Noltze: Herr Flier, ist das jetzt das Ei des Kolumbus: künstlerische und finanzielle Eigenständigkeit bei gleichzeitiger Zusammenfassung in eienr Stiftungskonstruktion? Flierl: Zumindest soll es ein Fortschritt für die Berliner Opernlandschaft sein, einerseits die künstlerische und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu garantieren und gleichzeitig Spielplanabstimmung, gemeinsame Werkstättennutzung und institutionsübergreifendes Marketing zu ermöglichen, Berlin nicht nur als Museumsstadt, das es ja schon ist, sondern auch als Opernstadt tatsächlich zu entwickeln.
Noltze: Es ist aber nicht daran gedacht, eine Art von künstlerischer Gesamtleitung zu installieren. Trotzdem wollen Sie das Künstlerische koordinieren. Wo verläuft da die Grenze?
Flierl: Diese Grenze hat uns die deutsche Opernkonferenz sehr genau gewiesen. Da ging es um die Spielplanabstimmung, vor allem in zeitlicher Hinsicht. Es geht um die Taktung der Premieren, es geht um den Ausschluss von opernfreien Tagen in Berlin. Wir wollen also keinen Generalintendanten, keine inhaltliche Gesamtdramaturgie, auch kein staatliches Oktroy über die Spielpläne, wie früher schon einmal noch unter den Zeiten des Kultursenators Stölzl vorgesehen, sondern eher eine lockere, aber kooperative Abstimmung zwischen den Häusern, die sich gemeinsam den Berliner Opernmarkt neu erschließen müssen und auch mehr Zuschauer in der Stadt brauchen.
Noltze: Mit der Stiftungskonstruktion haben Sie den Bund zumindest für eine Anschubbezuschussung ins Boot gekriegt.
Flierl: Der Bund will auf dreifache Weise mittun. Er will, was das Wesentliche ist, Berlin dauerhaft an anderer Stelle durch die Übernahme von Kultureinrichtungen entlasten. Er will den Personalabbau, der im Rahmen der Opernstrukturreform zu vollziehen ist, über die Dauer von fünf Jahren ähnlich wie die Zuschussverträge für die Häuser selber finanzieren und er will schließlich auch noch die Gründungskosten für die GmbHs zur Verfügung stellen. Alles dies sind sehr substanzielle Beiträge, und es ist tatsächlich das erste Mal, dass ein Berliner Kultursenator und eine Kulturbeauftragte des Bundes gemeinsam ein Konzept tragen, es auch im wesentlichen Zügen gemeinsam entwickelt haben, und insofern ein ermutigender Ansatz für eine gute Arbeitsteilung zwischen Bund und Senat für die Berliner Kulturpolitik.
Noltze: Abgebaut werden sollen immerhin 220 Stellen. Von wie vielen überhaupt?
Flierl: Von 2.111 Stellen. Also, es ist schon ein enormer Einschnitt. Dieser allerdings in einer Größenordnung unter 10 Millionen Euro, den auch die deutsche Opernkonferenz für gerade noch verträglich gehalten hat, und insofern wird vor allem beim Verwaltungs- und beim technischen Personal gespart.
Noltze: Die Intendanten werden Ihnen vermutlich vorhalten, dass man mit 10 Prozent weniger Personal gar nicht mehr Oper veranstalten kann.
Flierl: Die Intendanten waren in den letzten Monaten sehr intensiv in die Debatte mit eingebunden. Sicherlich gab es auch immer wieder ein Verlassen des Tisches. Es war eine sehr kontroverse Debatte, aber der Vorschlag zum Personalabbau ist von den geschäftsführenden Direktoren der Opernhäuser in Kenntnis der Intendanten erarbeitet worden. Wichtig ist, dass man jetzt die Grundsatzentscheidungen trifft und dann an dem Modell noch weiter arbeitet.
Noltze: Wenn die Staatsoper wie die anderen auch eine GmbH sein wird, wäre aber der Zugriff auf die selbst erwirtschafteten Rücklagen nicht mehr möglich, wegen denen Daniel Barenboim jetzt nicht mehr mit Ihnen sprechen will und sie sogar für irrelevant erklärt hat.
