich Europa, mit dem ich am meisten Gemeinsamkeiten verspürt habe. Da war mal Gunst der Stunde bei so einem Festival, backstage, und dann bin ich mit einer CD dort hingegangen, gerade neu herausgekommen, und hab gesagt: 'Ey, wir haben ein Studio. Wenn du mal in Berlin bist, bist herzlich eingeladen, hör’s dir mal an.'"
    Das Kapitel Ghana schliesst sich
    Schon wenigen Tage kam eine E-mail zurück. Mittlerweile ist ein ganzes Album mit Jimi Tenor entstanden, demnächst wird ein zweites in Angriff genommen. So wächst sie stetig, die Philophon-Familie: "Ich glaube, das Label wird wahrscheinlich einfach dem folgen, mit dem ich mich gerade beschäftige. Ich merke, das Kapitel Ghana schließt sich so langsam. Jetzt habe ich mit Guy One und Alogte Oho meine Kooperationspartner gefunden, das wird also immer noch weitergehen. Der Unterschied ist, dass ich nicht mehr runterfahre, sondern die hierher kommen, weil wir Konzerte spielen."
    Sehr souverän klingt das, wenn zum Beispiel Alemayehu Eshete - auch der äthiopische Elvis genannt - über ein Downtempo-Arrangement von Max Weissenfeldt singt, als ob eine Band einen alten Schwarz-weiß-Film in einem Kino in Addis-Abeba live neu vertonen würde, aber der Gesang kommt aus dem Film. Solche Momente hat es öfter auf dem Album, wenn Zeiten und geographische Grenzen verschwimmen. Im Großen und Ganzen wird auf "Bitteschön, Philophon!" der rhythmische Reichtum und die Lebensfreude der Musik Afrikas zelebriert, ganz unangestrengt und unaufgesetzt.
    Max Weissenfeldt ist in dieser Musik aufgegangen, eine bessere Voraussetzung kann ein Produzent kaum mitbringen.