
In der Märchenhütte am Monbijoupark fängt der gestiefelte Kater Rebhühner für den König, um seinem Herrn zu Ruhm, Reichtum und Königstochter zu verhelfen. Etwa 50 Zuschauer lauschen der gesprächigen, schlauen Katze und dem armen Müllersohn. Die Zuschauer nippen an Glühwein und Punsch, lachen viel, spenden Szenenapplaus für die beiden Schauspieler. An diesem kalten Winter-Abend ist es vergleichsweise leise im Theaterbereich im Monbijoupark. Denn jetzt laufen die schauspielerischen Aktivitäten des Monbijoutheaters drinnen ab: In zwei antiken Holzhütten auf dem Parkgelände werden Märchen gegeben. Die Probleme mit den neuen Anwohnern, die gab es im Sommer und im Herbst, erzählt Theaterdirektor Christian Schulz am Lagerfeuer, draußen vor den Hütten:
"Die Menschen, mit denen wir uns am meisten einigen müssen, sind die, die hier zugezogen sind. Die versuchen, uns daran zu erinnern, dass es eine Berliner Lärmschutzverordnung gibt, die vorsieht, dass um 22 Uhr Ruhe ist. Und die drängen auf eine strikte Einhaltung."
Im Sommer steht hier am Rande des Monbijouparks direkt gegenüber der Museumsinsel eine Open-Air-Shakespeare-Bühne, mit über 100.000 Besuchern pro Jahr eines der beliebtesten Theater Berlins. Außerdem gibt es eine Tanzfläche und eine Strandbar mit Ostseesand. Das alles geöffnet bis mindestens 23 Uhr. Doch seit im vergangen Sommer die ersten Eigentümer in das neue Luxusquartier schräg gegenüber gezogen sind, gibt es Beschwerden der neuen Nachbarn. Zu Laut, zu viel Trubel.
"20 Jahre Narrenfreiheit genossen"
"Wir haben hier mehr als 20 Jahre lang mehr oder weniger Narrenfreiheit genossen im Monbijoupark und jetzt sind da Menschen eingezogen, die auf Ruhe hoffen, weil sie denken, sie wohnen mitten im Park. Aber sie wohnen mitten in der Stadt, und mit denen müssen wir uns irgendwie arrangieren. Das ist natürlich bei so einem Projekt mit Theater und Tanz am Wasser, wo viele Menschen sich erfreuen, nicht so einfach."
Schulz will an diesem Abend nicht ins Detail gehen, noch hofft er auf einen Kompromiss mit den Anwohnern. Er sagt nur so viel: Es seien vonseiten der Bewohner sehr drastische Worte gefallen:
"Das ist natürlich eine Existenzbedrohung, ich versuche mich da sehr vorsichtig auszudrücken. Aber wenn wir nach 22 Uhr keine Gastro-Einnahmen mehr machen dürfen, wir sind völlig frei finanziert, dann fehlt uns das entscheidende Geld, um das auszugleichen, was das Theater kostet."
Linke: Geld vertreibt freie Kultur
Für Sven Diedrich, Bezirksverordneter der Linke in Mitte ist der Streit um das Monbijou-Theater ein Klassiker: Geld vertreibt freie Kultur. Immer wieder mussten in den vergangen Jahren Freiräume für Kultur, Musik und Clubs wegen neuer Anwohner weichen:
"Wenn dort ein Club gewesen ist und Eigentumsbewohner kommen daher und sagen, sie fühlen sich durch den Club lärmtechnisch belästigt, haben wir es immer wieder erlebt, dass dann nicht die Leute sich eine andere Wohnung suchen oder es einfach hinnehmen, sondern dass tatsächlich diverse Clubs und andere Einrichtungen dieser Stadt schon geschlossen wurden."
Lärm ist dabei nur ein Problem: Leer stehende Häuser, stillgelegte Fabriken oder Brachen, die das Stadtbild lange geprägt haben und Platz boten für Alternativkultur – sie verschwinden sowieso seit Jahren in Berlin. Kultur-Clubs und freie Theater können sich die Mieten nicht mehr leisten oder bestehen überhaupt nur als Zwischennutzung. Auch das Monbijou Theater ist in dem Park im Grunde nur geduldet, muss seine Genehmigung jedes Jahr neu beantragen. Mit den Freiräumen verschwindet auch ein Alleinstellungsmerkmal der Metropole, sagt Diedrich:
"Wir haben es in Berlin natürlich mit einer zunehmenden Flächenkonkurrenz zu tun. Die Stadt wird immer enger und dichter, es ist auch gut, dass Wohnungen entstanden sind. Aber es ist uns wichtig, dass die Menschen, die hierher ziehen und ganz gezielt in Berlins Mitte ziehen, wissen müssen, worauf sie sich einlassen. Nämlich, dass sie an einen Kulturstandort ziehen, wo Berliner Leben gelebt wird – und das ist nicht immer so ganz die Ruhe. Aber es ist dann so: dass die Menschen sagen, natürlich mag ich das alles, aber nicht vor meiner Haustür."
Lösungsansätze des Senats wirken manchmal hilflos
Die Landes- und Kommunalpolitik sieht dieses Problem durchaus. Auch wenn die Lösungsansätze des Senats bisweilen etwas hilflos wirken: Clubs, die mit ihren Gebäuden von Brachflächen weggentrifiziert werden, sollen im Sommer Freiluftpartys veranstalten. Und wenn es kalt ist, nach Tegel ziehen. Wenn der Flughafen irgendwann stillgelegt sein sollte. Kommunalpolitiker Diedrich setzt auf Änderungen beim Lärmschutz für bestimmte Orte in Berlin:
"Es gibt im Baugesetzbuch ein neues Planungsinstrument, das so genannte urbane Gebiet, das lässt zukünftig mehr Lärm in der Innenstadt zu, auch in Wohnortnähe. Das sollten die Bezirke auch öfter in Anspruch nehmen, um die eine oder andere Kulturstätte oder Sportstätte besser schützen zu können."
Für Theatermann Christian Schulz dürfte ein solcher neuer Bebauungsplan – so er überhaupt durchzusetzen ist – zu spät kommen. Schließlich will er im Frühjahr wieder die Shakespeare-Open-Air-Bühne aufbauen. Er setzt auf eine Einigung mit seinen lärmempfindlichen Nachbarn, bei einem Runden Tisch.