Flierl: Das ist richtig. Die Vertragssicherheit würde gewährleisten, dass die Zuschüsse an die Institutionen für diesen Vertragszeitraum gewährt werden. Dass nun kurz vor Vorstellung dieses Konzeptes die Rücklagen bei den Opernhäusern geplündert werden mussten - in dem Fall nicht nur der Staatsoper, sondern auch der komischen Oper, die das viel mehr trifft - ist eine bedauerliche Überlagerung der Debatten. Es sind auch nur jene Rücklagen kassiert worden, die nicht zweckgebunden ausgewiesen waren. Insofern glaube ich, dass sich der Protest auch relativiert und jetzt durch eine gemeinsame Strukturdebatte abgelöst werden soll.
Noltze: Aber noch mal: War das nicht grandios ungeschickt, sozusagen hier das Tischtuch zu gefährden, das dann tatsächlich auch von Seiten der Staatsoper nahezu zerschnitten worden ist kurz bevor man so einen Vorschlag in die Welt bringt.
Flierl: Ja, die Nachtragshaushaltsverhandlungen waren nicht von mir terminiert. Ich musste in letzter Minute eine pauschale Minderausgabe von 25,8 Millionen auflösen. Es sind mir schließlich nur knappe 10 Millionen aufgetragen worden. Das war schon ein großer Erfolg. Es geht nur darum, dass diese öffentlichen Institutionen nicht zweckgebunden Rücklagen gebildet haben, die einem Haushälter natürlich nicht vermittelbar sind, wenn wir gleichzeitig auf dem Kreditmarkt Geld zu hohen Zinsen leihen müssen und einzelne Institutionen nicht zweckgebunden Rücklagen bilden.
Noltze: Das Einsparpotenzial ihrer Vorschläge liegt bei 9,6 Millionen, haben Sie ausgerechnet, und damit jedenfalls deutlich unter den Vorstellungen ihres Kollegen Finanzsenators. Ist das vor dem Hintergrund überhaupt durchzubringen?
Flierl: Na ja, wir bieten ja ein Gesamtpaket einer strategischen Partnerschaft zwischen Bund und Berlin. Insofern summieren sich die Entlastungen des Berliner Haushaltes auf über 30 Millionen Euro. Ich glaube, dass das eine strategische Größenordnung ist, die der Koalition und auch dem Finanzsenator nicht egal sein wird. Ich glaube, dass wir jetzt die Alternative sehr viel klarer definiert haben und dass wir damit tatsächlich einen Schritt hin zu einem Wendepunkt in der Berliner Kulturpolitik von der elenden Krisendebatte hin zum zukunftsfähigen, dauerhaft finanzierbaren Strukturen gekommen sind.
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Noltze: Es ist aber nicht daran gedacht, eine Art von künstlerischer Gesamtleitung zu installieren. Trotzdem wollen Sie das Künstlerische koordinieren. Wo verläuft da die Grenze?
Flierl: Diese Grenze hat uns die deutsche Opernkonferenz sehr genau gewiesen. Da ging es um die Spielplanabstimmung, vor allem in zeitlicher Hinsicht. Es geht um die Taktung der Premieren, es geht um den Ausschluss von opernfreien Tagen in Berlin. Wir wollen also keinen Generalintendanten, keine inhaltliche Gesamtdramaturgie, auch kein staatliches Oktroy über die Spielpläne, wie früher schon einmal noch unter den Zeiten des Kultursenators Stölzl vorgesehen, sondern eher eine lockere, aber kooperative Abstimmung zwischen den Häusern, die sich gemeinsam den Berliner Opernmarkt neu erschließen müssen und auch mehr Zuschauer in der Stadt brauchen.
Noltze: Mit der Stiftungskonstruktion haben Sie den Bund zumindest für eine Anschubbezuschussung ins Boot gekriegt.
Flierl: Der Bund will auf dreifache Weise mittun. Er will, was das Wesentliche ist, Berlin dauerhaft an anderer Stelle durch die Übernahme von Kultureinrichtungen entlasten. Er will den Personalabbau, der im Rahmen der Opernstrukturreform zu vollziehen ist, über die Dauer von fünf Jahren ähnlich wie die Zuschussverträge für die Häuser selber finanzieren und er will schließlich auch noch die Gründungskosten für die GmbHs zur Verfügung stellen. Alles dies sind sehr substanzielle Beiträge, und es ist tatsächlich das erste Mal, dass ein Berliner Kultursenator und eine Kulturbeauftragte des Bundes gemeinsam ein Konzept tragen, es auch im wesentlichen Zügen gemeinsam entwickelt haben, und insofern ein ermutigender Ansatz für eine gute Arbeitsteilung zwischen Bund und Senat für die Berliner Kulturpolitik.
Noltze: Abgebaut werden sollen immerhin 220 Stellen. Von wie vielen überhaupt?
Flierl: Von 2.111 Stellen. Also, es ist schon ein enormer Einschnitt. Dieser allerdings in einer Größenordnung unter 10 Millionen Euro, den auch die deutsche Opernkonferenz für gerade noch verträglich gehalten hat, und insofern wird vor allem beim Verwaltungs- und beim technischen Personal gespart.
Noltze: Die Intendanten werden Ihnen vermutlich vorhalten, dass man mit 10 Prozent weniger Personal gar nicht mehr Oper veranstalten kann.
Flierl: Die Intendanten waren in den letzten Monaten sehr intensiv in die Debatte mit eingebunden. Sicherlich gab es auch immer wieder ein Verlassen des Tisches. Es war eine sehr kontroverse Debatte, aber der Vorschlag zum Personalabbau ist von den geschäftsführenden Direktoren der Opernhäuser in Kenntnis der Intendanten erarbeitet worden. Wichtig ist, dass man jetzt die Grundsatzentscheidungen trifft und dann an dem Modell noch weiter arbeitet.
Noltze: Wenn die Staatsoper wie die anderen auch eine GmbH sein wird, wäre aber der Zugriff auf die selbst erwirtschafteten Rücklagen nicht mehr möglich, wegen denen Daniel Barenboim jetzt nicht mehr mit Ihnen sprechen will und sie sogar für irrelevant erklärt hat.
Flierl: Das ist richtig. Die Vertragssicherheit würde gewährleisten, dass die Zuschüsse an die Institutionen für diesen Vertragszeitraum gewährt werden. Dass nun kurz vor Vorstellung dieses Konzeptes die Rücklagen bei den Opernhäusern geplündert werden mussten - in dem Fall nicht nur der Staatsoper, sondern auch der komischen Oper, die das viel mehr trifft - ist eine bedauerliche Überlagerung der Debatten. Es sind auch nur jene Rücklagen kassiert worden, die nicht zweckgebunden ausgewiesen waren. Insofern glaube ich, dass sich der Protest auch relativiert und jetzt durch eine gemeinsame Strukturdebatte abgelöst werden soll.
Noltze: Aber noch mal: War das nicht grandios ungeschickt, sozusagen hier das Tischtuch zu gefährden, das dann tatsächlich auch von Seiten der Staatsoper nahezu zerschnitten worden ist kurz bevor man so einen Vorschlag in die Welt bringt.
Flierl: Ja, die Nachtragshaushaltsverhandlungen waren nicht von mir terminiert. Ich musste in letzter Minute eine pauschale Minderausgabe von 25,8 Millionen auflösen. Es sind mir schließlich nur knappe 10 Millionen aufgetragen worden. Das war schon ein großer Erfolg. Es geht nur darum, dass diese öffentlichen Institutionen nicht zweckgebunden Rücklagen gebildet haben, die einem Haushälter natürlich nicht vermittelbar sind, wenn wir gleichzeitig auf dem Kreditmarkt Geld zu hohen Zinsen leihen müssen und einzelne Institutionen nicht zweckgebunden Rücklagen bilden.
Noltze: Das Einsparpotenzial ihrer Vorschläge liegt bei 9,6 Millionen, haben Sie ausgerechnet, und damit jedenfalls deutlich unter den Vorstellungen ihres Kollegen Finanzsenators. Ist das vor dem Hintergrund überhaupt durchzubringen?
Flierl: Na ja, wir bieten ja ein Gesamtpaket einer strategischen Partnerschaft zwischen Bund und Berlin. Insofern summieren sich die Entlastungen des Berliner Haushaltes auf über 30 Millionen Euro. Ich glaube, dass das eine strategische Größenordnung ist, die der Koalition und auch dem Finanzsenator nicht egal sein wird. Ich glaube, dass wir jetzt die Alternative sehr viel klarer definiert haben und dass wir damit tatsächlich einen Schritt hin zu einem Wendepunkt in der Berliner Kulturpolitik von der elenden Krisendebatte hin zum zukunftsfähigen, dauerhaft finanzierbaren Strukturen gekommen sind.
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